ohne Anlass zu verrotten und das Loch wuchs bestandig, wie ein Krebs im Korper der Welt. Gespickte Messingtentakel, schon jetzt glitschig von menschlichem Blut, schossen daraus hervor, schnappten sich Molly und fesselten ihr die Arme an den Korper. Sie schrie auf, als verdurbe die Beruhrung der Dinger sie und wehrte sich heftig. Blut flog durch die Luft, als die Metalldornen sich in ihr Fleisch bohrten. Und dann verschwanden die Tentakel wieder im Boden und nahmen sie mit, und das Loch verschwand. Der Boden war wieder massiv, unberuhrt, als ware nichts passiert. Roger drehte sich langsam um, er hing immer noch frei in der Luft und lachelte mich mit seinem furchtbaren Lacheln an.
»Ich komme aus der Holle«, sagte er. »Und das trage ich uberall mit mir herum. Also bin ich nie fern von zu Hause. Ich habe deine kleine Freundin gerade in die Holle geschickt, Eddie Drood. Sie auf ewig verdammt zu ewigem Leiden in den Flammenseen und zu den Foltern der Schwefelklufte, weil ich mich gerade danach fuhlte. Wie denkst du daruber, Eddie Drood?«
»Nachdem ich dich getotet habe, werde ich in die Holle hinabsteigen und sie zuruckholen«, sagte ich. »Was auch immer dazu notig ist, was auch immer das kostet. Aber zuerst werde ich dich mit diesen goldenen Handen zerschmettern und dich schreien lassen, und dann, nach all den schrecklichen Dingen, die ich dir angetan habe, wird es fur dich eine Erleichterung sein, wieder zur Holle zu fahren!«
»Wow«, sagte Molly. »Das ist echt stark, Eddie.«
Wir alle sahen uns verwirrt um und da stand sie, unberuhrt und unverletzt, genau da, wo das Loch gewesen war. Ich rannte hinuber und nahm sie in die Arme. Wir hielten uns gegenseitig fest und nichts anderes spielte mehr eine Rolle.
»Ich dachte wirklich, ich hatte dich verloren«, sagte ich.
»Glaubst du echt, ich wurde irgendwo hingehen und dich einfach hierlassen?«, fragte sie.
Als wir uns endlich voneinander trennten und uns umsahen, starrte Roger uns fassungslos an. Und auf einmal sah seine hollische Prasenz nicht mehr halb so furchteinflo?end aus.
»Du kannst nicht hier sein!«, sagte er. »Das geht nicht! Ich habe dich zur Holle geschickt!«
»Da war ich schon«, sagte Molly.
Sie schnippte trocken mit den Fingern und ein Loch offnete sich in der Decke uber uns. Ein himmlisches Licht brach hindurch wie ein heiliger Scheinwerfer und richtete sich auf Roger. Es spie?te ihn auf wie ein Insekt auf die Nadel eines Sammlers. Er schrie grausam auf und warf sich hilflos und in Agonie im Griff des himmlischen Lichtes umher, und wir alle mussten uns abwenden. Das Licht war einfach zu strahlend, zu rein, als dass menschliche Augen hatten hineinsehen konnen. Sogar im selben Zimmer zu sein, tat weh, als wurde es alles wegbrennen wollen, was fehlerhaft war. Molly schnippte wieder mit den Fingern und das Licht verschwand ebenso schnell wieder wie das Loch in der Decke. Roger fiel auf den Boden und lag still. Er atmete schwer. Er sah wieder aus wie ein Mensch. Harry rannte nach vorn, kniete neben Roger und zog ihn in seine Arme. Er wiegte ihn hin und her wie ein verletztes Kind und murmelte beruhigende Worte. Rogers Gesicht war starr vor Panik und Leid und einem unbeschreiblichen Schrecken. Ich sah Molly an.
Sie zuckte mit den Achseln. »Ich bin halt ein bisschen rumgekommen. Du warst uberrascht, wer mir alles einen Gefallen schuldet. Wirklich.«
»Wir reden spater daruber«, sagte ich. »Sind alle anderen in Ordnung?«
Ich sah mich um. Sebastian und Freddie hatten sich in einer entfernten Ecke zusammengekauert und hatten anscheinend versucht, sich gegenseitig in die Taschen zu kriechen. Der Seneschall sah blass und erschuttert aus, aber nicht einmal der Anblick von Himmel und Holle hatte ihn aus der Fassung gebracht. Jacob der Geist war verschwunden. Und Giles Todesjager grinste breit, als ob er gerade eine richtig gute Show gesehen hatte. Wahrend ich noch daruber nachdachte, flogen die Turen des Sanktums wieder auf, und eine ganze Bande von Droods kam hereingelaufen, angefuhrt von den Schlagern, die die Tur bewacht hatten. Sie hatten scheinbar Aufwind bekommen und ermutigt von ihrer Verstarkung schienen sie entschlossen, uns allen eine Lektion zu erteilen. Unglucklicherweise machten sie den taktischen Fehler, unbewaffnet hereinzuplatzen. Giles schoss sofort nach vorn und war schon in dem Moment bei ihnen, als sie hereinkamen, und das war fur jemanden ohne Drood- Rustung unfassbar schnell. Er zog gar nicht erst sein Schwert, warf sich einfach nur in die Neuankommlinge, stoppte sie, wo sie waren und schlug sie alle mit eleganter, beinahe klinischer Prazision nieder. Er schlug mit uberraschendem Konnen um sich und jeder Schlag sa? und lie? einen Mann zu Boden gehen. In wenigen Augenblicken war er der Einzige, der noch stand, und war umgeben von stohnenden und bewusstlosen Leuten. Er atmete nicht einmal schwer.
»Also, das nenn' ich ja mal einen Kampfer«, sagte der Seneschall. Ich hatte vorher noch nie erlebt, dass er beeindruckt war. »Das hast du gut gemacht, Edwin. Das ist genau, was wir brauchen.«
»Danke, dass du sie nicht abgemurkst hast«, sagte ich zu Giles. »Sie gehoren zur Familie.«
Er nickte kurz. »Ich wei?. Ich habe die Reifen um ihren Hals gesehen. Ich tote nur, wenn es notig ist. Und diese traurigen Exemplare da waren es definitiv nicht wert.
»Das ist teilweise ein Grund, warum du hier bist«, sagte ich. »Ich brauche dich, um meine Familie zu trainieren und sie in Krieger zu verwandeln. Und um einen Krieg zu fuhren, der unmoglich zu gewinnen ist und gegen den machtigsten Feind geht, den du jemals gesehen hast.«
»Ich habe schon Armeen aus schlechterem Material gemacht«, sagte Giles. »Ich kann aus dem unbeschriebensten Blatt noch einen Kampfer machen. Ich bin ein Todesjager. Wir gewinnen Kriege. Dafur sind wir gemacht. Wie viel Zeit habe ich?«
»Gute Frage«, erwiderte ich. Ich sah den Seneschall an. »Klartext, Cyril. Ich muss genau wissen, was in meiner Abwesenheit passiert ist. Furs Erste nur die Hohepunkte, den Rest schnapp ich dann schon im Laufe der Dinge auf.«
Der Seneschall nickte langsam. »Willkommen zuruck, Edwin. Der Familie fehlte deine … Entschlossenheit. Du musst verstehen, dass Harry die Unterstutzung der Matriarchin hatte. Ich hatte keine Wahl.«
»Sag mir einfach, was passiert ist«, sagte ich. »Wir konnen die Schuld spater verteilen. Du kannst damit anfangen, wie alles so schrecklich schiefgehen konnte. Als ich hier wegging, waren wir am Gewinnen. Irgendwie.«
»Das Manifeste Schicksal hatte ein paar Leute auf der Nazca-Ebene«, sagte der Seneschall. »Lange bevor du mit deinem Team da ankamst. Truman wollte seine neuen Verbundeten im Auge behalten. Aber jeder, den er dorthin schickte, endete entweder als Besessener oder Infizierter der Abscheulichen. Sie kamen zu Truman zuruck, um das Gift, dass sie infiziert hatte, zu verbreiten. Sie haben seine Organisation infiltriert und sind in seine neue Basis eingedrungen. Dort haben Sie weitere angesteckt. Sie sind seine engsten Tutoren geworden und haben ihm Gift in die Ohren getraufelt. Sie haben Truman uberzeugt, neue Nester zu errichten und das Bauen neuer Turme zu unterstutzen.
Von den Ressourcen des Manifesten Schicksals gespeist und unter dem Schutz von Truman selbst haben die Abscheulichen ihren Einfluss uber die ganze Welt ausgebreitet, haben ihre infizierten Agenten in Organisationen und Regierungen in aller Welt eingeschleust. Angeblich haben sie fur das Manifeste Schicksal gesprochen und es als eine Alternative zur Drood-Familie angepriesen. Naturlich sind sie schnell zugelassen worden, haben sich schnell in fuhrende Positionen hinaufgearbeitet, sofort uberall Chaos und Unentschlossenheit verbreitet und die Menschheit von innen gespalten. Es gibt jetzt uberall Nester, in jedem Land. Oft errichten sie sie im Inneren von Ghoulstadten, um zu verstecken, was sie bauen. Sobald sie eine bestimmte Gesamtzahl erreicht haben, die aber nur sie kennen, wird die gro?e Beschworung beginnen und die Eindringlinge werden durchkommen.«
»Moment mal«, sagte ich. »Sie haben nicht Truman selbst infiziert? Warum nicht? Dann hatten sie doch seine ganze Organisation kontrollieren konnen.«
»Sieht so aus, als konnten sie das nicht«, meinte der Seneschall. »Nach all den Operationen, die er seinem Gehirn zugemutet hat, scheint es, als sei er immun gegen ihren Keim.«
»Vielleicht konnen wir das benutzen. Wenn wir ihn erreichen konnten, sodass er die Wahrheit erkennt - vielleicht konnten wir von ihm sogar lernen, wie man jeden anderen immun macht.«
»Vielleicht«, sagte der Seneschall freundlich. »Wenn ich dann fortfahren durfte …«
»Oh ja, sprich einfach weiter, Cyril. Lass dich nicht von mir unterbrechen.«
»Wir wissen, dass die, die die Abscheulichen infizieren, selbst zu Abscheulichen werden«, sagte der Seneschall. »Sie verhalten sich wie Insekten; ein Bienenstock, in dem jeder wei?, was alle wissen. Die Nester kommunizieren untereinander, von einer Ghoulstadt zur anderen, in einer Art, die wir weder abfangen geschweige denn verstehen konnen. Wir erobern und zerstoren jedes Nest, das wir lokalisieren konnen und brennen ihre Stadte ab, aber sie sind besser im Verstecken als wir im Finden. Wir gewinnen die Schlachten, aber verlieren den