Welt hat sich geandert, als du weg warst. Nicht einmal ich bin mehr, was ich war, so weit verteilt. Nur mein Schutz sichert die Familie noch. Es sind die Abscheulichen, Eddie, sie infizieren die lebendige Welt wie ein Virus, wie Krebs. Und je mehr sie ubernehmen, desto mehr setzen sie mir Grenzen. Ich sorge fur die Rustungen der Droods, und die Kraft fur die Familienwaffen und die -verteidigungen - aber jeden Tag fallt mir das ein bisschen schwerer. Die Hungrigen Gotter kommen … und nicht einmal ich kann hoffen, gegen sie bestehen zu konnen, wenn sie sich erst in ihrer schauderhaften Glorie gezeigt haben.«
Ich hatte Seltsam noch nie so mude gehort, so niedergeschlagen - beinahe besiegt. Er schien immer so machtvoll zu sein; so weit uber der Menschheit stehend, dass es mir niemals in den Sinn gekommen war, dass es andere Krafte, andere Wesen geben konnte, die auch weit uber ihm standen.
Ich sah Harry an, der stolz und gro? in seiner goldenen Rustung dastand.
»Nimm sie runter«, sagte ich. »Wir haben fur so eine Schei?e keine Zeit. Wir mussen wichtige Dinge besprechen, Familiendinge.«
»Nein«, sagte er sofort. »Nichts ist wichtiger als das. Nichts kann passieren, nichts entschieden werden, bis wir festgelegt haben, wer das Kommando hat. Ich habe bemerkt, dass du deine Rustung nicht hochgefahren hast, Eddie. Was ist los? Hast du nicht die Eier, dich einem fairen Kampf zu stellen?«
»Ein Duell?«, fragte ich. »Mitten in dieser Situation mochtest du ein Duell austragen?«
»Das entspricht der Tradition«, sagte der Seneschall und lachelte nur ein wenig.
»Noch ein Grund, warum ich mit der Tradition nie klargekommen bin«, sagte ich. »Aber wenn es dich glucklich macht, Harry …«
Ich murmelte die aktivierenden
Der Seneschall ging einen Schritt nach vorn, vielleicht, um etwas Ermutigendes zu Harry zu sagen, oder um mich abzulenken, und Giles wischte unglaublich schnell nach vorn und durchquerte die Halle in einem Moment. Sein langes Schwert flog in seine Hand, als er den Seneschall gegen die Wand druckte und dann die Schneide der langen Klinge gegen Cyrils Hals legte. Es geschah so schnell, dass der Seneschall keine Gelegenheit hatte, seine Rustung hochzufahren. Er sah in Giles kalte Augen, schloss die eigenen und stand dann sehr still da. Er sagte nichts. Ein dunner Blutfaden rann von der Stelle uber seinem Adamsapfel aus seinen Hals hinab, an der die rasiermesserscharfe Klinge des Schwerts die Haut zerteilt hatte.
»Tu's nicht«, sagte Giles.
Harry nutzte den Moment, in dem meine Aufmerksamkeit abgelenkt war, und warf sich gegen mich. Wir standen Kopf an Kopf, beide zu wutend, um vorsichtig vorzugehen. Wir tauschten Schlage aus, die normale Menschen getotet hatten, aber keiner von uns fuhlte sie. Wir verkrallten uns ineinander, schwankten vor und zuruck, als wir rangen; aber wir beide kannten alle Tricks. Wir stie?en wieder und wieder aneinander, unsere ubermenschlichen Krafte und Geschwindigkeit waren absolut ebenburtig. Ich schubste ihn von mir weg und lie? aus meinen Handen lange, goldene Klingen wachsen. Harry tat das Gleiche und wir stachen wild auf einander ein. Wir stie?en und hackten und wirbelten so schnell umeinander herum, dass es dem menschlichen Auge schwerfiel zu folgen. Unsere Rustungen hatten uns jetzt im Griff, unsere Leidenschaft und unser Hass ubertrugen sich auf die ubermenschlichen Reaktionen.
Ich riss seine linke Klinge mit roher Kraft beiseite und schnitt in seine Brust. Die ubernaturlich scharfe Klinge schnitt durch seine Rustung, um ihn zu erreichen, sie war das Einzige, die das bewirken konnte. Ich horte ihn vor Uberraschung und Schmerz stohnen, und dann musste ich mich schnell ducken, als seine Hinterhand als Antwort beinahe meinen Kopf abgeschnitten hatte. Wir wirbelten und tanzten, stampften so hart mit den goldenen Fu?en auf den Holzboden, dass wir ihn beinahe durchbrachen. Wir kampften weiter, ein einziger goldener Wirbel in scharlachrotem Licht. Aber selbst so waren wir zu ebenburtig, und der Austausch der ubernaturlich verstarkten Schnitte und Wunden half nicht, dass Duell zu einem Ende zu bringen.
Ich hatte schon mehr als er durchgemacht und deshalb war ich mude. Meine Arme schmerzten und ich spurte, dass auf der Innenseite meiner Rustung Blut an mir herunterlief. Ich musste das beenden, solange ich noch konnte. Also benutzte ich einen alten Trick; den, den ich benutzt hatte, um seinen Vater zu schlagen. Ich parierte seine Klingen mit meinen, zwang sie hoch und aus dem Weg und griff dann mit beiden Handen seinen Hals an. Meine Klingen zogen sich in die goldenen Handschuhe zuruck, sodass ich einen guten Griff auf seinen goldenen Hals bekam. Der Aufprall schickte uns beide krachend auf den Boden und ich landete oben, beide Hande an seinem Hals. Seine Hande verschluckten die Klingen unwillkurlich, als er instinktiv nach meinen Handgelenken griff, und versuchte, meine Hande fortzuzwingen. Die Rustung um seinen Hals hatte meine gerusteten Hande aufhalten mussen, aber so aus der Nahe, gezwungen von meinem Willen, verschmolzen unsere Rustungen miteinander, sodass meine blo?en Hande schlie?lich um seinen blo?en Hals lagen, innerhalb der Rustung.
Er machte ein Gerausch des Schocks und der Uberraschung, als sich meine Hande schlossen. Ich druckte zu. Er baumte sich unter mir auf und versuchte, sich zu wehren, aber er konnte meine Hande nicht fortschieben. Er wurgte und verkrampfte sich, aber ich lie? ihn nicht atmen.
Bis er endlich aufhorte, sich zu wehren und auf den Boden neben ihm schlug. Das alte Zeichen eines Duellanten, dass er aufgab. Ich lie? los und er atmete wieder. Ich blieb uber ihn gebeugt, bereit, sofort wieder loszulegen, falls er nur so tat. Fur eine Weile blieben wir so, er auf dem Boden, ich uber ihm, wir beide schwer atmend. Ich hatte ihn getotet, wenn er nicht aufgegeben hatte, und er wusste das.
»Hast du so meinen Vater getotet?«, sagte er endlich.
»Das ist typisch fur dich, Harry«, sagte ich. »Immer auf die Vergangenheit fixiert. Ein Fuhrer sollte in die Zukunft sehen. Ich hatte dich toten konnen, aber das wollte ich nicht. Zunachst einmal, weil es wahrscheinlich mehr Probleme gemacht als gelost hatte und zweitens, weil die Familie erfahrene Frontagenten wie dich braucht. Jetzt mehr denn je. Also vergiss diesen Patriarchen-Schei?. Werd' wieder ein Teil meines Inneren Zirkels. Gib mir dein Wort, dass du mir folgst, meinen Befehlen gehorchst, um der Familie willen - und das alles ist vorbei.«
»Und wenn ich nein sage?«
»Du kennst die Antwort darauf. Alles oder nichts, Harry. Deal?«
»Deal«, sagte er still. Es klang bitter. »Um der Familie willen.«
Wir beide rusteten ab. Ich gab ihm meine Hand und half ihm auf.
»Nein!«, sagte Roger plotzlich und trat vor. »Du musst ihm nicht nachgeben, Harry! Du musst keinen Mist von irgendwem annehmen, nicht, solange ich hier bin!«
Ohne Vorwarnung ubernahm seine hollische Halfte und wickelte sich um ihn wie ein weiter Mantel. Er schien in keiner Weise mehr menschlich zu sein. Schatten versammelten sich um ihn, eine lebendige Dunkelheit, die das karmesinrote Licht zu verschlingen schien. Ein starker Geruch von Blut und Schwefel lag in der Luft und der Schwall einer fast unertraglichen Hitze lie? uns alle zuruckfahren, selbst Harry. Roger lachelte und sein Mund war voller spitzer Zahne. Seine Augen waren schwarze Locher in seinem Gesicht. Seine Prasenz im Sanktum war … schwer, wie ein unertragliches Gewicht, das die Welt niederdruckte. Er sah aus wie das, was er wirklich war: Etwas aus der Holle. Selbst Harry konnte ihn nicht direkt ansehen. Roger lachte leise; ein boses, hasserfulltes Gerausch, dass nichts von menschlichem Humor enthielt und uns alle zusammenzucken lie?. Roger erhob sich in die Luft und negierte damit die Naturgesetze, als waren sie nicht vorhanden. Er hing in der Luft, mit spottisch ausgestreckten Armen, als sei er an ein unsichtbares Kreuz genagelt.
»Jesus ist gar nichts gegen mich«, sagte er in einer Stimme, die klang wie ein grunzendes Tier. »Du glaubst, dass du jemand bist, Eddie Drood, aber ich werde dir zeigen, was wahre Macht ist.«
Bevor ich auch nur etwas sagen konnte, schwebte Molly ihm entgegen. Sie hielt sich muhelos in der Luft vor ihm, ihr Gesicht kalt und entschlossen, als sie sich zwischen mich und die Hollenbrut schob. Ich wollte sie zuruckhalten, aber ich hatte keine Stimme. Unnaturliche Energien, die man genauso gut fuhlen wie sehen konnte, begannen um die beiden zu tanzen. Sie zundelten und knisterten wie Wassertropfen auf einer hei?en Herdplatte. Etwas sammelte sich zwischen ihnen, etwas Schreckliches. Schon ihnen so nahe zu sein, fuhlte sich an, als schnitten rasiermesserscharfe Klingen in meine Seele. Sterbliche sollten so etwas nicht sehen, so etwas nicht fuhlen. Verbotene Magien und unmenschliche Praktiken …
Roger winkte mit der Hand und ein Loch entstand im Boden des Sanktums. Die holzernen Bohlen schienen