lebendigem Leib naturlich, und ubertrage das mithilfe des Monitors an alle. Das konnte dir einen ganz neue Sicht auf die Dinge eroffnen.«
Ich entschied, dass ich genug gesehen hatte, offnete den Spiegel und transportierte mich ins Sanktum. Molly folgte mir schnell, bevor der Weg sich wieder schloss.
»Ah Eddie«, sagte Seltsam. »Hast du wieder mal gelauscht? Und das, nach allem, was du mir uber dieses Thema gesagt hast?«
»Ich habe hier das Kommando«, meinte ich. »Und deshalb darf ich das Gegenteil tun von dem, was ich sage. Eigentlich glaube ich sogar, dass es eine Voraussetzung fur diesen Job ist. Was war das damit, den Blauen Elf von innen nach au?en zu kehren? Ich habe noch nie gehort, dass du jemandem drohst.«
»Er hat versucht, mich zu verhexen«, sagte Seltsam. »Niemand verhext mich. Ich helfe, weil ich will und aus keinem anderen Grund.«
»Naturlich«, sagte ich. »Aber in Zukunft gilt: Wenn jemand bestraft werden muss, entscheide ich das. Klar?«
»Du verstehst gar keinen Spa? mehr«, sagte Seltsam.
Ich ging hinuber zum Blauen Elf, der jetzt langsam und schmerzhaft wieder auf die Beine kam. Er sah kurz zur Tur hinuber, aber Molly hatte sich bereits in den Weg gestellt. Er seufzte leise und zupfte ein wenig an seiner Kleidung herum, um sich wieder etwas prasentabler zu machen.
»Hallo, Eddie«, sagte er ruhig. »Molly. Ich wusste nicht, dass ihr wieder zuruck seid.«
»Offensichtlich«, sagte ich. »Warum versuchst du, Seltsam zu zwingen, dir einen Torques zu geben?«
Er zuckte mit den Achseln und versuchte sein charmantestes Lacheln aufzusetzen. »Ein Ruckfall in meine ureigene Natur, furchte ich, mein altes Selbst kommt wohl wieder durch. Du wei?t ja, wie das ist.«
»Ich bin wirklich nicht in der Stimmung fur eine gepflegte Konversation«, sagte ich und irgendetwas schwang in meiner Stimme mit, das ihn stramm stehen lie?. »Na los, raus damit, Blue. Sag mir die Wahrheit. Oder ich bin geneigt, dich Seltsam zu uberlassen.«
»Die Zeit hat dich nicht sanfter gemacht«, sagte der Blaue Elf. »Also schon. Ich furchte, ich war nicht vollstandig ehrlich mit dir, als ich hier ankam. Ich kam nur hierher, um mir selbst zu helfen und nicht dir. Ich wollte einen Torques. Ich wollte eine goldene Drood-Rustung - damit ich sie zu den Elben bringen kann. Ich wollte sie und ihre Geheimnisse dem Elbenrat im Austausch gegen meine Aufnahme ins Elbenreich uberlassen. Ich habe es satt, wie ein Mensch zu leben, in der menschlichen Welt. Ich war nie sonderlich gut darin. Und nach meiner Nahtod-Erfahrung dachte ich mehr und mehr uber die andere Seite meiner Herkunft nach. Und es schien mir, dass sie vielleicht freundlicher zu mir waren als ihr. Am Ende zahlt doch nur die Familie, Eddie. Das Bedurfnis, irgendwohin zu gehoren. Das solltest du verstehen.«
»Deine schiere Existenz ist fur die Elben verdammungswurdig«, sagte Molly. »Au?erhalb des Elbengeschlechts Nachkommen zu zeugen, ist ihr gro?tes Tabu. Sie wurden dich toten, wenn sie dich nur sehen, Torques oder nicht.«
Er nickte langsam. »Und ihr werdet mich nicht toten?«
»Ich sollte es tun. Aber ich habe heute schon einen Freund verloren.«
»Ich habe versucht dich zu warnen, Eddie. Sogar Halbelben haben immer eigene Plane.«
»Das ist wahr, das hast du getan. Also, du hast die Wahl. Du kannst gehen oder bleiben.«
»Das ist alles?«, fragte der Blaue Elf nach einem Moment.
»Ja«, sagte ich. »Ich habe nicht mehr die Energie, auf dich wutend zu sein. Aber wenn du bleibst und an unserer Seite im kommenden Krieg zu kampfen, dann konntest du Aufnahme gewinnen. Und einen Platz hier. Freunde konnen auch eine Art Familie sein.«
»Du beschamst mich mit deiner Gro?zugigkeit«, sagte der Blaue Elf. »Ich bleibe und ich werde kampfen. Wenn du mich jetzt entschuldigst …«
Ich nickte Molly zu und sie trat von der Tur weg, um ihn gehen zu lassen. Sie wartete, bis sich die Tur fest hinter ihm geschlossen hatte und sah mich an.
»Bist du verruckt? Du kannst ihm nicht vertrauen! Er ist halber Elb.«
»Ich wei?«, sagte ich. »Das ist ja auch der Grund, warum ich ihn in der Nahe haben will. Damit ich ihn im Auge behalten kann.«
»Ihr Menschen, mit euren Subtilitaten«, sagte Seltsam. »Ihr seid viel beangstigender als ich jemals sein konnte.«
Als Nachstes gingen Molly und ich zu den Isolierstationen in der Krankenstation im Nordflugel. Keiner von uns wollte gehen, aber wir mussten sehen, wie sich die infizierten Abscheulichen machten. Achtundzwanzig waren es jetzt, einschlie?lich Sebastian. Neunundzwanzig, einschlie?lich Molly. Ich wollte eigentlich allein gehen, aber Molly bestand darauf, mich zu begleiten und ich brachte es nicht ubers Herz, Nein zu sagen. Nicht, wo sie so hart kampfte, ihre Menschlichkeit zu bewahren.
Die Familie hat schon immer ihre eigenen Arzte und Schwestern im eigenen Krankenhaus ausgebildet. Einerseits wollen wir nicht, dass die Welt erfahrt, dass wir verletzlich sind, selbst mit unseren wunderbaren Rustungen, und andererseits, weil wir die Einzigen sind, die fur die Folgen der Probleme ausgestattet sind, die Droods drau?en im Einsatz zu bewaltigen haben. Unsere Arzte mussen in der Lage sein, alle Arten von physischen, spirituellen und unnaturlichen Unfallen diagnostizieren und behandeln zu konnen, angefangen von Werwolfbissen uber Langstreckenfluche bis hin zum Post-Besessenen-Stress-Syndrom.
Die Ausstattung unserer Krankenstation ist immer voll auf der Hohe der Zeit und geht manchmal sogar noch ein bisschen daruber hinaus, aber der Ort ist eigentlich immer derselbe, traditionell blass, pastellfarbene Wande, schnoddrige Matronen und ein sanfter, aber alles durchdringender Geruch nach gekochtem Kohl. Molly und ich gingen schnell durch die Gange und nickten kurz dem Arztestab zu. Ein paar sahen so aus, als hatten sie Einwande gegen unsere Anwesenheit, aber wir waren schon wieder weg, bevor sie etwaige Einwande in Worte fassen konnten. Die meisten Krankenbetten waren besetzt, wesentlich mehr als eigentlich normal war. Einige Familienangehorigen starben ganz offenbar, trotz allem, was unsere Arzte fur sie tun konnten. Ein kleiner, kalter Teil von mir war froh zu sehen, dass Harry ein genauso schlechter Anfuhrer war wie ich, aber ich verdrangte den Gedanken.
Die Isolierstationen waren in einem eigenen Anbau untergebracht. Im Grunde bestanden sie aus einer Reihe von schwer bewaffneten Wohntanks mit eigenem Luftungssystem und Wanden aus Stahlglas, die entworfen wurden, um auch die problematischeren Patienten unter Kontrolle halten zu konnen. So wie Frontagenten, die eine Krankheit aus einer anderen Dimension mitgebracht haben oder jene, die ernsthaft besessen sind. Der einzige Eingang zu jedem Tank besteht aus einer streng bewachten Luftschleuse, deren Kombinationscode vorsichtshalber taglich gewechselt wird. Es gibt nur sechs Tanks, wir haben nie mehr gebraucht. Jetzt waren sie von einer Wand zur anderen mit den kurzlich eingefangenen Drohnen vollgestopft.
Molly und ich gingen langsam auf die Isoliertanks zu und nickten den schwer bewaffneten Wachen vor jeder Luftschleuse zu. Einige der Drohnen kamen heran, um mit den Fausten auf das schwere Stahlglas einzuschlagen. Ihre Stimmen waren durch die eingebauten Gegensprechanlagen zu horen. Sie sagten, sie seien unschuldig und nicht infiziert und dass alles ein Irrtum sei. Sie riefen mich beim Namen und baten mich um Hilfe. Andere schrien Drohungen und Fluche. Aber die meisten standen oder sa?en ruhig mit ausdruckslosen Gesichtern da und warteten darauf, was als Nachstes passierte. Sie warteten darauf, dass wir nicht aufpassten, nur fur einen Moment.
Im letzten Tank kam Sebastian Drood nach vorn und sah uns spottisch an, als wir vor der Luftschleuse stehen blieben. Als der Gefahrlichste hatte er eine Zelle fur sich. Er sah jetzt vollig normal aus, auch wenn da etwas an seinem Gesicht nicht stimmte, als hatte er vergessen, wie man menschlich dreinschaute. Oder vielleicht glaubte er, das sei nicht mehr notwendig. Er nickte mir hoflich zu und lachelte Molly an.
»Liebste Molly«, meinte er. »Wie fuhlt es sich an, eine von uns zu sein?«
»Ich werde nie eine von euch sein«, sagte sie entschieden. »Egal, was passiert.«
»Ah«, meinte er und zuckte lassig mit den Achseln. »Das sagst du jetzt. Aber so geht es uns am Anfang allen. Wir verraten uns nicht, obwohl wir wissen, das wir das tun sollten, weil wir anders sind. Wir sind stark, wir konnen damit fertig werden. Wir geben nie auf. Aber nach einer Weile willst du es gar nicht mehr bekampfen. Du begru?t es sogar. Weil das Menschsein so ein kleines Ding ist, das man hinter sich lassen kann.« Er wandte sich plotzlich mir zu. »Du hast es niemandem gesagt, Eddie, nicht wahr? Darauf habe ich gezahlt. Und zu dem Zeitpunkt, an dem du erkennen wirst, wie hoffnungslos es ist, wird es zu spat sein. Bist du deshalb hier, Eddie? Um mich zu toten, damit ich niemandem sagen kann, was ich der lieben Molly angetan habe? Werde ich auf der Flucht