von jetzt an werdet ihr jedes Mal, wenn ihr uns nahe kommt, mehr Leute verlieren. Egal, wie viele Schlachten ihr gewinnt, wir werden immer mehr von euch nehmen, bis niemand mehr da ist. Ihr werdet nicht wagen, uns zu bekampfen, weil es euch zu unseren Ebenbildern macht.«

Ich lachelte zuruck. »Naja, das musst du ja sagen, nicht wahr?«

Ich ging mit Molly in unserem Raum zuruck. Wir brauchten beide eine Auszeit. Zeit zum Nachdenken. Ich streckte mich auf dem Bett aus, aber anstatt sich neben mich zu legen, stand Molly am Fenster und sah auf den Park hinaus. Die Stille im Zimmer schien immer intensiver und eindringlicher zu werden, je langer sie dauerte, aber keiner von uns wusste, wie man sie brechen konnte. Ich hatte gesagt, dass ich ihr helfen, sie retten wurde, aber ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte gesagt, dass ich sie sogar vor meiner eigenen Familie beschutzen wurde, aber wir wussten beide, dass das Schicksal der Menschheit Vorrang haben musste. Wir wussten beide eine Menge, aber keiner von uns wollte der Erste sein, der diese Dinge aussprach.

»Wie fuhlst du dich?«, fragte ich schlie?lich, nur um etwas zu sagen, das diese schreckliche Stille durchbrach.

»Ich kann die Anderungen fuhlen«, sagte sie und sah weiterhin aus dem Fenster. »Korperliche Anderungen. Mein Korper fuhlt sich anders an. Unsicher. Und ich habe seltsame Gedanken im Kopf, die aus dem Nichts zu kommen scheinen. Meine Magie halt diese Dinge unter Kontrolle. Noch. Ich kenne so viele Zauberspruche, so viele verbotene Geheimnisse und Magien, aber ich hatte nie gedacht, dass ich einmal eine dieser Waffen gegen mich selbst gebrauchen musste.«

»Es muss jemanden geben, der dir helfen kann«, sagte ich. »All diese Orte, an denen du warst, all deine Kontakte …«

»Der Preis, den sie verlangen wurden, ware schlimmer als das Leiden«, meinte sie.

»Dann eben jemand in der Familie«, meinte ich. »Wir mussen die Anderungen nur bis nach dem Krieg stoppen oder zumindest verlangsamen. Bis wir wirklich daran arbeiten konnen.«

»Wen konnten wir fragen? Wem konnten wir ein solches Geheimnis anvertrauen?«

»Dem Waffenmeister. Onkel Jack wurde das verstehen. Wir mussten seinen Bruder James toten und er hat es verstanden.«

»Das war, um die Familie zu retten«, entgegnete Molly. »Und ich werde zu einer wirklichen und realen Gefahr fur die Familie. Wen gibt es noch?«

»Ich wei? es nicht! Der Blaue Elf? Er schuldet mir was. Vielleicht konnte er nach einer Heilung fischen. Er hat eine fur sich selbst gefunden.«

»Wir konnen ihm nicht vertrauen. Alle Elben haben eigene Plane.«

»Naja … vielleicht konnte Giles dich mitnehmen, zuruck in seine Zukunft«, sagte ich verzweifelt. »Wer wei? schon, welche Arten von Heilungen oder medizinische Technologien sie dort haben?«

»Du hast den Mann doch gehort«, sagte Molly traurig. »Seine ist eine rein technische Zukunft. Seine Leute waren wahrscheinlich nicht mal in der Lage zu erkennen, was mit mir nicht in Ordnung ist. Und uberhaupt, wir konnen doch die Abscheulichen und die Hungrigen Gotter nicht auf die Zukunft loslassen. Sie mussen hier und jetzt gestoppt werden.«

Ich musste lacheln. »Hore ich richtig? Die beruchtigte Molly Metcalf entwickelt tatsachlich Skrupel und Moral auf ihre letzten Tage?«

Sie wandte sich um und brachte ein kleines Lacheln fur mich zustande. »Jeder muss irgendwann einmal erwachsen werden. Mich hat es nur die Infektion durch einen andersdimensionalen Parasiten gekostet, der meinen Korper ubernommen hat und meine Seele frisst.«

Ich setzte mich auf und sah sie nachdenklich an. »Jetzt bist du doch eine von ihnen. Bist du eigentlich schon Teil ihres Kollektivbewusstseins? Kannst du sie horen? Kannst du die Kommunikation der Abscheulichen abhoren?«

Molly runzelte die Stirn und konzentrierte sich. »Da ist etwas. Am Rand meiner Gedanken. Weit weg, ein Hintergrundgerausch. Aber es ist nur Gemurmel, ein bedeutungsloser Mischmasch von Gerauschen. Nicht menschlich. Fremd. Vielleicht verstehe ich es, wenn ich mehr … wie sie werde. Werden meine Gedanken dann so klingen? So fremd, so profund anders - jenseits allen menschlichen Verstandnisses?« Sie sah mich eindringlich an. »Wir mussen sie aufhalten, Eddie. Wahrend ich noch ich selbst bin. Vielleicht - wenn wir sie alle aus unserer Realitat verdrangen, dann wird die Infektion mit ihnen verschwinden.«

»Ja«, sagte ich sanft. »Vielleicht.«

»Ich habe Angst, Eddie. Ich habe Angst davor, immer weniger ich zu sein und zu etwas zu werden, dem es egal ist, was es verloren hat. Mir wird sogar egal sein, dass ich dich nicht mehr liebe. Wenn es keine Heilung gibt, wenn es keine Hoffnung mehr gibt, Eddie, dann bring mich um, solange ich noch wei?, wer du bist. Wenn du mich liebst, dann tote mich.«

»Ja«, sagte ich. »Das kann ich tun.«

Kapitel Vierzehn

Krieg und Frieden

Alle Droods sind Kampfer. Es liegt ihnen im Blut, und sie werden darauf trainiert. Wir werden alle mit einem Torques geboren und von kleinauf dazu erzogen, den guten Kampf zu kampfen, auch wenn die meisten von uns nie das Herrenhaus verlassen oder eine wutend erhobene Hand erleben. Weil die Familie immer gewusst hat, dass einmal der Tag kommen wurde, an dem alle Droods zusammen in den Krieg ziehen und die Menschheit und die Welt retten mussten.

Mogen die Krieger der Droods entfesselt werden!

Janitscharen Jane hatte uns schon eine Menge beigebracht, aber Giles Todesjager lehrte uns etwas anderes. Unter seiner brutalen Agide lernten wir nicht nur, wie man Krieger war, sondern Soldaten in einer Armee. Als Jane noch das Kommando gehabt hatte, hatte sie mit uns Krieg gespielt. Giles organisierte seine Manover wie etwas Reales, mit der einen Halfte der Familie gegen die andere, sodass wir lernen konnten, wie man als Teil einer Gruppe zu kampfen hatte. Es reichte uns nicht mehr, dass wir Krieger waren, wir mussten eine Armee werden. Giles brachte uns Strategie bei und taktisches Denken, anstatt sich darauf zu verlassen, dass wir unsere Mann-gegen-Mann-Philosophie weiter verfolgten. Er lehrte uns, an die Operation als Ganzes zu denken und nicht nur an unseren individuellen Teil darin. Wir lernten schnell, denn wir sind Training gewohnt.

Und so befanden wir uns alle drau?en auf den weiten Rasenflachen, hell glanzend und wild in unseren goldenen Rustungen und taten unser Bestes, uns gegenseitig umzubringen. Jeder Drood, Mann oder Frau, au?er dem absolut notigen Rumpfpersonal fur die Organisation, den Lageraum und die Krankenstation, war mit Leibeskraften dabei, unter Giles strengem Kommando hin- und herzulaufen. Wir stie?en zusammen, Korper gegen Korper, und trieben unsere Muskeln und Nerven an ihre Grenzen. Der Schlachtenlarm war ohrenbetaubend - goldene Klingen suchten goldene Harnische, gerustete Fauste hammerten auf gerustete Kopfe ein und Stimmen schrien leidenschaftlich, wutend und eifrig durcheinander. Die Greifen hievten sich von ihrem angestammten Platz und verzogen sich schmollend in eine friedlichere Ecke. Die Pfauen und die anderen Tiere folgten ihnen schon bald. Selbst unsere Nixe steckte den Kopf aus dem Wasser, um zu sehen, was zur Holle vor sich ging und verschwand schnell wieder. Die Kinder, die nicht in die Schule gehen mussten, sahen uns zu, wie wir den Krieg probten und jubelten und applaudierten aufgeregt aus sicherer Entfernung. Sie waren dabei, um ebenfalls etwas zu lernen.

Denn wir alle wussten - auch wenn es niemand aussprach -, dass verdammt viele von uns nicht wieder zuruckkamen, selbst dann, wenn wir den Krieg gewannen. Und die nachste Generation Droods wurde vielleicht fruher in unsere Fu?stapfen treten mussen, als irgendeiner von uns geahnt hatte.

Ich war dabei, mittendrin im Getummel, und ubte wie jeder andere. Ich rannte die immer zertretenere Wiese herauf und herunter, und wechselte mich mit den anderen dabei ab, den Angriff zu fuhren oder auch gefuhrt zu werden. Ich war zu sehr daran gewohnt, Einzelkampfer zu sein, das aber war ein Luxus, den ich mir in diesem Krieg nicht langer leisten konnte. Also strengte ich mich immer wieder an, rannte wie verruckt hierhin und dorthin, bis meine Lungen wehtaten und schwarze Punkte vor meinen Augen tanzten. Dann lie? ich lange goldene Klingen aus meinen Handen wachsen und warf mich selbst wieder in ein weiteres wildes und brutales

Вы читаете Krieg der Wachter
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату