Holle im Bett war, weil sie sich anders ihre magischen Krafte nicht erkaufen konnte? Wei? Eddie etwas davon? Hast du ihm alle Dinge erzahlt, die du getan hast, du wilde und durchtriebene Waldhexe? Glaubst du wirklich, dass er immer noch dasselbe fur dich fuhlen wurde,
Molly erwiderte seinen Blick furchtlos, das Kinn leicht angehoben. »Ich war damals jemand anderes. Ich hatte den Droods Blutrache geschworen, weil sie meine Eltern ermordet hatten. Ich brauchte alle Macht, die ich kriegen konnte, um sie herauszufordern. Aber das war damals und heute ist heute und uberhaupt andert sich mit der Zeit alles … Such dir das Klischee aus, das dir am meisten zusagt. Ich bin nicht im Geringsten mehr die Person, die ich einmal war.«
»Glaubst du, Eddie wurde das kummern?«, fragte Roger. »Ich denke, du wirst sehen, dass er da sehr traditionell denkt. Er ist sehr altmodisch, was gewisse Dinge angeht.«
»Er muss aber nicht erfahren, was wir uber dich wissen«, meinte Harry. »Wir mussen es ihm nicht sagen. Nicht, wenn du deinem Herzen einen kleinen Schubs gibst und uns wenigstens ein bisschen hilfst.«
»Im Tausch fur euer garantiertes Schweigen?«
»Exakt«, sagte Roger. »Alles, worum wir bitten, ist, dass du fur uns ein gutes Wort einlegst. Unsere Position unterstutzt. Dabei hilfst, Eddie zu uberzeugen, dass es im besten Interesse aller ist, zuruckzutreten und Harry zu erlauben, seinen Platz als Familienoberhaupt einzunehmen. Keine gro?en Reden, keine gro?e Sache. Nur ein paar Worte in sein Ohr, im rechten Moment.«
Und dann unterbrach er sich, weil Molly ihn anlachelte. Und dies Lacheln war nicht sehr angenehm. Molly trat einen Schritt vor und Roger wich einen zuruck. Harry bewegte sich schnell vor, um sich zwischen die beiden zu stellen.
»Es gab eine Zeit«, sagte Molly, »da hatte es mir etwas ausgemacht, was ihr Eddie erzahlen konntet. Aber das hat sich geandert. Sagt ihm, was ihr wollt, es macht mir nichts aus. Ich kummere mich nicht darum, und ich glaube, das wird er auch nicht tun. Keiner von uns kummert sich mehr um die Vergangenheit, denn es ist die Zukunft, die uns Sorgen macht. Aber selbst wenn, Harry, Roger, ware ich an eurer Stelle sehr vorsichtig mit allem, was Eddie als eine Drohung gegen mich auffassen konnte. Er ist sehr beschutzend mir gegenuber, seiner Liebe. Und ihr wollt wirklich nicht, dass er euch schon wieder in aller Offentlichkeit in den Arsch tritt, oder, Harry?«
»Wir ziehen in den Krieg!«, sagte Harry. »Die Familie braucht mich als Oberhaupt!«
»Nein«, sagte Molly. »Du hattest deine Chance und du hast sie versaut. Du hast die Dinge erst so weit kommen lassen. Wenn ich Eddie ware, wurde ich dich fur das toten, was du der Familie angetan hast. Und wei?t du was? Vielleicht tue ich das noch. Einfach so allgemein. Ich konnte namlich etwas brauchen, das mich aufmuntert.«
Sie strahlte Harry und Roger an, wandte sich um und ging davon. Sie sahen ihr hinterher.
»Frauen«, sagte Roger, und Harry nickte.
Ich schloss die Szene am See, aber ich war mit Merlins Spiegel noch nicht fertig. Ein Teil von mir wollte los und Molly finden, sie an mich drucken und ihr sagen, … dass nichts eine Rolle spielte. Nichts spielte fur mich eine Rolle, nur sie. Aber ich hatte immer noch die Verpflichtungen meiner Familie gegenuber, und da gab es Dinge, die ich herausfinden musste. Also sagte ich dem Spiegel, dass er mir zeigen sollte, wo Mr. Stich war und was er gerade tat. Ich hatte mich daran erinnern mussen, dass Lauscher an der Wand nicht nur ihre eigene Schand' horten, sondern auch die jedes anderen.
Zu meiner Uberraschung zeigte mir der Spiegel, wie Mr. Stich vollig entspannt zwischen Bucherstapeln in der alten Bibliothek sa?, wahrend der Hilfsbibliothekar Rafe ihm einen Tee brachte. Mr. Stich hatte den Stra?enanzug ausgezogen, in dem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Vermutlich, weil er immer noch von Pennys Blut durchtrankt war. Stattdessen trug er wieder die formelle Kleidung seiner viktorianischen Zeit. Er sa? still und ruhig da, wahrend Rafe Milch in seinen Tee gab, aber keinen Zucker, und ihm dann die feine Porzellantasse reichte. Mr. Stich blies behutsam auf den Tee, um ihn zu kuhlen, aber seine Augen blieben auf Rafes Gesicht gerichtet, als der junge Bibliothekar sich ihm gegenuber niederlie?.
»Sie trinken Ihren Tee nicht, Rafe«, meinte Mr. Stich.
»Ich lasse ihn etwas abkuhlen. Lassen Sie sich nicht aufhalten.«
Mr. Stich sah Rafe beinahe traurig an und nahm dann einen gro?en Schluck aus seiner Tasse. Er verzog kurz den Mund und stellte die Tasse dann auf einem Bucherregal neben sich ab.
»Wenn Sie mit Gift arbeiten, Rafe, dann mussen Sie den Tee viel starker machen, um den Geschmack zu uberdecken. Und Sie sollten genug Strychnin pro Tasse nehmen, um ein Dutzend normaler Menschen zu toten. Aber ich bin schon seit Langem nicht mehr so leicht zu toten. Fur meinesgleichen ist Gift sowieso wie Muttermilch. Warum, Rafe? Ist es wegen Penny? War sie eine Freundin von Ihnen? Oder vielleicht sogar mehr?«
Rafe stand abrupt auf und warf seine Tasse weg. Er stand drohend uber Mr. Stich, fur einen langen Moment, und seine Hande waren an der Seite zu Fausten geballt. Mr. Stich stand gelassen auf, um ihm auf Augenhohe zu begegnen. Rafe brachte zunachst kein Wort heraus, sein Atem ging zu schwer. Sein Gesicht war vor Hass und Verachtung verzerrt.
»Wir standen uns nie nahe«, sagte Rafe heiser. »Aber vielleicht ware es so weit gekommen. Sie wusste nie, was sie mir bedeutet. Und jetzt wird sie es dank Ihnen nie wissen. Soll Ihre Seele zur Holle fahren!«
»Das ist schon geschehen«, sagte Mr. Stich.
Rafe griff ihn an. Er warf sich gegen den ruhigen und ungeruhrt dastehenden Unsterblichen. Er schlug mit seinen Fausten auf Mr. Stich ein, wahrend hei?e Tranen seine Wangen herunterliefen und Mr. Stich stand nur da und nahm es hin. Rafe rustete hoch und seine goldenen Fauste hammerten auf Mr. Stichs leidenschaftsloses Gesicht ein. Die gerustete Starke hinter den Schlagen musste furchtbar sein, aber Mr. Stich schien keinen Schaden davonzutragen. Und wenn die Hiebe ihn schmerzten, zeigte er es nicht. Schlie?lich stand Rafe mit schwer herabhangenden Armen und schwei?- und tranenuberstromtem Gesicht vor Mr. Stich und rustete ab. Mr. Stich sah ihn an.
»Weinen Sie nur, Junge«, meinte er. »Das ist in Ordnung. Ich wurde es auch tun, wenn ich konnte.«
In diesem Moment kam William Drood herbei, um zu sehen, was es mit all dem Larm auf sich hatte und nahm die Szene einen Moment in sich auf. Er sah Mr. Stich bose an, der sofort einen Schritt zuruckwich und William nahm Rafe mit sich fort. Mr. Stich stand sehr still und sah nicht einmal auf, bis William wieder allein zuruckkam. Ich lie? Mr. Stichs Gesicht die ganze Zeit nicht aus den Augen. Er verzog die ganze Zeit keinen Muskel. Ich hatte keine Idee, was er dachte oder fuhlte. Wenn er uberhaupt etwas fuhlte. Es gab Zeiten, … in denen ich wunschte, ich konnte genauso sein und die Dinge nicht fuhlen mussen, die mir so wehtaten. William bedeutete Mr. Stich, sich zu setzen und er folgte. William lie? sich ihm gegenuber nieder. Er sah traurig auf das benutzte Teegeschirr.
»Trinken Sie den Tee nicht«, sagte Mr. Stich ruhig.
»Das habe ich mir zusammengereimt«, sagte William trocken. »Es tut mir leid. Er ist jung. In diesem Alter nimmt man die Dinge so personlich. Dennoch, es war nichts, was Sie nicht erwartet oder schon erlebt hatten, denke ich. Was wollten Sie hier?«
»Molly Metcalf meinte, ich konnte hier Antworten finden«, meinte Mr. Stich. Sie hatten in diesem Tonfall genauso gut uber das Wetter reden konnen. »Altes Wissen, das man nirgendwo sonst findet. Vielleicht sogar einen Hinweis auf eine Heilung meines Zustands. Oder wenigstens einen darauf, wie man bestimmte Aspekte davon mildern kann.«
William sah ihn abwagend an. »Sie haben selbst gewahlt, was Sie jetzt sind. Bereuen Sie es jetzt?«
»Sie kennen diese Bibliothek besser als jeder andere«, sagte Mr. Stich. »Konnten Sie mir helfen?«
»Warum sollte ich?«, fragte William offen. »Nach allem, was Sie getan haben, warum sollte ich nicht entzuckt uber die Aussicht sein, dass Sie unweigerlich zur Holle fahren?«
»Um zukunftige Leben zu retten?«, meinte Mr. Stich ruhig. »Damit es keine Pennys und keine Rafes mehr gibt.«
William schnaubte. »Ich schatze, es ist sicher etwas hier. Wir haben Bucher zu jedem Thema unter diversen Sonnen, vom Ungewohnlichen bis hin zum Unglaublichen, vom Unwahrscheinlichen bis hin zum schlichtweg Unmoglichen. Ich bin mir sehr sicher, dass auch Sie irgendwo dabei sind. Es kommt darauf an, was Sie genau wollen, das ich finde.«
»Ich habe mich selbst zu dem gemacht, was ich bin«, sagte Mr. Stich. »Ich bin fur alles, was ich bin und alles, was ich jemals getan habe, verantwortlich. Aber zum ersten Mal will ich das andern.«
»Das wurde darauf ankommen, mit wem und wie Sie diesen Handel einst abgeschlossen haben«, meinte