möchte mich gern mit meinen Mitarbeitern beratschlagen.«

Edgar breitete nur die Arme aus. Möglicherweise war er nicht sonderlich erpicht darauf, mit Sebulon und Kostja allein zu bleiben, doch die Miene des Inquisitors verriet nichts.

Swetlana und ich folgten Geser aus dem Geheimversteck hinaus.

Die Inquisitoren empfingen uns mit dermaßen misstrauischen Blicken, als verdächtigten sie uns, alle Dunklen umgebracht zu haben. Geser nahm es gelassen hin.

»Wir ziehen uns zu einem Gespräch zurück«, warf er ihnen achtlos hin, während er sich zur Tür wandte. Die Inquisitoren wechselten beredte Blicke, erhoben jedoch keine Einwände. Nur einer steuerte auf das Geheimversteck zu. Doch da hatten wir das Haus der Hexe bereits verlassen.

Hier, in der Tiefe des Waldes, kam es mir vor, als sei es noch nicht einmal Morgen. Ein geheimnisvolles Halbdunkel, ganz wie in den frühen Dämmerstunden. Verwundert blickte ich nach oben. Und bemerkte, dass der Himmel in der Tat unnatürlich grau aussah, als blicke ich ihn durch eine Sonnenbrille an. So wirkte sich in unserer Welt also der magische Schutzschild aus, den die Inquisitoren aufgestellt hatten.

»Alles geht den Bach runter…«, murmelte Geser. »Alles ganz falsch…«

Sein Blick huschte von mir zu Swetlana und zurück. Als könne er sich nicht entscheiden, wen von uns beiden er jetzt brauchte. »Hat sie das Fuaran wirklich gehabt?«, fragte Swetlana.

»Anscheinend ja. Anscheinend existiert dieses Buch.«Geser verzog das Gesicht. »Wie dumm… wie unschön…«

»Wir müssen die Hexe finden«, sagte Swetlana. »Wenn Sie wollen…«

Geser schüttelte den Kopf. »Nein, das will ich nicht. Arina muss entkommen.«

»Das weiß ich.«Ich fasste nach Swetlanas Hand. »Wenn man Arina fasst, könnte sie sagen, wer dieser Lichte war…«

»Arina weiß nicht, wer dieser Lichte gewesen ist«, fiel Geser mir ins Wort. »Dieser Lichte kam in einer Maskierung zu ihr. Sie könnte einen Verdacht haben, etwas ahnen, vielleicht sogar überzeugt sein, aber sie hat keine Beweise. Nein, was weitaus schlimmer ist…«Plötzlich durchschaute ich alles.

»Das Fuaran?«

»Ja«, meinte Geser nickend. »Deshalb würde ich euch bitten…«

Bevor er den Satz beendete, sagte ich schnell: »Wir wissen nicht, wo Arina ist. Das stimmt doch, oder, Swetlana?«Swetlana blickte finster drein, nickte aber.

»Danke«, sagte Geser. »Das war das Erste. Jetzt zum Zweiten. Wir müssen das Fuaran finden. Um jeden Preis. Vermutlich wird ein Suchtrupp gebildet. Ich möchte, dass von unserer Seite Anton daran teilnimmt. »

»Ich bin stärker«, sagte Swetlana leise.

»Das spielt in dem Fall keine Rolle.«Geser schüttelte den Kopf. »Nicht die geringste. Außerdem brauche ich dich hier, Swetlana. »

»Wozu?«, wollte Swetlana misstrauisch wissen.

Einen Moment lang zögerte Geser. Dann sagte er: »Um im Notfall Nadja zu initiieren.«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, sagte Swetlana mit eisiger Stimme. »In ihrem Alter und mit ihrer Kraft kann sie noch keine Andere werden!«

»Möglicherweise bleibt uns nichts andres übrig«, murmelte Geser. »Swetlana, die Entscheidung triffst du. Ich bitte dich nur, dass du in der Nähe des Kindes bleibst.«

»Da mach dir mal keine Gedanken«, zischte Swetlana. »Ich werde sie nicht aus den Augen lassen.«

»Richtig so.«Geser lächelte und ging wieder zum Haus zurück. »Kommt, jetzt beginnt unser Rat in Fili.«

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, als Swetlana sich mir zudrehte. »Kannst du dir einen Reim darauf machen?«, fragte sie mit allem Nachdruck.

»Geser hat seinen Sohn nicht finden können«, meinte ich. »Der ist nämlich wirklich nur ein Mensch gewesen! Und erst vor kurzem zum Anderen geworden. »

»Arina?«

»Sieht so aus. Sie ist aus ihrem Winterschlaf erwacht und hat sich orientiert. Hat in Erfahrung gebracht, wer jetzt der Chef bei welcher Wache ist…«

»Und hat das Fuaran benutzt, um Geser insgeheim ein kleines Geschenk zu machen? Um seinen Sohn in einen Anderen zu verwandeln?«Swetlana zuckte die Achseln. »Das glaub ich nicht. Weshalb hätte sie das tun sollen? So dick ist ihre Freundschaft doch wohl nicht, oder?«

»Was heißt, weshalb? Jetzt wird Geser alles daransetzen, damit Arina nicht gefunden wird. Das ist ihre Rückversicherung, oder etwa nicht?«

Swetlana kniff die Augen zusammen. Dann nickte sie. »Aber was ist, wenn die Tagwache…«

»Woher wollen wir wissen, was sie im Hinblick auf Sebulon unternommen hat?«Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendwie glaube ich, dass auch die Tagwache es mit der Suche nach der Hexe nicht übertreiben wird.«

»Das ist doch ein durchtriebenes Weibsbild«, sagte Swetlana ohne jede Häme. »Ich hätte Hexen nicht so unterschätzen dürfen! Durchschaust du auch die Geschichte mit Nadja?«Ich schüttelte den Kopf.

Das, was Geser gesagt hatte, war in der Tat völliger Quatsch. Manchmal wurden Andere im Alter von fünf oder sechs Jahre initiiert. Aber niemals früher. Ein Kind, das die Fähigkeiten eines Anderen erhält, das diese aber noch nicht kontrolliert einsetzen kann, wäre eine wandelnde Bombe. Vor allem eine so starke Andere wie Nadjuschka. Selbst Geser würde das Mädchen nicht aufhalten können, wenn es übermütig wird und seine Kraft einsetzt. Nein, die Worte Gesers ergaben einfach keinen Sinn!

»Ich reiße ihm die Beine aus und pflanze sie ihm an Stelle der Arme wieder an!«, versprach Swetlana völlig gelassen. »Sobald er noch einmal darauf zu sprechen kommt, dass Nadja initiiert werden soll. Was ist, wollen wir gehen?«

Hand in Hand - wir beide hatten im Moment das starke Bedürfnis, einander nahe zu sein - gingen wir zum Haus zurück.

Die Inquisitoren, die durch eine Laune des Zufalls in das Geheimnis eingeweiht worden waren, sollten erneut eine Kette rund um das Haus bilden. Wir sechs setzten uns an den Tisch.

Geser trank Tee. Er hatte ihn selbst aufgebrüht, wobei er nicht nur normalen Sud benutzt, sondern auch Kräuter aus den reichen Vorräten der Hexe hinzugegeben hatte. Auch ich nahm eine Tasse. Der Tee roch nach Minze und Wachholder, war bitter und streng, machte mich aber munter. Sonst konnte er niemand verführen: Swetlana murmelte freundlich etwas und stellte ihre Tasse weg. Auf dem Tisch lag der Brief.

»Vor zweiundzwanzig, dreiundzwanzig Stunden«, meinte Sebulon mit einem Blick auf das Blatt Papier. »Sie hat den Brief vor Ihrem Besuch geschrieben, Inquisitor!«

Edgar nickte. »Schon möglich…«, fügte er widerwillig hinzu. »Möglicherweise sogar während unseres Besuchs. Wir hatten Probleme, sie in den tiefen Schichten des Zwielichts zu verfolgen. Ihr wäre also genug Zeit geblieben, sich in aller Ruhe hinzusetzen und den Brief zu schreiben.«

»Damit haben wir keinen Grund, die Hexe zu verdächtigen«, murmelte Sebulon. »Sie hat das Buch dagelassen, um sich freizukaufen. Arina hätte also keine Veranlassung gehabt, deswegen zurückzukommen und einen Inquisitor umzubringen. »

»Einverstanden«, meinte Geser zögerlich.

»Welch erstaunliche Übereinstimmung zwischen Dunklen und Lichten…«, bemerkte Edgar. »Sie machen mir Angst, meine Herren.«

»Das ist nicht die Zeit für Unstimmigkeiten«, erwiderte Sebulon. »Wir müssen den Mörder und das Buch finden.«O ja, er hatte seine Gründe, Arina zu verteidigen!

»Gut.«Edgar nickte. »Kommen wir zum Anfang zurück. Viteszlav hat mich angerufen und mir vom Fuaran erzählt. Das Gespräch hat niemand mitgehört.«

»Alle Gespräche über Handy werden abgehört und aufgezeichnet…«, warf ich ein.

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