moglich war.

»Das mu? ein sehr gro?es Thier sein, sagte Germain Paterne, auf das Dickicht zugehend.

- Bleib' hier. bleib' zuruck! rief ihm Jacques Helloch zu. Wir haben es wahrscheinlich mit einem Jaguar oder einem

Puma zu thun. Doch bei vier Kugeln, die den Burschen erwarten.

- Vorsicht!. Vorsicht! mahnte Herr Miguel. Mir scheint, ich sehe einen langen Russel, der sich durch die Zweige vorschiebt.

- Na, wer denn auch der Inhaber dieses Russels sein mag.« antwortete Jacques Helloch, und damit blitzten schon zwei Schusse aus seinem Gewehre auf.

Jetzt theilte sich das Dickicht, einem machtigen Drucke nachgebend, ein wuthendes Geheul scholl daraus hervor und eine gewaltige Masse brach durch das Gezweig.

Sofort krachten zwei weitere Schusse.

Herr Miguel hatte dem Thiere seine Kugeln entgegengejagt.

Fast augenblicklich sturzte dieses mit lautem Todesschrei zusammen.

»Ah. das ist ja nur ein Tapir! rief Germain Paterne, der war eigentlich keine vier Ladungen Pulver und keine vier Kugeln werth!«

Das war ja richtig, so weit die von dem harmlosen Thiere drohende Gefahr in Betracht kam, nicht aber, wenn man dessen Werth als Nahrungsmittel veranschlagte.

Statt mit einem Puma oder einem Jaguar, den gefahrlichsten Raubthieren Mittelamerikas, hatten es die Jager also nur mit einem Tapir zu thun gehabt. Es war ein ziemlich gro?es Exemplar mit braunem, auf dem Kopfe und an der Kehle mehr grauem Felle von sparlicher Behaarung, doch mit einer Art Mahne, dem Zeichen des mannlichen Geschlechts. Dieses Thier, das mehr in der Nacht als am Tage umherschweift, bewohnt die Urwalddickichte und auch die Sumpfe des Landes. Seine Nase, ein kleiner Russel, verleiht ihm Aehnlichkeit mit dem Eber, auch mit einem Schweine von der Gro?e eines Esels.

Ein Angriff ist von dieser Art Dickhautern nie zu befurchten. Das Thier fri?t nur Pflanzen und Fruchte und ware hochstens imstande, einen Jager uber den Haufen zu rennen.

Die vier Gewehrschusse waren inde? nicht als vergeudet anzusehen, wenn es gelang, den Tapir nach den Piroguen zu schaffen, wo die Mannschaften ihn gewi? auszunutzen verstanden.

Als das Thier aber zu Boden gesturzt war, hatten Herr Miguel und seine Begleiter nichts von dem Aufschrei eines Indianers gehort, der sie links von dem Dickicht her belauschte, und hatten den Mann auch nicht in gro?ter Eile nach dem Dorfe zu fortlaufen sehen. Sie beluden sich arglos wieder mit dem Bisamschweine und dem Hirsche und setzten den Ruckweg fort mit der Absicht, den Tapir durch einige Schiffsleute aus dem Walde holen zu lassen.

In Augustino angelangt, fanden sie die ganze Bevolkerung aber in wuthender Aufregung. Manner und Frauen drangten sich um den Capitan. Der Herr Caribal erschien nicht minder erregt, als seine getreuen Unterthanen, und als Germain Paterne, Herr Miguel und Jacques Helloch auf der Bildflache erschienen, wurden sie mit schrecklichem Geschrei, mit Ausbruchen des Hasses und der Rachsucht empfangen.

Was mochte hier vorgegangen sein?. Woher diese Veranderung des Benehmens?. Hatten die Piaroas etwa Feindseligkeiten gegen die Piroguen im Sinne?.

Daruber konnten sie sich bald beruhigen, als sie den jungen Mann, den Sergeanten Martial und die Herren Felipe und Varinas auf sich zukommen sahen.

»Was in aller Welt giebt es denn hier? fragten sie.

- Valdez, der sich noch im Dorfe aufhielt, erklarte Jean, da? er einen Indianer aus dem Walde hervorsturzen, auf den Capitan zueilen gesehen und auch gehort habe, wie jener meldete, Sie hatten mit den Gewehren.

- Ein Bisamschwein und einen Hirsch erlegt, die wir hier mitbringen fiel Herr Miguel ein.

- Nicht auch einen Tapir?

- Gewi?, auch einen Tapir, antwortete Jacques Helloch. Was ist denn so Schlimmes dabei, einen Tapir zu todten?

- Nach den Piroguen!. Schnell nach den Piroguen!« rief der Sergeant Martial.

In der That schienen die Dorfbewohner jetzt auf dem Punkte, zu Gewaltthatigkeiten uberzugehen. Die so friedlichen, entgegenkommenden, dienstwilligen Indianer schaumten sichtlich vor Wuth. Einige davon waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Ihr Schreien und Toben wurde immer lauter.

Sie drohten uber die Fremdlinge herzufallen. Dem Capitan Caribal gelang es offenbar nur schwierig, sie noch ein wenig im Zaume zu halten - wenn er sich uberhaupt darum bemuhte - und die Gefahr wuchs jetzt mit jeder Secunde.

War der Grund hierfur wirklich nur der Umstand, da? die Jager einen Tapir erlegt hatten?

Ja, das einzig und allein, und es war zu bedauern, da? Jean sie vor ihrem Aufbruche nicht nach den Angaben seines Fuhrers daruber unterrichtet hatte, da? sie einer solchen Pachyderme auf keinen Fall auch nur ein Haar krummen durften. In den Augen dieser Indianer ist der Tapir ein geheiligtes Thier, verehrt von den dem schlimmsten Aberglauben huldigenden Wilden, die auch noch auf eine Seelenwanderung schworen.

Sie glauben nicht allein an gute und bose Geister, sondern betrachten den Tapir auch als einen ihrer ehrwurdigsten und von ihren Vorfahren schon heilig verehrten Ahnen. In den Leib eines Tapirs zieht, ihrer Annahme nach, die Seele jedes verstorbenen Indianers ein. Ein Tapir weniger bedeutet demnach eine Wohnstatte weniger fur diese Seelen, die aus Mangel an Unterkommen dann Gefahr liefen, in Ewigkeit durch das Weltall zu irren. Daher das strenge Verbot die Tage eines Thieres zu verkurzen, das die ehrenwerthe Bestimmung hat, als Hauswirth zu fungieren, und daher, wenn eines doch getodtet worden ist, die Wuth der Piaroas, die sie zu der furchtbarsten Wiedervergeltung treiben kann.

Weder Herr Miguel noch Jacques Helloch wollten jedoch den Hirsch und das Bisamschwein, deren Erlegung keiner Beschrankung unterlag, im Stiche lassen. Die Schiffsleute, die inzwischen ebenfalls herbeigelaufen waren, ergriffen die Jagdbeute und Alle zogen sich eiligst nach den Piroguen zuruck.

Mit wuthenden Geberden folgten ihnen die Insassen des Dorfes. Der Capitan suchte sie gar nicht mehr zu besanftigen. im Gegentheil, er marschierte jetzt, seinen Bogen schwingend, an ihrer Spitze, und die Aufregung der Eingebornen erreichte ihren Gipfel, als der von vier Mann auf einer Tragbahre herbeigeschaffte Tapir sichtbar wurde.

Im gleichen Augenblick waren die Passagiere auf ihren Falcas angelangt, wo das Dach der Deckhauser sie gegen die Pfeile der noch nicht mit Feuerwaffen ausgerusteten Indianer schutzen mu?te.

Jacques Helloch brachte Jean eiligst in der »Gallinetta« in Sicherheit, ehe noch der Sergeant Martial sich dieser Verpflichtung erledigen konnte, und empfahl ihm, sich unter dem Deckhause zu halten. Dann kletterte er, und Germain Paterne mit ihm, schleunigst nach der »Moriche« hinuber.

Die Herren Miguel, Felipe und Varinas hatten schon auf der »Maripare« Schutz gefunden.

Die Mannschaften eilten auf ihren Posten und trafen Anstalt, nach der Strommitte zu fahren.

Die Haltetaue waren eben losgeworfen, als ein Hagel von Pfeilen auf die Piroguen niederprasselte, die mittelst der Palaucas fortgesto?en wurden, um aus dem Wirbel zu kommen, der sich an der Ruckseite der Landspitze befand. Ehe die regelma?ige Stromung erreicht wurde, ging die Bewegung der Fahrzeuge deshalb recht langsam vor sich, und sie mu?ten noch eine zweite Salve der am Ufer stehenden Eingebornen uber sich ergehen lassen.

Die erste hatte niemand verletzt. Die meisten Pfeile flatterten uber die Fahrzeuge hinaus und nur vereinzelte bohrten sich in das Dach der Deckhauser ein.

Da sie nun ihre Gewehre wieder geladen hatten, begaben sich Herr Miguel und seine Collegen, Jacques Helloch, Germain Paterne und der Sergeant Martial theils nach dem Vorder- und theils nach dem Hintertheile der Piroguen hinaus.

Jetzt knatterten funf Schusse, denen nach ganz kurzer Zeit funf andre folgten.

Sieben bis acht Eingeborne sturzten mehr oder weniger verletzt zur Erde und zwei von den Piaroas, die dabei den Uferabhang hinunter kollerten, verschwanden im Wasser des kleinen Hafens.

Mehr bedurfte es nicht, um die besturzte Bevolkerung zum Ruckzug zu bringen, der bald in eine wilde Flucht ausartete, welche sich unter Geschrei und Geheul bis nach Augustino fortsetzte.

Jetzt au?er Gefahr, weiter belastigt zu werden, segelten die Falcas um die Landspitze und dann mit Hilfe der Brise schrag uber den Strom.

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