- Ja, warum denn? War' es fur sie nicht ein glucklicher Zufall gewesen, mit Reisenden in Verkehr zu treten, wo sie mit ihnen hatten nutzliche Tauschgeschafte machen konnen?

- Es sind Memmen, die armen Kerle! Ihre erste Sorge ware es nur gewesen, sich im Walde zu verstecken und erst wieder hervorzukommen, wenn sie glaubten, das ohne jede Gefahr wagen zu konnen.

- Nun gut, Valdez, wenn sie selbst auch entflohen sind, haben doch ihre Strohhutten nicht die Flucht ergriffen, und vielleicht entdecken wir eine solche tiefer im Walde.

- Daruber ist leicht Gewi?heit zu erhalten, meinte Valdez, wenn wir nur bis zwei- oder dreihundert Schritt vom Waldessaume aus eindringen. Die Indianer pflegen sich nie sehr fern vom Flusse zu halten. Giebt es in der Umgebung uberhaupt einen Sitio oder eine Einzelhutte, so werden wir keine halbe Stunde zu gehen haben, um daruber aufgeklart zu werden.

- Dann, Valdez, ziehen wir also auf Entdeckung aus. Da der Ausflug aber doch langere Zeit in Anspruch nehmen konnte, wollen wir erst fruhstucken; nachher geht's fort.«

Unter Leitung der beiden Schiffer wurde das Lager schnell eingerichtet. Obgleich gro?ere Vorrathe an Salzfleisch, Conserven, Maniocmehl u. dgl. vorhanden waren, beschlo? man doch, diesen Proviant fur die spatere Ruckreise aufzubewahren, um dann nicht vielleicht vollig entblo?t zu sein. Valdez und seine beiden Leute beluden sich mit einigen Sacken. Traf man Indianer in der Nachbarschaft, so sollten diese mit zu Hilfe genommen werden, und die Lockspeise einiger Piaster wurde sie leicht zu Tragern und zu Fuhrern machen.

Uebrigens mu?te auch die Jagd Jacques Helloch und seinen Reisegefahrten, ebenso wie den im Lager am Pic Maunoir zuruckbleibenden Mannschaften, mehr als das Nothwendige liefern. Wir wissen, da? die Ernahrungsfrage nie von besondrer Bedeutung war, wenn man so wildreiche Landstriche bereiste. Schon der Saum des Waldes lieferte dafur einen Beweis.

Hier flatterten Wildenten, Hoccos und Pavas umher, hier sprangen Affen von einem Baum zum andern und trabten Bisam- und Wasserschweine hinter dem Gebusch dahin, wahrend das Wasser des Rio Torrida von Fischen geradezu wimmelte.

Wahrend des Essens gab Jacques Helloch den Entschlu? kund, den er in Uebereinstimmung mit Valdez gefa?t hatte. Beide wollten im Umkreis eines Kilometers zur Aufsuchung von Guaharibo-Indianern ausziehen, die hier in den Ilanos des obern Orinoco wohnen mochten.

»Ich mochte Sie so gern begleiten, rief Jean.

- Wenn ich Dir's erlaube, mein Herr Neffe! erklarte der Sergeant Martial. Ich bin aber der Ansicht, Du schonst Deine Beine fur die Wanderung. Ruhe getrost diesen Tag noch aus. auf arztliche Verordnung!«

Ein so gro?es Vergnugen auch Jacques Helloch bei dem kurzen Ausfluge die Begleitung des jungen Madchens gewahrt hatte, mu?te er sich doch sagen, da? der Sergeant Martial diesmal im Rechte war. Auf der Fu?tour nach Santa-Juana standen der kleinen Gesellschaft noch genug Anstrengungen bevor, da? Jeanne von Kermor sich recht wohl eine vierundzwanzigstundige Ruhe gonnen konnte.

»Mein lieber Jean, sagte er, Ihr Onkel rath Ihnen gut. Der heutige Tag wird Ihnen alle Krafte wiedergeben. Valdez und ich, wir sind genug.

- Eines Naturforschers benothigt man nicht? fragte Germain Paterne.

- Man braucht doch keinen Naturforscher, um Eingeborne zu entdecken, erwiderte Jacques Helloch. Bleib nur hier, Germain, und botanisiere nach Herzenslust am Rande des Waldes oder langs des Ufers.

- Ich werde Ihnen dabei helfen, Herr Paterne, erbot sich Jean, und wenn's hier seltne Pflanzen giebt, werden wir eine gute Ernte einheimsen.«

Vor dem Aufbruch empfahl Jacques Helloch dem Schiffer Parchal dringend, die Reisevorbereitungen moglichst zu beschleunigen. Was Valdez und ihn anging, hofften sie, vor Ablauf von zwei Stunden zuruck zu sein, und jedenfalls wurden sie ihre Nachsuchung nicht uber eine gewisse Entfernung hin ausdehnen.

Damit verlie?en sie, der eine das Gewehr auf der Schulter, der andre die Axt im Gurtel, ihre Gefahrten und verschwanden, eine schrage Richtung einschlagend, hinter den ersten Baumen.

Es war jetzt neun Uhr morgens. Die Sonne erfullte den Wald mit feurigen Strahlen. Zum Gluck uberwolbte uppiges Laubwerk den Erdboden, was die Temperatur etwas ertraglicher machte.

Sind im Gebiete des obern Orinoco die Berge nicht bis zum obersten Gipfel mit Baumen bestanden wie die Cerros am Mittellaufe, so zeigen die Walder sich dafur reich an uppig gedeihenden Arten, die dem jungfraulichen Boden entsprie?en.

Der Wald der Sierra Parima schien ganz verlassen zu sein. Dennoch konnte Valdez an einigen von ihm beobachteten Zeichen, an niedergetretenem Grase, abgebrochenen Zweigen und noch ziemlich frischen Fu?stapfen erkennen, da? sich Indianer auf der rechten Uferseite des Flusses befinden mu?ten.

Die Waldmasse - was wir hervorheben mochten - bestand zum gro?ten Theile aus Baumarten, die selbst fur die Eingebornen leicht verwerthbar waren. Da und dort standen Palmen abweichender, wenn nicht fur die Augen von Reisenden, die den Strom von Ciudad-Bolivar bis zum Pic Maunoir herausgefahren waren, ganz neuer Art, ferner

Bananen, Chapparos, Cobigas, Flaschenkurbisbaume und Marinas, deren Rinde zur Herstellung indianischer Sacke dient.

An einzelnen Stellen bemerkte man auch jene Kuh- oder Milchbaume, die in der Nahe des Ufers nicht so haufig vorkommen, und Gruppen von Morichis oder Lebensbaumen, die im Delta des Orinoco so haufig sind - eine hochst werthvolle Pflanze, deren Fasern zu Faden und Stricken verarbeitet werden, deren Mark eine stoffreiche Nahrung liefert und deren Saft nach vollendeter Gahrung ein sehr heilsames Getrank darstellt.

Je weiter Jacques Helloch hier in den Wald eindrang, desto mehr erwachten in ihm die Begierden des Jagers. Wie leicht hatte er jetzt Wasserschweine, Faulthiere, Bisamschweine, eine Anzahl wei?er, Venditas genannter Affen und mehrere Tapire erlegen konnen, die ihm in bequeme Schu?weite kamen. Doch weder er noch Valdez hatte sich mit so viel Wild beladen konnen, und au?erdem erschien es angezeigt, sich hier nicht durch den Knall einer Feuerwaffe zu verrathen. Man wu?te ja nicht, von wem er gehort werden konnte und ob nicht gar Quivas hinter dem Dickicht umherschweiften. Jedenfalls waren die Guaharibos, wenn solche entflohen waren, dadurch nicht zum Wiederkommen verlockt worden.

Jacques Helloch und Valdez gingen also schweigsam nebeneinander weiter. Sie folgten dabei einer Art gewundenem, durch niedergetretenes Gras erkennbarem Flu?pfade, ohne zu wissen, wohin er fuhrte und ob er vielleicht nach der Sierra zu in einer Lichtung mundete.

Es war aber im Ganzen leicht zu sehen, da? die Wanderung durch den Wald nur langsam und muhevoll vor sich gehen wurde und da? man auf Verzogerungen, Anstrengungen und ofteres Rasten rechnen mu?te. Waren die Piroguen bis zu den Orinocoquellen hinauf gekommen, so hatte sich ihnen vielleicht im Gebiete der Parima ein weniger schwieriger Weg nach der Mission von Santa-Juana geboten.

Derlei Gedanken beschaftigten Jacques Helloch, wahrend sich sein Begleiter nicht von dem Zwecke des Ausfluges, d. h. der Auffindung eines Sitio oder doch einer von Indianern bewohnten Hutte, wo er Unterstutzung zu finden hoffte ablenken lie?. So rief denn auch, nach einstundiger Wanderung, der Schiffer der »Gallinetta« zuerst:

»Eine Strohhutte!«

Jacques Helloch und er blieben stehen.

Hundert Schritte von ihnen erhob sich eine rundliche, einem gro?en Champignon ahnelnde Hutte von recht durftigem Aussehen. Tief unter einer Palmengruppe verloren, reichte ihr konisches Dach fast bis zur Erde herab. Am untern Theile des Daches befand sich eine unregelma?ige Oeffnung, die durch keine Thur abgeschlossen war.

Jacques Helloch und Valdez begaben sich nach der Hutte und traten in deren Innenraum ein.

Er war leer.

In diesem Augenblicke horten die Beiden aus ziemlicher Nahe und in nordlicher Richtung das Krachen eines Schusses.

Achtes Capitel

Der junge Indianer

»Achtung!. Ein Schu?! rief Jacques Helloch.

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