auch die Gefahr eines Ueberfalles, den sie bei ihrer Minderzahl gewi? kaum abzuschlagen vermochte.

Von solchen recht ernsten Befurchtungen wurde Jacques Helloch jetzt beschlichen.

Davon hatte er aber gegen niemand gesprochen. kaum mit wenigen Worten gegen Valdez, der seinen Verdacht bezuglich des Spaniers theilte.

Nach der vom Sergeant Martial so bestimmt aufgeworfenen Frage nach dem unerklarlichen Verschwinden jenes Jorres, bemuhte er sich denn auch, dem Gesprach eine andre und bei der Lage der Dinge mehr Nutzen versprechende Wendung zu geben.

»Lassen wir Jorres, wo er ist, sagte er. Vielleicht kommt er doch noch wieder zuruck, vielleicht nicht. Wir haben uns mehr mit unsrer gegenwartigen Lage zu beschaftigen und die Mittel zur Erreichung des letzten Zieles zu erwagen. Auf dem Orinoco konnen wir die Reise nicht weiter fortsetzen, das ist, ich erkenne es an, ein unglucklicher Umstand.

- Der aber doch, fiel Jean ein, nach wenigen Tagen so wie so eingetreten ware. Selbst angenommen, wir hatten die Quellen mit unsern Piroguen erreichen konnen, so hatten wir sie doch am Fu?e der Sierra Parima verlassen mussen. Wir haben es ja nicht anders gewu?t, als da? wir die Strecke von da bis zur Mission Santa- Juana, die ja mit dem Orinoco nicht in unmittelbarer Verbindung steht, zu Fu? zurucklegen mu?ten.

- Sie haben Recht, lieber Jean, antwortete Jacques Helloch, fruher oder spater, morgen, wenn es nicht schon heute nothig geworden ware, hatten wir die Falcas verlassen mussen. Ware es moglich gewesen, noch etwa vierzig Kilometer weiter nach Osten vorzudringen - und eine solche Fahrt ware in der Regenzeit leicht auszufuhren gewesen - so hatte uns das manche Anstrengungen erspart, die ich vor Allem fur Sie furchte.

- O, ich habe meine Krafte wieder, Herr Helloch, versicherte Jean; ich ware bereit, schon heute aufzubrechen, und wurde gewi? nicht zuruckbleiben.

- Ah, vortrefflich! rief Germain Paterne. Man braucht Sie nur zu horen, um ganz frisch und munter zu werden! Doch wir wollen Alles recht nuchtern uberlegen, ehe ein Entschlu? gefa?t wird. Kannst Du, Jacques, wohl sagen, wie weit wir jetzt sowohl von den Quellen, als auch von der Mission noch entfernt sind?

- Das hab' ich mir nach der Karte berechnet, antwortete Jacques Helloch. Von der Sierra Parima durften wir demnach hochstens funfzig Kilometer entfernt sein. Ich glaube aber nicht, da? es der richtige Weg ware, bis nach den Quellen hinauf zu gehen.

- Und warum nicht? fragte der Sergeant Martial.

- Weil die Mission, wie wir bereits in San-Fernando gehort und von Herrn Manuel bestatigt bekommen haben, am Rio Torrido, im Nordwesten von unserm Lager am Pic Maunoir, liegt. Da erscheint es doch gerathener, den geraden Weg dahin einzuschlagen und nicht uber die Sierra Parima einen Umweg zu wahlen.

- Ganz recht, stimmte Jean ihm zu. Ich halte es fur nutzlos, uns unnothige Anstrengungen zuzumuthen, und es ist gewi? besser, in gerader Linie nach der Mission von Santa-Juana zu ziehen.

- Ja, wie denn? fragte der Sergeant Martial.

- Wie wir es gethan hatten. hatten thun mussen, wenn wir bis nach der Sierra Parima gekommen waren.

- Zu Fu??

- Naturlich zu Fu?, erklarte Jacques Helloch. In diesem menschenverlornen Landstriche giebt es keinen Sitio, keinen Rancho, wo wir uns Pferde verschaffen konnten.

- Und unser Gepack, fragte Germain Paterne. das mu?ten wir also an Bord der Piroguen zurucklassen?

- Ja freilich, antwortete Jacques Helloch, das kann ja ohne Bedenken geschehen. Warum sollten wir uns mit umfanglichen Gepackstucken belasten?

- Hm! machte Germain Paterne, der mehr an seine Naturaliensammlungen als an seine Hemden und Strumpfe dachte.

- Wer wei? ubrigens, warf Jean ein, ob unsre Nachsuchungen uns nicht noch uber Santa-Juana hinausfuhren.

- In diesem Falle, erwiderte Jacques Helloch, und wenn wir in der Mission nicht Alles, was wir brauchen, finden, wurden wir unser Gepack nachkommen lassen mussen. Hier an dieser Stelle werden die Piroguen unsre Ruckkehr abzuwarten haben. Parchal und Valdez, oder wenigstens einer von Beiden, werden sie mit der Schiffsmannschaft bewachen. Die Mission liegt nicht so weit von hier, da? ein Mann zu Pferde die Strecke nicht in vierundzwanzig Stunden zurucklegen konnte, und jedenfalls wird der Verkehr mit Santa-Juana nicht allzu schwierig sein.

- Ihre Ansicht, Herr Helloch, fuhr Jean fort, geht also dahin, nur das Unentbehrlichste fur eine drei- bis viertagige Wanderung mitzunehmen.

- Ganz recht, lieber Jean, das ist das Einzige, was wir thun konnen, und ich wurde sogar vorschlagen, sofort aufzubrechen, wenn wir nicht erst noch das Lager an der Mundung des Rio

Torrida einzurichten hatten. Vergessen wir nicht, da? wir hier unsre Piroguen wiederfinden mussen, wenn wir nach San-Fernando zuruckkehren wollen.

- Mit meinem Oberst! rief der Sergeant Martial.

- Mit meinem Vater!« flusterte Jean.

Ueber Jacques Helloch's Stirn war eine leichte Wolke des Zweifels gezogen. Er ahnte manche Schwierigkeiten und furchtete manche Hindernisse, ehe das Ziel wirklich erreicht werden wurde. Und wurde man dann in Santa-Juana wohl zuverlassige Mittheilungen erhalten, die es erlaubten, die Spuren des Oberst von Kermor weiter zu verfolgen?

Jedenfalls hutete er sich, seine Gefahrten irgendwie zu entmuthigen. Die Umstande hatten es ihm auferlegt, zuzustimmen, da? er die Reise bis zum Ende mit ausfuhrte, und er gedachte vor keiner Gefahr zuruckzuweichen. Gleichsam zum Fuhrer des kleinen Zuges geworden, dessen Erfolg noch in so unbestimmter Ferne lag, fuhlte er sich auch verpflichtet, dessen Leitung zu ubernehmen, und er wollte nichts versaumen, diese Pflicht zu erfullen.

Die Abfahrt wurde bis zum nachsten Tage verschoben und man ging daran, die Gegenstande auszuwahlen, die bei einer drei bis vier Tagemarsche langen Wanderung durch die Urwalder der Sierra unentbehrlich erschienen.

Auf seinen eignen Vorschlag hin wurden Valdez und zwei seiner Leute bestimmt, die Reisenden bis zur Mission zu begleiten. Parchal und die ubrige, sechzehn Kopfe zahlende Mannschaft sollten am Lagerplatze bleiben und die Piroguen uberwachen. Wer konnte aber wissen, ob es nicht mehrere Monate dauern wurde, ehe deren Passagiere zuruckkehren konnten! Dann neigte sich die trockne Jahreszeit ihrem Ende zu und die Schifffahrt wurde wieder moglich. Doch das kam ja erst in Betracht, wenn es sich wirklich um die Ruckreise handelte.

Gewi? konnte man schmerzlich bedauern, da? diese Gegend am obern Orinoco so vollig menschenleer war. Wie vortheilhaft ware es gewesen, bei Indianerfamilien etwa nothige Erkundigungen einziehen zu konnen. Sie hatten jedenfalls uber den einzuhaltenden Weg, uber die Mission von Santa-Juana und deren genaue Lage im Nordosten des Flusses werthvolle Auskunft gegeben.

Jacques Helloch hatte dabei wohl auch erfahren, ob Alfaniz mit seiner Quivasbande in der Umgebung des rechten Ufers aufgetaucht ware, denn wenn Jorres sich ihr hatte anschlie?en konnen, hauste sie unzweifelhaft in dem benachbarten Gebiete.

Ueberdies hatte man gewi? einen jener Indianer als Fuhrer durch den dichten Wald anwerben konnen, der nur unbestimmte Pfade, die von vorubertrabenden Raubthieren oder von Indianern herruhren mochten, erkennen lie?.

Als Helloch gegen Valdez den Wunsch aussprach, da? er hier gern auf Indianer stie?e, unterbrach ihn dieser mit den Worten:

»Moglicherweise treffen wir ein bis zwei Buchsenschu? weit vom Lager auf einzelne Hutten von Guaharibos.

- Haben Sie Grunde, das zu glauben?

- Wenigstens einen, Herr Helloch, denn als ich am Waldessaume, etwa zweihundert Schritt vom Ufer, entlang ging, hab' ich Asche von einer Feuerstatte gefunden.

- Erloschen gefunden?.

- Ja, doch die Asche war noch warm.

- Mochten Sie sich nicht getauscht haben, Valdez! Doch wenn es Guaharibos hier in der Nahe giebt, warum sollten sie nicht neugierig auf die Piroguen zugelaufen sein?

- Zugelaufen, Herr Helloch!. Nehmen Sie lieber an, sie waren spornstreichs entflohen.

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