»Wohin denn? fragte der junge Baniva.

- Nach dem Flusse, hinunter an die Mundung des Rio Torrida, wo unsre Piroguen liegen.

- Piroguen? rief der Knabe verwundert.

- Ihr, Dein Vater und Du, Ihr wu?tet wohl nichts davon, da? gestern Abend zwei Falcas dort eingetroffen waren?

- Nein. Waren wir aber von dem Spanier nicht in den Wald verschleppt worden, so hatten wir Sie wohl heute fruh, wenn wir wie gewohnlich fischen gingen, dort getroffen.

- Nun also, mein Kind, ich frage Dich noch einmal, willst Du mit uns kommen? sagte Jacques Helloch freundlich.

- Sie versprechen mir aber, nach dem Mann zu suchen, der meinen Vater getodtet hat?.

- Ich verspreche Dir, da? der Tod Deines Vaters gesuhnt werden soll.

- O. dann geh' ich mit Ihnen!

- So komm!«

Beide schlugen nun mit dem jungen Gomo den Weg nach dem Orinoco wieder ein.

Der todte Indianer sollte naturlich nicht den Zahnen der Raubthiere preisgegeben bleiben. Er gehorte dem Stamme der zum Christenthum bekehrten Banivas aus dem Dorfe San-Salvador an, dessen Bewohner durch die Bande der Quivas hingemetzelt worden waren.

Jaques Helloch hatte schon beschlossen, im Laufe des Nachmittags mit einigen Bootsleuten nach dem Schauplatze des Todtschlags zuruckzukehren und dem erschossenen Indianer ein christliches Begrabni? zu bereiten.

Gomo geleitete seine neuen Freunde nun auf dem kurzesten Wege, und ohne die Strohhutte wieder zu beruhren, gelangten alle Drei in einer halben Stunde nach dem Lagerplatze.

Jacques Helloch und Valdez waren ubereingekommen, von Jorres hier nichts zu erwahnen. Es dauchte ihnen rathsamer, uber die Beziehungen zu schweigen, die ohne jeden Zweifel zwischen Alfaniz und ihm bestanden, und jedenfalls war es unnutz, ihre Gefahrten noch weiter zu beunruhigen.

In der That hatte sich ihre Lage arg verschlimmert durch die Thatsache, da? der Spanier Kenntni? von dem Verwandtschaftsbande hatte, das Jean mit dem Oberst von Kermor verknupfte. Das mu?te durch ihn ja auch Alfaniz erfahren, und um seinem Hasse gegen den Oberst Genuge zu thun, wurde der Schurke jedenfalls versuchen, sich dessen Kindes zu bemachtigen.

Einigerma?en beruhigend erschien es wenigstens vorlaufig, da? sich bisher keine Quivas am Stromufer gezeigt hatten. Ware die Verbrecherhorde in der Sierra Parima aufgetaucht, so hatten der Indianer und sein Sohn gewi? etwas davon gehort. Jacques Helloch wollte sich den Andern gegenuber also auf die Mittheilung beschranken, da? der Spanier nach seinem Verschwinden mit jenem Indianer, der sich geweigert hatte, ihm bis zur Mission von Santa-Juana als Fuhrer zu dienen, in Streit gerathen sei, der mit einem Todtschlag geendet habe.

Diese Darstellung des Vorgangs wurde auch Gomo angedeutet, und der Knabe, dessen Augen verstandni?innig leuchteten, begriff, was man von ihm wollte. Er wurde sicherlich gegen niemand von den Quivas oder von Alfaniz sprechen.

Welch erstauntes Gesicht machte aber der Sergeant Martial, ebenso wie Jean und Germain Paterne, als Jacques Helloch bei seinem Eintreffen im Lager Gomo vorstellte und dessen Geschichte in verabredeter Weise erzahlte. Alle nahmen den jungen Indianer in herzlichster Weise auf; Jean zog ihn sogar an sich und uberhaufte ihn mit Liebkosungen, als er horte, da? das arme Kind nun ganz verlassen dastand. Es durfte nicht seinem Schicksal uberlassen werden. nein. sie wollten, sie mu?ten sich seiner annehmen.

Gomos Erscheinen hier konnte fast als eine Botschaft von der Vorsehung betrachtet werden, denn auf die Frage Jeans, ob er die Mission von Santa-Juana kenne, antwortete der Knabe:

»O gewi?; ich bin mit meinem Vater ja so vielmals dort gewesen.

- Wirst Du uns denn dahin fuhren?

- Ja. herzlich gern! Sie sind nicht so wie der schlechte Mann. der uns als Fuhrer haben wollte.«

Auf ein Zeichen von Valdez hutete sich Gomo weislich, noch mehr zu sagen.

Ueber den Urheber des an dem Indianer verubten Todtschlags konnte nach dem Bilde, das der Knabe von dem Morder entworfen hatte, weder bei Jacques Helloch, noch bei Valdez der geringste Zweifel herrschen. Ware das doch der Fall gewesen, so mu?te er weichen, als es sich herausstellte, da? ein Revolver aus dem Deckhause der »Gallinetta« entwendet worden war.

Es war der des Sergeanten Martial.

»Mein Revolver gestohlen, rief der alte Soldat wuthend, gestohlen von jenem Schandbuben, und hat auch noch dazu dienen mussen, den armen Indianer zu ermorden!. Ein Revolver, den mir mein Oberst geschenkt hatte!«

Der Kummer des Sergeanten Martial uber diesen Verlust war mindestens ebenso gro? wie sein Zorn. Wenn Jorres ihm je unter die Hande kame.

Gomo schien sehr geruhrt von dem Wohlwollen, das man ihm entgegenbrachte. - Nach dem Fruhstuck beschaftigte man sich noch mit der Einrichtung des Lagers am Pic Maunoir, das die Bootsmannschaften der Falcas bewohnen und behuten sollten, und traf die letzten Vorbereitungen fur die Reise der

Passagiere mit Rucksicht auf eine Trennung, die. ja, wer wei? wie lange, dauern sollte.

Inzwischen hatte Gomo durch Jean erfahren, in welcher Absicht die Gesellschaft sich nach der Mission von Santa-Juana begeben wollte.

Da veranderten sich plotzlich seine Zuge.

»Sie wollen Ihren Vater aufsuchen. sagte er.

Ja, mein Kind!

- O, Sie werden ihn wiedersehen, doch ich den meinigen niemals. niemals!«

Am Nachmittage verlie?en Jacques Helloch, Germain Paterne und die Schiffsleute der »Moriche« das Lager und begaben sich nach der Waldblo?e.

Gomo begleitete sie dabei, und auch Jean hatte die Erlaubni? erhalten, ihnen zu folgen.

In einer halben Stunde war die Stelle erreicht, wo der Leichnam des Indianers am Fu?e der Palme lag. Die Mannschaft, die sich mit Hacken und Schaufeln versehen hatte, hob eine Grube aus, die tief genug war, den Korper vor Raubthieren zu bewahren.

Hier wurde der Indianer begraben, nachdem Gomo, in Thranen ganz aufgelost, seinen Vater zum letzten Male umarmt hatte. Nach Zufullung der Grube kniete Jean an deren Rande neben dem Knaben, und beide vereinigten sich in einem innigen Gebete fur den Todten.

Darauf ging es zum Lager zuruck.

Jean fuhlte sich durch den Weg nicht besonders ermudet. Er »stellte seinen Mann« schon wieder recht gut, so da? es ihm auch fur die langere Wanderung jedenfalls nicht an Kraften fehlen wurde. Er versicherte das wenigstens Jacques Helloch und dem Sergeanten Martial mit den Worten:

»O, ich habe die beste Hoffnung! Um meinetwillen braucht sich niemand zu beunruhigen!«

Als die Nacht hereinbrach, suchten die Passagiere zum letzten Male ihre Schlafstatten in den Deckhausern auf, wahrend die Mannschaften abwechselnd das Lager bewachten.

Fur Gomo war an Bord der »Gallinetta« ein Ruheplatz zurecht gemacht worden. Das arme Kind fand aber kaum eine Stunde ruhigen Schlafes, da es immer und immer wieder weinend und schluchzend erwachte.

Neuntes Capitel

Durch die Sierra

Vormittags um zehn Uhr brachen Jacques Helloch und seine Gefahrten aus dem Lager am Pic Maunoir auf und lie?en es unter der Hut Parchal's, dem man ja vollig vertrauen konnte.

Parchal hatte nun die Mannschaft der »Gallinetta« und die der »Moriche«, zusammen funfzehn Leute, unter seinem Befehl. Zwei derselben, die das nothigste Gepack trugen, begleiteten die Reisenden. Wenn sich Parchal im Falle eines Angriffs, entweder durch Eingeborne oder bei einem Ueberfalle durch Alfaniz, nicht genugend vertheidigen konnte, sollte er das Lager aufgeben und so schnell wie moglich die Mission von Santa-Juana zu

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