stromenden Thranen uber ihn hin.

Der junge, sanftmuthig aussehende, von Natur recht kraftig gebaute Indianer schien durch Entbehrungen und Elend abgemagert zu sein. Das war wohl auch kein Wunder bei den

Umstanden, unter denen er inmitten des menschenleeren Urwalds und in jener Hutte wahrscheinlich allein mit dem hier am Boden liegenden alteren Indianer gelebt hatte. Auf der Brust trug er eines der kleinen Kreuze, die die katholischen Missionare an die Proselyten der Missionen auszutheilen pflegten. Er schien geweckten Geistes, denn als Jacques Helloch sich in spanischer Sprache an Valdez wendete, sagte er gleich, da? er diese Sprache auch verstande.

Nun stellte man einige Fragen an ihn.

»Wie hei?t Du?

- Gomo.

- Wer ist der Indianer hier?

- Mein Vater.

- Der Aermste! rief Jacques Helloch. Es war sein Vater, der getodtet wurde!«

Und da der Knabe weinte, ergriff er seine Hand, zog ihn an sich und sachte ihn durch Liebkosungen zu trosten.

Jetzt fragte Valdez weiter:

»Wer hat Deinen Vater erschossen?

- Ein fremder Mann. Er war mitten in der Nacht gekommen und in unsre Hutte eingedrungen.

- In die Hutte, die da hinter uns liegt? fuhr Valdez fort, indem er mit der Hand in der betreffenden Richtung hinwies.

- Ja. hier in der Nahe giebt es keine andre.

- Woher kam wohl jener Mann?

- Das wei? ich nicht.

- War es ein Indianer?

- Nein, ein Spanier.

- Ein Spanier! rief Jacques Helloch.

- Ja, wir verstanden ihn vollkommen, als er uns ansprach, versicherte Gomo.

- Und was wollte er von Euch?

- Er wollte wissen, ob schon Quivas in den Waldern der Parima eingetroffen waren.

- Welche Quivas? erkundigte sich Valdez ebenso lebhaft, wie es sein Begleiter nur hatte thun konnen.

- Die Quivas, deren Anfuhrer Alfaniz ist, erklarte Gomo.

- Die Bande des entsprungenen Straflings!«

Sofort setzte Jacques Helloch noch hinzu:

»Sind sie denn hier schon aufgetaucht?

- Das wei? ich nicht, antwortete das Kind.

- Du hast auch nicht davon reden horen, da? sie sich in der Umgebung gezeigt hatten?

- Nein.

-Du hast sie aber schon gesehen. fruher einmal?

- Ja. ja!«

Und die Augen des jungen Indianers, dessen Zuge wieder Schrecken und Angst ausdruckten, fullten sich aufs neue mit Thranen.

Auf weitere eindringliche Fragen, die Valdez an ihn richtete, erzahlte er, da? jene Quivas mit ihrem Anfuhrer das Dorf San-Salvador im Norden der Parima, wo er damals mit seinen Angehorigen wohnte, uberfallen und alle Bewohner desselben hingeschlachtet hatten, da? seine Mutter dabei getodtet worden, wahrend es seinem Vater und ihm noch gelungen ware, sich zu retten. Dann waren sie hierher in den Wald geflohen und hatten jene Hutte errichtet, worin sie seit etwa zehn Monaten gelebt hatten.

Ueber das Vorkommen von Quivas im Lande konnte Gomo keinerlei Auskunft geben. Sein Vater und er hatten nichts davon gehort, da? ihr Eintreffen in der Umgebung des Orinoco gemeldet worden ware.

»Und der Spanier, der des Nachts in Deine Hutte kam, hat von Euch wohl etwas uber sie erfahren wollen? fuhr Valdez fort.

- Ja. er wurde sehr wuthend, weil wir ihm nichts daruber sagen konnten.

- Ist er dann bei Euch geblieben?

- Ja, bis zum nachsten Morgen.

- Nun und dann?.

- Dann hat er verlangt, mein Vater sollte ihm nach der Seite der Sierra hin als Fuhrer dienen.

- Hat Dein Vater das gethan?

- Nein, er hat es abgeschlagen.

- Warum denn?

- Weil er furchtete, dabei mit Quivas zusammenzutreffen.

- Und der Spanier?.

- Der ist, als es Tag geworden war und er sah, da? wir ihn nicht fuhren wollten, erst allein fortgegangen.

- Und also noch einmal wiedergekommen?.

- Ja. ungefahr vier Stunden spater.

- Vier Stunden spater?. Aus welchem Grunde?

- Er hatte sich im Walde verirrt und konnte die Richtung nach der Sierra nicht finden. Diesmal bedrohte er uns mit dem Revolver und sagte, er wurde uns todten, wenn wir sein Verlangen nicht erfullten.

- Da hat Dein Vater nachgegeben?

- Ja. mein Vater. mein armer Vater! schluchzte der arme Indianer. Der Spanier hatte ihn am Arme gepackt, zerrte ihn zur Hutte hinaus und zwang ihn, vor ihm herzugehen. Ich folgte Beiden nach. So ging es vielleicht eine Stunde lang weiter. Mein Vater, der den Mann nicht fuhren wollte, schlug Umwege ein, bei denen wir immer hier in der Nahe blieben. Ich sah das gleich, ich kenne ja den Wald. Der Spanier durchschaute es schlie?lich aber auch. er brauste auf, uberhaufte meinen Vater mit Schimpfreden und drohte ihm nochmals. Da sturzte sich mein Vater, den jetzt der Zorn ubermannte, auf den Spanier. Es kam zu einem nicht lange dauernden Ringen. Mein Vater war ohne Waffen und ich konnte ihm nicht helfen - plotzlich krachte ein Schu? und er brach zusammen, wahrend der fremde Mann entfloh. Ich hob meinen Vater auf. aus seiner Brust rieselte das Blut hervor. er konnte schon nicht mehr sprechen. wollte noch nach der Hutte zuruckkehren, doch vermochte er sich nur bis hierher zu schleppen, wo er gestorben ist.«

Voller kindlicher Liebe, die uberhaupt die eingebornen Stamme am obern Orinoco auszeichnet, sturzte sich der Knabe weinend auf die Leiche des Indianers.

Die beiden Andern mu?ten ihn zu beruhigen und zu trosten suchen, indem sie ihm zu verstehen gaben, da? sie seinen Vater rachen wurden. Der Morder wurde schon gefunden werden und sollte fur sein Verbrechen die verdiente Strafe finden.

Bei diesen Worten schlug der junge Gomo die Augen wieder auf, und durch seine Thranen schimmerte das Feuer der Sehnsucht nach Rache.

Jacques Helloch stellte an ihn noch eine letzte Frage.

»Du hast jenen Mann doch ordentlich gesehen? sagte er.

- Ja, ich habe ihn gesehen und werde sein Gesicht nimmermehr vergessen!«

- Kannst Du uns sagen, wie er gekleidet war?. Erinnerst Du Dich seiner Gro?e, der Farbe seines Haares. seiner Gesichtszuge?.

- Er trug Jacke und Beinkleider eines Seemannes.

- Gut.

- Und war etwas gro?er als Sie, setzte Gomo mit einem Blick auf Valdez hinzu.

- Aha!

- Er hatte schwarzes Haar und auch sein Bart war ganz schwarz.

- Das ist Jorres! rief Jacques Helloch.

- Ohne Zweifel. das ist er!« bestatigte auch Valdez.

Beide machten nun Gomo den Vorschlag, ihnen zu folgen.

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