»Ich sagte, lieber Vater, da? mir Herr Helloch das Leben gerettet hat; er hat aber auch noch mehr gethan, indem er uns, Martial und mich, begleitete, sich an unsern Nachforschungen betheiligte. er sowohl, wie Herr Germain Paterne.
- Ei der Tausend! entgegnete der Letztere abwehrend. Sie durfen wohl glauben, mein Fraulein, da? wir von Anfang an beabsichtigten, bis zu den Quellen des Orinoco hinauszugehen. Dahin lautete der Auftrag, den uns der Minister der offentlichen Aufklarung.
- O nein, Herr Germain, nein, erwiderte Jeanne lachelnd, Sie sollten und wollten sich nur bis San-Fernando begeben, und wenn Sie nun bis Santa-Juana mitgegangen sind.
- So war das nichts weiter als unsre Pflicht!« erklarte Jacques Helloch.
Selbstverstandlich erhielt der Oberst von Kermor spater mehr ins Einzelne gehende Mittheilungen, und erfuhr er die verschiedenen Ereignisse wahrend dieser abenteuerlichen Fahrt. Doch trotz der Zuruckhaltung, die Jacques Helloch sich auferlegte, erkannte der Vater, als er Jeanne von so warmem Danke uberstromen sah, doch schon ein wenig, welche Gefuhle das Herz seiner Tochter erfullten.
Wahrend Jean von Kermor, Jacques Helloch, Germain Paterne und er uber diese Dinge sprachen, ordneten Parchal und Valdez das Lager, wo der Rest des Tages und die folgende Nacht verbracht werden sollten. Ihre Leute hatten die im Kampfe Gefallenen inzwischen tiefer in den Wald geschafft.
Der verwundeten Guaharibos nahm sich Germain Paterne an und versorgte sie mit zweckma?igem Verbande.
Nachdem dann aus dem Wagen Nahrungsmittel geholt und an Alle in reichlicher Menge vertheilt waren, begaben sich, als schon an verschiedenen Stellen lustige Feuer aufloderten, Jacques Helloch und Germain Paterne in Begleitung des Oberst von Kermor und seiner Tochter nach den nahe am Ufer auf dem Trocknen liegenden Piroguen hinunter.
Diese erwiesen sich unbeschadigt, denn Alfaniz hatte sich ihrer bedienen wollen, um, den Ventuari hinaufsegelnd, nach den westlichen Gebieten zu gelangen. Sobald sich der Wasserstand ein wenig hob, konnten die beiden Falcas also wieder den Strom hinuntergleiten.
»Und die elenden Spitzbuben, rief Germain Paterne, haben wenigstens meine Sammlungen verschont! Wenn ich nun ohne sie nach Europa zuruckgekehrt ware! Erst uberall so Vieles photographiert zu haben, und dann keine einzige Platte mit heimzubringen!. Niemals hatte ich es gewagt, dem Minister fur offentliche Aufklarung mit so leeren Handen vor Augen zu treten!«
Die Freude des Naturforschers kann man sich wohl ebenso vorstellen, wie die Befriedigung der andern Passagiere der »Moriche« und der »Gallinetta«, als diese an Bord noch alle ihre Reiseeffecten wiederfanden, abgesehen von den Waffen, die sie auf der Waldblo?e wieder zusammensuchen konnten.
Jetzt konnten die Piroguen, ohne irgend etwas zu furchten zu haben, unter der Obhut der Mannschaften an der Mundung des Rio Torrida liegen bleiben. Wenn die Stunde zur Wiedereinschiffung herankam - wenigstens fur die Insassen der »Moriche« - hatten Jacques Helloch und Germain Paterne nur einfach an Bord zu gehen.
Vorlaufig war naturlich von einer Abfahrt keine Rede. Der Pater Esperante sollte nach Santa-Juana neben seiner Tochter auch deren treue Begleiter, den Sergeanten Martial, den jungen Gomo und den allergro?ten Theil seiner Indianer zuruckfuhren.
Wie hatten sich da die beiden Franzosen weigern konnen, einige Tage, selbst einige Wochen auf der Mission im Hause eines Landsmanns zuzubringen?
Sie nahmen die Einladung also ohne Widerrede an.
»Es geht gar nicht anders, bemerkte Germain Paterne gegen Jacques Helloch. Bedenke nur einmal. nach Europa zuruckzukehren, ohne Santa-Juana besucht zu haben! Nein, ich hatte es gar nicht gewagt, mich dem Minister fur offentliche Aufklarung vorzustellen, und Du auch nicht, Jacques!
- Nein, ich auch nicht, Germain!
- Sapperment, wir hatten uns schamen mussen!«
Am heutigen Tage wurden alle Mahlzeiten gemeinschaftlich eingenommen. Die Vorrathe der Piroguen und der von Santa-Juana mitgefuhrte Proviant lieferten dazu alles Nothige. Nur der Sergeant Martial befand sich nicht unter den Theilnehmern, doch er war ja so glucklich, so glucklich, seinen Oberst - wenn dieser auch die Kutte des Pater Esperante trug - endlich wiedergefunden zu haben. Die gute Luft in Santa-Juana mu?te ihn doch binnen wenigen Tagen vollig wiederherstellen. Daran zweifelte er keinen Augenblick.
Selbstverstandlich mu?ten Jacques Helloch und Jeanne dem Oberst von Kermor noch ganz eingehend uber den Verlauf der Reise berichten. Er horte ihnen zu, beobachtete Beide und erkannte leicht die Gefuhle, die sich in Jacques Helloch's Herzen regten. Das machte ihm Gedanken. Welch neue Pflichten wurde die ganz neue Sachlage ihm nun auferlegen?
Naturlich legte Jeanne von Kermor noch am heutigen Tage die ihr zukommende Kleidung an, die in einem im Deckhause der »Gallinetta« untergebrachten Koffer aufbewahrt war.
Da sagte Germain zu seinem Freunde:
»Reizend als junger Mann und reizend als Madchen! Wahrlich, ich habe mich auf derlei Dinge doch nicht recht verstanden!«
Am nachsten Tage und nach Verabschiedung von Parchal und Valdez, die es vorzogen, zur Bewachung der Piroguen zuruckzubleiben, verlie?en der Pater Esperante, seine Gaste und die Guaharibos das Lager am Pic Maunoir. Mit Hilfe der Pferde und der Wagen konnte der Weg durch die Walder und die Savanne nicht besonders anstrengend werden.
Jetzt wurde auch nicht die vorher eingehaltene Richtung nach den Quellen des Orinoco hin gewahlt. Am kurzesten war es ja, dem rechten Ufer des Rios zu folgen, wie es Jacques Helloch unter Fuhrung des jungen Indianers schon gethan hatte. Die ganze Truppe kam jetzt so schnell vorwarts, da? zu Mittag bereits die Furt von Frascaes erreicht war.
Von den jetzt in alle Winde verstreuten Quivas war keine Spur zu entdecken. Von ihnen hatte man nichts zu furchten.
An der Furt wurde eine Stunde lang Halt gemacht, und da sich der Sergeant Martial von der Wagenfahrt keineswegs angegriffen fuhlte, brach man dann getrosten Muthes nach Santa-Juana zu wieder auf.
Die Strecke zwischen dem Halteplatze und dem Dorfe wurde in einigen Stunden zuruckgelegt, und noch am Nachmittage war die Mission glucklich erreicht.
An dem Empfange, der dem Pater Esperante hier zutheil wurde, erkannten Jacques Helloch und seine Begleiter, wie innig seine treuen Indianer ihn liebten.
Zwei Zimmer im Pfarrhause wurden nun Jeanne von Kermor und dem Sergeanten Martial eingeraumt, zwei andre Jacques Helloch und Germain Paterne in einem ansto?enden Hauschen, wo Bruder Angelos die Fremden willkommen hie?.
Am folgenden Tage rief die Glocke der kleinen Kirche das ganze Dorf zu einem Dankgottesdienst zusammen. Was empfand da, bei der vom Pater Esperante celebrierten heiligen Messe, das junge Madchen, als sie ihren Vater zum ersten Male vor dem Altare sah! Und welchen Eindruck hatte das auf den Sergeanten Martial gemacht, wenn er dem von seinem Oberst geleiteten Gottesdienste hatte beiwohnen konnen!
Es erubrigt wohl, von den einzelnen Tagen, die in der Mission von Santa-Juana vergingen, hier eingehend zu berichten, und es genuge zu wissen, da? das Befinden des Verwundeten die erfreulichsten raschen Fortschritte machte. Schon am Ende der Woche durfte er auf einem mit weichem Hirschleder uberzogenen Lehnstuhle unter dem Schatten der Palmen sitzen.
Der Oberst und seine Tochter hatten wiederholt langere Zwiegesprache uber die Vergangenheit. Jeanne erfuhr nun erst, wie der der Gattin beraubte Gatte, der des Kindes beraubte Vater sich entschlossen hatte, sein ganzes Leben diesem apostolischen Werke zu widmen. Konnte er's jetzt, in noch unvollendetem Zustande, wieder aufgeben?. Nein, gewi? nicht! Jeanne sollte aber hier bleiben und ihm ihr spateres Leben weihen.
An einen solchen Gedankenaustausch schlossen sich auch haufiger Gesprache zwischen dem Pater Esperante und dem Sergeanten Martial an. Der Missionar dankte dem alten Waffengefahrten fur Alles, was er fur seine Tochter gethan. und vorzuglich auch, da? er der Reise hierher zugestimmt hatte. Dann fragte er ihn mehr beilaufig uber Jacques Helloch und erkundigte sich, ob Martial die Beiden - Jeanne und den jungen Mann - wohl ein wenig naher beobachtet habe.
»Ja, ich versichere Ihnen, Herr Oberst, da? ich die strengsten Vorsichtsma?regeln getroffen hatte. Da gab es nur einen Jean, einen jungen Burschen aus der Bretagne, einen Neffen, dem sein Onkel, wenn auch nicht freudigen Herzens, nach diesem Lande der Wilden zu reisen gestattete. Es hat, wie es scheint, eben so sein sollen,