- Und der junge Mann ware der Sohn dieses Oberst?
- Gewi?, sein Sohn.«
Bei diesen so unzweideutigen Antworten fuhlte der Pater Esperante sein Herz hammern, als ob es davon zerspringen sollte. Was konnte er aber anders thun, als abwarten? Vielleicht lichtete sich das Geheimni? noch vor dem Ende des heutigen Tages.
Jetzt lag vor ihm nur das eine Ziel, die Quivas anzugreifen, wenn sie noch im Lager am Pic Maunoir angetroffen wurden -und die wenigen, vom Sergeanten Martial muhsam hervorgebrachten Worte gaben ja die Gewi?heit, da? Alfaniz sich dort befand - nur die Aufgabe, dem Elenden seine Gefangenen zu entrei?en. Die Guaharibos gingen in Sturmschritt uber, wahrend die Wagen mit hinreichender Bedeckung zuruckblieben.
Der ehemalige Oberst, der sich zum Missionar von Santa-Juana verwandelt hatte, durfte wohl auf den durchschlagendsten Erfolg rechnen, wenn er jetzt als Fuhrer seiner muthigen Indianer diese die Verbrecherbande angreifen lie?.
Kurz vor acht Uhr hielt der Pater Esperante an, und die Guaharibos unterbrachen ihren Vormarsch, als sie hinter einer Biegung des Flusses eine geraumige Lichtung im Walde erreicht hatten.
Gegenuber, auf dem andern Ufer, erhob sich der Pic Maunoir. In der nachsten Nachbarschaft des Flusses war niemand zu sehen, auf dem Orinoco lag kein Fahrzeug.
Auf der andern Seite der Biegung aber stieg - es herrschte jetzt vollige Windstille - lothrecht eine Rauchsaule in die Hohe.
An jener Stelle, vielleicht kaum funfzig Meter weiter hin und auf dem linken Ufer des Rio Torrida, befand sich also jedenfalls ein Lager.
Das konnte nur das der Quivas sein, doch wollte man sich davon erst uberzeugen.
Einige Guaharibos krochen vorsichtig durch die nachsten Busche, kamen aber schon nach drei Minuten zuruck mit der
Meldung, da? Alfaniz mit seiner Bande so nahe vor ihnen lagerte.
Die Truppe des Pater Esperante schlo? sich nun auf der Lichtung enger zusammen. Die Wagen waren nachgekommen, und der, der den Sergeanten Martial trug, erhielt seinen Platz in der Mitte der ubrigen.
Nachdem er sich noch uberzeugt hatte, da? im Zustande des Verwundeten keine Verschlimmerung eingetreten war, traf der Oberst von Kermor seine Anordnungen, Alfaniz und dessen Spie?gesellen zu umgehen. Die Berittenen lie? er dazu schrag uber die Lichtung vorgehen, um die Quivas einzuschlie?en und sie bis zum letzten Mann vernichten zu konnen.
Wenige Augenblicke spater erhob sich ein furchtbares Geschrei, dem sofort das Krachen von Feuerwaffen folgte.
Die Guaharibos hatten sich auf Alfaniz gesturzt, ehe dieser noch zu wirksamer Vertheidigung Zeit fand. Waren sich beide Parteien an Zahl auch gleich, so waren die Guaharibos doch besser bewaffnet und wurden besser befehligt. Die Waffen, uber die der Spanier verfugte, ruhrten nur von der Plunderung der Piroguen her und bestanden au?er einigen Revolvern, die Jacques Helloch dort zuruckgelassen hatte, nur aus denen, die den Gefangenen abgenommen worden waren.
Der Kampf konnte nicht lange dauern, und er wahrte auch wirklich nur kurze Zeit. Von dem Augenblicke, wo die Bande sich hatte uberraschen lassen, war sie auch geschlagen. So fluchteten denn auch die meisten Quivas nach schwachem Widerstande von der Stelle, indem die einen in den Wald hinein sturmten, die andern durch das fast trockne Flu?bett liefen, um die gegenuberliegende Savanne zu erreichen - die meisten aber waren schon todlich von Kugeln getroffen.
Gleichzeitig hatten sich ubrigens Jacques Helloch, Germain Paterne, Valdez, Marchal und die Leute von den Falcas auf die sie bewachenden Quivas gesturzt.
Gomo war der erste, der mit dem Rufe »Santa-Juana! Santa-Juana!« auf sie zueilte.
So tobte denn der Kampf bald nur noch in der Mitte des Lagerplatzes.
Hier vertheidigten sich Alfaniz, die aus Cayenne entsprungenen Straflinge und einige von den Quivas mit Revolverschussen, mit dem Erfolge, da? einzelne Guaharibos Verwundungen davontrugen, die sich glucklicherweise nicht als besonders schwer erwiesen.
Da sah man den Pater Esperante mitten auf eine den Spanier umgebende Gruppe zusprengen.
Jeanne von Kermor fuhlte sich unwiderstehlich zu dem Missionar hingezogen, doch hielt sie Jacques Helloch zuruck.
Von den Quivas verlassen, von denen man nur noch Geschrei aus einiger Entfernung horte, wehrte sich Alfaniz zwar noch wie ein Wuthender, zwei seiner Bagnogenossen wurden aber bald an seiner Seite niedergestreckt.
Der Pater Esperante befand sich jetzt dem Spanier Auge in Auge gegenuber, und mit einer Handbewegung gebot er den Guaharibos Einhalt, die diesen schon umringt hatten.
Da wurde es ringsum still, man horte nur die machtige Stimme des Pater Esperante.
»Alfaniz, sagte er, seht, ich bin es!
- Der Missionar von Santa-Juana!« rief der Spanier.
Schon hatte er den Revolver erhoben, um Feuer zu geben, als Jacques Helloch ihn am Arme packte, so da? die Kugel ihr Ziel verfehlte.
»Ja, Alfaniz, der Pater von der Mission Santa-Juana. doch auch der Oberst von Kermor!«
Da Alfaniz eben Jean, den er fur den Sohn des Oberst hielt, nur wenige Schritt von sich entfernt sah, zielte er auf diesen. Doch bevor er abdrucken konnte, krachte ein Schu?, und der
Schurke sturzte, vom Pater Esperante getroffen, lautlos zusammen.
Jeanne hatte sich in die Arme des Oberst von Kermor geworfen - sie nannte ihn ihren Vater.
Der Missionar, der in dem jungen Manne doch nicht seine leibliche Tochter erkennen konnte, welche er langst fur todt hielt und auch niemals gesehen hatte, antwortete wiederholt:
»Ich habe gar keinen Sohn!«
Da hatte sich jedoch der Sergeant Martial aufgerichtet, und, die Arme gegen Jeanne hin ausgestreckt, sagte er:
»Nein, Herr Oberst, Sie hatten nur eine Tochter. und. da ist sie!«
Dreizehntes Capitel
Seit dem Verschwinden des Oberst von Kermor, seit seiner Abfahrt nach der Neuen Welt, waren vierzehn Jahre verflossen, und die Geschichte dieser vierzehn Jahre mag hier in wenigen Zeilen Platz finden.
Es war im Jahre 1872, wo von Kermor die Nachricht erhielt, da? mit dem Untergange des »Norton« auch seine Gattin und sein Kind den Tod gefunden hatten. Die Umstande, unter denen der Unfall sich zutrug, gestatteten ihm gar nicht zu glauben, da? von den beiden ihm so theuern Wesen das eine, sein Tochterchen Jeanne, damals noch ein ganz kleines Kind, hatte gerettet werden konnen. Er kannte Jeanne ja nicht einmal, da er Martinique kurz vor ihrer Geburt hatte verlassen mussen.
Ein Jahr lang blieb der Oberst von Kermor noch an der Spitze seines Regiments. Dann kam er um seine Entlassung ein, und da ihn keine Familienbande an diese Welt mehr fesselten, beschlo? er, den Rest seines Lebens dem gottgefalligen Werke der au?ern Mission zu weihen.
Schon immer lebte in ihm neben der des Soldaten die Seele des Apostels. Der Officier war ganz dazu vorbereitet, sich in den Priester, den streitbaren Priester zu verwandeln, der sich der Bekehrung oder, mit andern Worten, der Civilisierung wilder Volksstamme widmet.
Heimlich verlie? der Oberst von Kermor, ohne irgend jemand, nicht einmal den Sergeanten Martial, in seine Plane eingeweiht zu haben, das franzosische Vaterland im Jahre 1875 und begab sich nach Venezuela, wo so viele Indianerstamme, in Unwissenheit dahinlebend, dem leiblichen und geistigen Verfall entgegengingen.
Als er in diesem Lande seine kirchlichen Studien beendet hatte, erhielt er die Ordination als Priester und trat in die Gesellschaft fur au?ere Mission unter dem Namen Pater Esperante ein, der sein Incognito in der neuen Lebensbahn schutzen sollte.
Seine Entlassung als Officier erfolgte im Jahre 1873 und seine Ordination 1878, als er neunundvierzig Jahre