endlich Tonkabaume (Dypterix), deren Bohnen so gesucht sind, und Sarrapias, deren Schoten als Gewurz dienen. Nur einiger Arbeit bedurfte es, und die frisch umbrochenen, geeggten und besaeten Felder gaben reiche Ernten an Maniocwurzeln, Zuckerrohr und an dem unerschopflichen Mais, der jahrlich viermal zur Reise kommt und von dem aus einem einzigen Samenkorn fast vierhundert Stengel aufkeimen.

Wenn der Erdboden dieser Gegend eine so uberraschende Fruchtbarkeit aufwies, die durch verstandige Culturmethoden noch gesteigert werden sollte, so kam das daher, da? er noch in ganz jungfraulichem Zustande war. Nichts hatte bisher seine vegetative Kraft erschopft. Zahlreiche kleine Bache platscherten, sogar im Sommer, uber ihn hin und ergossen sich schlie?lich in den Rio Torrida, der dem Bett des Orinoco im Winter eine betrachtliche Wassermenge zufuhrte.

Am linken Ufer dieses aus den Abhangen des Roraima entspringenden Rios erheben sich die ersten Baulichkeiten der Mission, nicht einfache Strohhutten, sondern kleine Wohnstatten, die sich mit den besten bei den Banivas und den Mariquitarern mindestens messen konnten. La Urbana, Caicara und San-Fernando de Atabapo hatten auf die festen und bequemen Hauschen mit Recht neidisch sein konnen.

Das Dorfchen entstand am Fu?e eines von der Sierra Parima getrennt aufragenden Cerro, dessen letzte Auslaufer gesunde und schone Bauplatze darboten.

Am Fu?e einer Boschung und im kuhlen Schatten einer gro?en Palme erhob sich das in einfachstem Style erbaute Kirchlein von Santa-Juana, zu dem die Steine aus der Sierra geholt worden waren. Heute genugte das kleine Gotteshaus kaum noch fur die Menge der Glaubigen, die die Predigten des Pater Esperante und die sinneberuckenden Ceremonien des katholischen Gottesdienstes herbeilockten, wahrend die spanische Sprache allmahlich auch an Stelle des Idioms der Guaharibos trat. Daneben hatten sich ubrigens noch, vom Leiter der Mission hochwillkommen gehei?en, etwa funfzig Wei?e von venezuolanischer Abkunft in dem aufbluhenden Dorfe angesiedelt.

Von Jahr zu Jahr war auf dem Orinoco Alles herbeigeschafft worden, was zur Grundung und Weiterentwicklung der kleinen Ortschaft gebraucht wurde, und so erklart es sich, da? sie nach und nach bis nach San-Fernando, spater auch bis Ciudad-Bolivar und Caracas vielfach genannt wurde. Dem Congre? des Staates lag es auch nahe, ein so hohe civilisatorische Zwecke verfolgendes Unternehmen zu unterstutzen, das berufen schien, bisher werthlose, gro?e Gebiete aufzuschlie?en und Volksstamme, deren Entartung und Elend ihre vollstandige Vernichtung herbeizufuhren drohten, auf eine hohere geistige Stufe zu heben.

Wenn von dem die Baume etwas uberragenden kleinen Thurme die feierlichen Glockentone erklangen, hatte gewi? jedermann den kirchlichen Eifer der bluhenden und in anstandiger Bekleidung herzustromenden Eingebornen bewundert. Manner und Frauen, Kinder und Greise - Alles drangte sich um den Pater Esperante.

Ja, bei dem von Natur lebhaften Ausdruck ihrer Dankbarkeit waren sie, wie vor der Kirche, am liebsten auch noch vor dem unter einer Palmengruppe errichteten Pfarrhause in die Knie gesunken. Sie fuhlten sich glucklich, ihre Familien bluhten auf, sie lebten ohne Noth und Sorge und vertauschten mit Vortheil ihre Bodenerzeugnisse gegen die Industrieproducte, die vom untern Orinoco heraufkamen - kurz, ihre Lage verbesserte sich ohne Unterbrechung und ihr Wohlbefinden nahm sichtlich weiter zu. Da stromten auch noch andre Ilaneros nach der Mission herbei, um sich hier niederzulassen. So vergro?erte sich der Ort bis in den Wald hinein, der ihn mit ewigem Grun umrahmte. Auch die bebauten Felder dehnten sich immer mehr aus, und das konnte leicht geschehen, da die Savannen des Orinoco sozusagen ohne Grenzen sind.

Es ware irrig, zu glauben, da? die Mission Santa-Juana nicht auch widerwartigere Perioden zu uberwinden gehabt hatte. Um den Preis einer bewundernswerthen Hingebung fur die Sache und dauernder Anstrengung hatte sie sich wohl recht schon entwickelt; zu Anfang war sie aber doch zuweilen von recht ernsten Gefahren bedroht gewesen. Vor Allem mu?te das Dorf gegen neidische, wilde Horden vertheidigt werden, die einmal uberall zu morden und zu plundern gewohnt waren. Die Einwohner desselben hatten da manchen Angriff zuruckzuschlagen, der das schone Werk im Entstehen zu vernichten drohte.

Zur Abwehr der Banden, die vom Orinoco oder von den Cordilleren der Kuste her ihre Raubzuge ausfuhrten, wurden deshalb die nothigsten und geeignetsten Sicherheitsma?regeln getroffen. Der Missionar erwies sich dabei als ein Mann der That und sein personlicher Muth als ebenso gro? wie sein Talent als Organisator.

Alle Guaharibos im kraftigen Alter wurden aufgeboten, discipliniert und im Gebrauch der Waffen unterrichtet. Jetzt stand eine Compagnie von etwa hundert Mann mit modernen Gewehren und reichlichem Schie?bedarf, die alle gewandte Schutzen waren - denn dazu brachten sie das scharfe Auge des Indianers mit - fur die Sicherheit der Mission ein und vereitelte damit jede Aussicht auf Erfolg, wenn doch ein Angriff auf diese gewagt werden sollte.

Dafur hatte man auch schon den Beweis, als Alfaniz mit seinen Spie?gesellen aus dem Bagno und der ihm folgenden Bande von Quivas die Ortschaft uberfallen hatten. Obwohl sie an Zahl der der »Soldaten« des Pater Esperante mindestens gleich waren, erlitten sie doch die empfindlichsten Verluste, wahrend auf der Seite der Guaharibos nur wenig Blut flo?.

Vorzuglich in Folge dieser Niederlage hatten die Quivas auch geplant, das Land zu verlassen und die im Westen des Orinoco gelegenen Gebiete wieder aufzusuchen.

Obendrein war die Mission von Santa-Juana zum Angriff ebenso gut eingerichtet, wie zur Vertheidigung. Es lag zwar gewi? nicht in der Absicht des Pater Esperante, auf Eroberung auszuziehen, denn das Land, woruber er verfugte, reichte fur alle seine Bedurfnisse aus. Er wollte sich aber auch keine Belastigungen von andrer Seite gefallen lassen, noch der

Moglichkeit ausgesetzt sein, da? Banden von Verbrechern der schlimmsten Art sein Dorf uberfielen. Um jeder Gefahr vorzubeugen, mu?te er als Soldat auftreten. Was ist ein Missionar im Grunde auch anders als ein Soldat, und wenn er die Pflicht auf sich nimmt, nothigenfalls sein Leben zu opfern, so hat er andrerseits doch auch die Pflicht, die um ihn und um die Fahne des Christenthums geschaarten Glaubigen zu vertheidigen.

Im Vorhergehenden war von den Culturen die Rede, die in so hohem Ma?e zum Gedeihen der Mission von Santa-Juana beitrugen. Hierin lag aber nicht die einzige Quelle ihres Reichthums. An die bebauten Felder stie?en weite Ebenen, wo gro?e Rinderherden weideten, deren Ernahrung durch den Graswuchs der Savannen ebenso wie durch die Ilanerapalme der Walder gesichert war. Diese Viehzucht bildete einen wichtigen Handelszweig, wie das ubrigens in allen andern Provinzen Venezuelas der Fall ist. Die Guaharibos besa?en auch eine Anzahl jener Pferde, die sich fruher zu Tausenden in der Umgebung der Ranchos umhertummelten, und von diesen dienten die einen als Zugthiere und die andern zu den Ausflugen der Guaharibos, die in kurzer Zeit vortreffliche Reiter wurden und dann auch die weitern Umgebungen der Ortschaft nicht selten durchstreiften.

Der Pater Esperante entsprach ganz dem Bilde, das Herr Mirabal der junge Gomo und auch der falsche Jorres von ihm entworfen hatten. Seine Zuge, seine Haltung und seine Bewegungen verriethen den thatkraftigen Mann, der seinem Willen bei jeder Gelegenheit Ausdruck zu geben wu?te - kurz, den Fuhrer, der das Befehlen gewohnt war. Er besa? eine von hoher Einsicht unterstutzte Energie. Sein festes und ruhiges Auge verrieth schon die Gute seines Gemuthes, die sich auch durch das haufige Lacheln der Lippen zeigte, welche dann und wann zwischen dem von den Jahren gebleichten Barte zu sehen waren. Er war muthig und hochherzig in gleichem Grade -zwei Eigenschaften, die ja so haufig zu einer einzigen verschmelzen. Obwohl er die Sechzig uberschritten hatte, zeugten seine stramme Haltung, seine breiten Schultern, seine hochgewolbte Brust und seine kraftigen Gliedma?en fur die gro?e Widerstands- und Leistungsfahigkeit des Mannes, der noch geistig und korperlich auf der Hohe des Lebens stand.

Was der Missionar vorher gewesen ware, ehe er sich seiner schweren Aufgabe als Verbreiter christlicher Lehren widmete, hatte niemand sagen konnen. Er bewahrte daruber unverbruchliches Schweigen. Nur dann und wann konnte man aus dustern Schatten, die uber sein mannliches Antlitz zogen, vielleicht schlie?en, da? ihn schmerzliche Erinnerungen an eine unverge?liche Vergangenheit erfullten. Der Pater Esperante war bei seinem Unternehmen ubrigens von seinem jungeren Gehilfen sehr wesentlich unterstutzt worden. Der Bruder Angelos war ihm mit Leib und Seele ergeben und konnte mit Recht einen nicht geringen Theil des Erfolges des frommen Werkes beanspruchen.

Neben diesen Beiden bildeten einige aus den dazu geeignetsten Indianern erwahlte Personen die Beamtenschaft des Dorfes, wenn man auch sagen konnte, da? der Pater Esperante, der gleichzeitig Gemeindevorstand und Priester war, der die Kinder taufte, die Ehen schlo? und einsegnete, wie er den Sterbenden in ihrem letzten Stundlein beistand, in seiner Person alle Aemter der Mission vereinigte.

Er mu?te sich fur seine Bemuhungen auch reichlich entschadigt fuhlen, wenn er sah, wie herrlich sein Werk gediehen und gewachsen war. Dieser Schopfung war gewi? die Lebensdauer gesichert, wenn die einstigen Nachfolger des Missionars dieselben Wege wandelten, die er stets innegehalten hatte.

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