- Wie Sie sagen.
- Dann werden wir also den Rio noch uberschreiten mussen, da wir uns jetzt auf dessen rechten Ufer befinden.
- Das wird nothig sein. es geht aber ganz leicht.
- Wie denn?
- Ja. etwas weiter stromauf ist eine Uebergangsstelle mit gro?en Steinen im Flu?bett, uber die man bei niedrigem Wasser bequem gehen kann. eine Furt, die die Furt von Frascaes genannt wird.
- Du kennst die Stelle?
- Ja, Herr Helloch; und ehe die Sonne im Mittag steht, werden wir sie erreicht haben.«
Die Antworten des jungen Indianers lauteten bezuglich der Uebergangsstelle so bestimmt, weil er selbst wiederholt ebenda den Flu? uberschritten hatte.
Seine Aufschlusse waren freilich dazu angethan, Jacques Helloch recht ernsthaft zu beunruhigen. Gestattete es die Furt von Frascaes seiner Gesellschaft, uber den Flu? nach dem linken Ufer zu gelangen, so konnten auch die Quivas nach dem rechten Ufer heruberkommen. Jacques Helloch und seine Gefahrten sollten also nicht bis zur Hohe der Mission den naturlichen Schutz durch den Rio genie?en.
Die Verhaltnisse verschlimmerten sich hierdurch nicht wenig. Dennoch war das kein Grund zur Umkehr, da die Moglichkeit eines Ueberfalles damit auch nicht abgewendet gewesen ware. Erst in Santa-Juana befand sich die kleine Truppe in Sicherheit. in Santa-Juana mu?te sie vor Ablauf von vierundzwanzig Stunden ankommen.
»Und Du meinst, fragte Jacques Helloch zum Schlu?, da? wir die Furt von Frascaes schon gegen Mittag erreichen konnten?
- Gewi?. wenn wir sofort aufbrechen!«
Die Strecke, die das Lager von der Furt trennte, mochte etwa ein Dutzend Kilometer betragen, und da einmal beschlossen war, einen beschleunigten Schritt in der Hoffnung einzuschlagen, noch diese Nacht am Ziele zu sein, konnte es nicht schwer sein, die Furt vor der ersten kurzen Rast zu uberschreiten.
Jetzt hie? es also: Unverzuglich vorwarts! Alles war bereit; die Sacke auf den Schultern der beiden Bootsleute, die Decken zusammengerollt auf dem Rucken der Reisenden, die Botanisiertrommel Germain Paterne's am Riemen und die Waffen schu?fertig.
»Sie denken, Herr Helloch, fragte der Sergeant Martial, da? es moglich sein wird, in zehn bis zwolf Stunden nach Santa-Juana zu gelangen?
- Das glaub' ich, wenn Sie die Beine, die nachher ausruhen konnen jetzt ordentlich ruhren.
- O, an mir soll's nicht fehlen, Herr Helloch. Doch wird er es im Stande sein. er. Jean?
- Ihr Neffe, Sergeant Martial? fiel Germain Paterne ein. Ach, ich bitte Sie, der uberholt uns im Wettlaufe! Man sieht es ja, da? er eine gute Schule genossen hat! Sie haben ihm Soldatenbeine gemacht, und er hat einen Turnerschritt!«
Bisher wu?te Gomo noch nicht, welches Band einer -angeblichen - Verwandtschaft den Sohn des Oberst von Kermor mit dem Sergeanten Martial verknupfte. Jetzt sah er den letztere scharf an.
»Sie sind sein Onkel?
- Nun ja. so ein wenig, Kleiner!
- Also der Bruder seines Vaters?
- Sein leibhaftiger Bruder, und daher kommt es auch, da? Jean mein Neffe ist, begreifst Du das?«
Der Knabe neigte den Kopf, als Zeichen, da? er ihn verstanden habe.
Das Wetter war recht trube. Tief unten zogen, von einem Nordostwinde getrieben, regendrohende Wolken uber den Himmel. Unter dem grauen Schleier verschwand der Gipfel der Sierra Parima vollstandig und auch nach Suden hin war die Spitze des Pic Maunoir durch die Baume nicht mehr zu sehen.
Jacques Helloch warf einen unruhigen Blick nach der Seite des Horizontes, von der der Wind herkam. Nach den ersten Strahlen beim Aufgang der Sonne hatte sich der Himmel schnell mit sich ansammelnden Dunstmassen uberzogen, die beim Aufsteigen nur noch dichter wurden. Kam es jetzt zu einem jener heftigen Regengusse, die so haufig die sudlichen Savannen uberfluthen, so mu?te das Fortkommen der kleinen Gesellschaft verlangsamt werden und es wurde dann schwierig, Santa-Juana vor dem nachsten Tage zu erreichen.
Die kleine Truppe folgte nun wieder dem Pfade zwischen dem Rio und dem Rande des undurchdringlichen Waldes, wobei die gestrige Reihenfolge - mit dem Schiffer Valdez und Jacques Helloch an der Spitze - eingehalten wurde. Beide hatten zum letzten Male das gegenuberliegende Ufer betrachtet. Es war ganzlich verlassen, verlassen auch die Baumdickichte, die sich nach links hin ausdehnten. Kein lebendes Wesen war zu sehen, au?er der lauten Welt der Vogel, deren Gesang die aufsteigende Sonne - unter Begleitung der gra?lichen Heulaffen - begru?te. Alle klammerten sich an die Hoffnung, gegen Mitternacht die Mission zu erreichen, was freilich nur durch einen beschleunigten Marsch - der hochstens zu Mittag von einer kurzen Rast unterbrochen wurde - moglich war. Es hie? also tuchtig ausschreiten, und jeder that das auch ohne Murren. Bei dem von Dunsten verschleierten Himmel erreichte die Warme keine belastigend hohen Grade, und das war ein Gluck, da das Ufer von keinem Baum beschattet wurde. Von Zeit zu Zeit drehte sich Jacques Helloch, den eine innere Unruhe verzehrte, einmal um und sagte:
»Wir gehen doch nicht zu schnell fur Sie, lieber Jean?
- O nein, Herr Helloch, nein, erhielt er dann zur Antwort. Aengstigen Sie sich nicht um mich und auch nicht um meinen Freund Gomo, der die Fu?e eines Hirsches zu haben scheint.
- Herr Jean, erklarte dazu Gomo, wenn es nothig ware, konnte ich noch vor heut' Abend in Santa-Juana sein.
- Alle Wetter... was Du fur ein Schnelllaufer bist!« rief Germain Paterne, der keine solche Schnelligkeit entwickeln konnte und zuweilen hinter den Andern zuruckblieb.
Jacques Helloch nahm darauf freilich keine besondre Rucksicht, sondern rief und trieb ihn fortwahrend an:
»Vorwarts, Germain, Du kommst ins Hintertreffen!«
Dann erwiderte der andre:
»O, eine Stunde mehr oder weniger, das macht uns doch nichts aus!
- Wei?t Du das so bestimmt?«
Da das Germain Paterne aber nicht wu?te, mu?te er wohl oder ubel gehorchen und that denn das auch nach Kraften.
Einen Augenblick lang hatte sich Jacques Helloch mit der letzten Antwort des jungen Indianers beschaftigt: »vor dem Abend - hatte Gomo behauptet - konnte ich noch in Santa-Juana sein«.
Gomo verpflichtete sich also, binnen sechs bis sieben Stunden die Mission von Santa-Juana zu erreichen. War das nicht ein Umstand, aus dem Vortheil zu ziehen ware?.
Unterwegs machte Jacques Helloch auch Valdez Mittheilung von dieser Antwort.
»Ja, in sechs bis sieben Stunden, sagte er, konnte der Pater Esperante unterrichtet sein, da? unsre kleine Gesellschaft auf dem Wege nach Santa-Juana ist. Er wurde gewi? nicht zogern, uns Verstarkung entgegen zu schicken. Vielleicht kame er gar selbst.
- Hochst wahrscheinlich, meinte Valdez; doch wenn wir dieses Kind gehen lassen, berauben wir uns des einzigen Fuhrers, und den, glaub' ich, konnen wir nicht entbehren, da er allein das Land hier kennt.
- Sie haben Recht, Valdez, Gomo ist uns nothwendig, und vorzuglich, wenn wir an die Furt von Frascaes kommen.
- Da werden wir gegen Mittag sein; haben wir dann die Furt hinter uns, so werden wir ja sehen.
- Ja wohl, da wird sich's ja zeigen, Valdez. Vielleicht droht uns Gefahr gerade an jener Uebergangsstelle.«
Wer hatte sagen konnen, ob Jacques Helloch und seine Gefahrten nicht schon, bevor sie diese erreichten, von Gefahren bedroht wurden? Nachdem Jorres das Lager am rechten Ufer des Rio Torrida ausgespaht hatte, konnte er da nicht mit der Alfaniz'schen Bande am linken Ufer des Flusses hinausgezogen sein? Da die Quivas einen Vorsprung von mehreren Stunden hatten, war es ja moglich, da? sie die Furt von Frascaes bereits uberschritten hatten. Jetzt zogen sie vielleicht am rechten Ufer des Flusses hinunter, um die kleine Truppe zu uberfallen. Eine solche Annahme war ja nicht auszuschlie?en. Als sich jedoch Valdez um neun Uhr einige Schritte weiter vorgewagt hatte, konnte er bei seiner Ruckkehr zu den Uebrigen versichern, da? der Weg frei zu sein scheine. Auch am jenseitigen Ufer verrieth nichts die Anwesenheit der Quivas.
Jacques Helloch wollte nun an der jetzt erreichten Stelle Halt machen, nachdem er Gomo gefragt