hatte:
»Wie weit sind wir wohl noch von der Furt entfernt?
- Etwa zwei Wegstunden, antwortete der junge Indianer, der Entfernungen nicht anders als nach der Zeit, in der sie zuruckgelegt werden konnten, zu schatzen gewohnt war.
- So wollen wir ein wenig ruhen, rief Jacques Helloch, und schnell etwas von unserm Mundvorrath fruhstucken. Ein Feuer anzuzunden ist ja nicht nothig.«
In der That ware man damit Gefahr gelaufen, seine Gegenwart zu verrathen. eine Rucksicht, deren Grund Jacques Helloch fur sich behielt.
»Nur schnell, liebe Freunde, schnell, wiederholte er, nur eine Viertelstunde Rast!«
Das junge Madchen durchschaute ihn recht gut. Jacques Helloch war von einer Unruhe gepeinigt, deren Ursache sie allerdings nicht kannte. Wohl hatte sie davon reden horen, da? in der Gegend jetzt Quivas hausen sollten, auch wu?te sie ja, da? Jorres verschwunden war; sie konnte aber nicht ahnen, da? der Spanier, wenn er an Bord der »Gallinetta« den Orinoco mit ihnen hinauffuhr, dies nur gethan hatte, um zu Alfaniz zu sto?en, ebensowenig da? zwischen dem aus Cayenne entwichenen Strafling und ihm von langer Zeit her nahere Beziehungen bestanden. Mehr als einmal war sie nahe daran, zu sagen:
»Was bedruckt Sie denn eigentlich, Herr Helloch?«
Sie unterlie? jedoch eine solche Frage, da sie sich auf die Intelligenz Jacques Helloch's, auf seinen Muth und seine Ergebenheit ebenso verlie?, wie es auch gewi? sein Wunsch war, recht bald ans Ziel zu gelangen. Die kalte Mahlzeit wurde schnell beendet. Germain Paterne, der sie gern verlangert gesehen hatte, machte gute Miene zum bosen Spiel - es blieb ihm ja kein andrer Ausweg ubrig. Ein Viertel auf zehn Uhr wurden die Sacke wieder geschlossen und aufgenommen, und nochmals ging es in der fruhern Ordnung weiter.
Wenn der Wald sich am rechten Ufer des Rio Torrida ohne Unterbrechung fortsetzte, so bot das linke Ufer jetzt einen davon sehr abweichenden Anblick. Die Baume standen dort nur noch in einzelnen uber die Ilanos verstreuten Gruppen zusammen, und zwischen ihnen spro?te uppiges Gras, womit die Abhange der Sierra uberhaupt bis zum Gipfel bedeckt waren.
Das jenseitige Ufer hatte sich dagegen so gesenkt, da? es fast im gleichen Niveau mit dem Rio verlief. Hier war es also moglich, eine gro?e Strecke der von keinem Baumvorhang verhullten Savanne zu uberblicken. Wahrend man die Sierra anfanglich im Nordosten gehabt hatte, lag diese seit dem gestrigen Abend fast im Suden.
Jacques Helloch und Valdez behielten das andre Ufer unausgesetzt scharf im Auge, ohne deshalb das zu vernachlassigen, auf dem sie selbst hinzogen.
Noch immer war nichts Verdachtiges zu sehen.
Vielleicht hatten sich die Quivas an der Furt von Frascaes in den Hinterhalt gelegt?.
Gegen ein Uhr mittags wies Gomo nach einer wenige hundert Schritt entfernten Biegung des Rio hin, der sich da mehr nach Osten wandte und unter nackten Felsmassen verschwand.
»Dort ist es, sagte er.
- Dort?« wiederholte Jacques Helloch, der den Uebrigen ein Zeichen gab, stehen zu bleiben.
Er selbst ging etwas weiter vorwarts, um den Lauf des Rio Torrida ubersehen zu konnen, und uberzeugte sich, da? sein Bett an dieser Stelle von Steinen und Sandflachen halb angefullt war, zwischen denen sich nur dunne, leicht zu uberschreitende Wasserfaden hinzogen.
»Wollen Sie, da? ich vorausgehe und die Furt an beiden Ufern besichtige? fragte Valdez.
- Ja, thun Sie das, Valdez, doch wagen Sie sich aus Vorsicht nicht bis zum andern Ufer hinuber und kommen sogleich zuruck, wenn Sie den Weg frei gefunden haben.«
Valdez ging sofort und war schon nach wenigen Minuten bei der Biegung des Torrida verschwunden.
Jacques Helloch, Jean, der Sergeant Martial, Gomo und die Trager blieben in dicht geschlossener Gruppe nahe dem Ufer stehen. Germain Paterne hatte sich niedergesetzt.
So sehr er sich sonst zu beherrschen verstand, konnte Jacques Helloch seine truben Ahnungen jetzt doch nicht verbergen.
Da fragte Gomo: »Warum gehen wir nicht weiter?
- Ja, warum? setzte Jean hinzu. Und warum ist Valdez jetzt vorausgegangen?«
Jacques Helloch gab keine Antwort. Er entfernte sich selbst von der Gruppe und ging einige Schritte nach dem Rio zu, um das andre Ufer genauer sehen zu konnen.
Funf Minuten verstrichen. solche Minuten, die einem wie ebensoviele Stunden erscheinen.
Jeanne war zu Jacques Helloch gegangen.
»Warum kommt denn Valdez nicht zuruck? fragte sie, indem sie in seinen Augen zu lesen versuchte.
- Er kann ja nicht mehr lange ausbleiben,« begnugte sich Jacques Helloch zu antworten.
Funf Minuten, noch weitere funf Minuten vergingen. niemand sprach ein Wort.
Valdez hatte nun zum Hin- und Ruckwege gewi? Zeit genug gehabt, und doch erschien er nicht wieder.
Man hatte keinen Hilferuf vernommen, uberhaupt nichts, was einen hatte erschrecken konnen.
Jacques Helloch gelang es, die Andern sich noch einmal funf Minuten gedulden zu lassen. Gewi? bot es ja nicht mehr Gefahr, bis zur Furt von Frascaes zu gehen, als hier auf der Stelle zu verweilen oder ganz wieder umzukehren. Sollte die kleine Gesellschaft angegriffen werden, so war das stromaufwarts ebenso wie stromabwarts zu befurchten.
»Weiter, weiter!« sagte endlich Jacques Helloch.
Er setzte sich an die Spitze und seine Gefahrten folgten ihm, ohne noch eine Frage an ihn zu richten. So gingen sie gegen dreihundert Schritt weit am steilen Ufer hin und gelangten damit an die Biegung des Rio Torrida wo sie nach der Furt von Frascaes hinuntersteigen sollten.
Funf Schritte vor den Uebrigen lie? sich der junge Indianer hinabgleiten und betrat schon die ersten, vom Wasser benetzten Steine.
Da erhob sich plotzlich ein entsetzliches Geschrei auf dem linken Ufer, nach dem Jacques Helloch und seine Gefahrten eben hinubergehen wollten.
Etwa hundert Quivas liefen von allen Seiten herbei und sturzten sich, die Waffen schwingend und drohende Rufe aussto?end, auf die Furt zu.
Jacques Helloch fand gar nicht die Zeit, sich durch Gewehrschusse zu vertheidigen, und was hatte auch seine Flinte, sowie die Germain Paterne's und des Sergeanten Martial, was hatten die Revolver der Bootsleute gegen hundert bewaffnete Feinde, die die Furt besetzt hielten und sie sperrten, auch auszurichten vermocht?
Urplotzlich von dem Raubgesindel umringt, gab es fur Jacques Helloch und seine Gefahrten gar keine Moglichkeit, diesen Angriff abzuwehren.
Im namlichen Augenblick wurde Valdez unter einer Gruppe laut kreischender Quivas sichtbar.
»Valdez! rief ihm Jacques Helloch zu.
- Die Schurken haben mich in einer Vertiefung des Bodens gefangen, antwortete der Fuhrer der »Gallinetta«.
- Mit wem haben wir's eigentlich zu thun? fragte Germain Paterne.
- Mit der Rotte der Quivas, erwiderte Valdez.
- Und mit ihrem Anfuhrer!« setzte eine drohende Stimme hinzu.
Dicht am Ufer stand jetzt ein Mann und neben ihm drei Individuen, die offenbar keinem Indianerstamme angehorten.
»Jorres! entfuhr es Jacques Helloch's Lippen.
- Nennt mich bei meinem richtigen Namen. Alfaniz!
- Alfaniz!« wiederholte der Sergeant Martial.
Vor Schreck erstarrt, richteten Jacques Helloch und Martial die Blicke unwillkurlich auf die Tochter des Oberst von Kermor.
Jorres war also Alfaniz, der mit noch drei Straflingen, seinen jetzigen Spie?gesellen, aus dem Bagno von Cayenne entsprungen war.
Seitdem er sich an Stelle ihres Hauptlings Meta Serrapia, der in einem Scharmutzel mit der staatlichen Miliz gefallen war, an die Spitze der Quivas gesetzt hatte, zog der Spanier - seit etwa einem Jahre - mordend und plundernd durch die weite Savanne.
Funf Monate vorher hatten die Quivas, wie fruher erwahnt, beschlossen, nach den Gebieten im Westen des