»Diane, was ist denn das fur eine hirnrissige Aussage«, sagte Doniger und zupfte an seiner Krawatte. »Soll das hei?en, da? sie moglicherweise ohne Abschirmung zuruckkommen?« »Ja.«

»Nun, das konnen wir nicht riskieren.« »Es ist nicht ganz so einfach...«

»Doch, das ist es«, erwiderte er. »Wir konnen es nicht riskieren. Mir ist es lieber, wenn sie gar nicht zuruckkommen als mit schweren Schadigungen.« »Aber -«

»Was aber? Warum macht Gordon bei dem Ergebnis seiner Simulation trotzdem weiter?«

»Weil er der Simulation nicht traut. Er sagt, sie ist grob und schlampig, und er glaubt, da? der Transit gut uber die Buhne geht.« »Wir konnen es nicht riskieren«, sagte Doniger mit einem Kopfschutteln. »Ohne Schilde konnen sie nicht zuruckkommen. Punkt.« Sie zogerte kurz und bi? sich auf die Unterlippe. »Bob, ich glaube -« »He«, sagte er, »hast du dein Kurzzeitgedachtnis verloren? Du warst doch diejenige, die Stern nicht reisen lassen wollte, wegen des Risikos von Transkriptionsfehlern. Und jetzt willst du die ganze Truppe ohne Abschirmung zuruckkommen lassen? Nein, Diane.«

»Okay«, sagte sie sehr widerstrebend. »Ich rede mit —« »Nein. Kein Reden mehr. Brich das Projekt ab. Zieh ihnen den Stecker raus, wenn's sein mu?. Aber la? diese Leute nicht zuruckkommen. Ich habe recht, und du wei?t es.«

Im Kontrollraum fragte Gordon: »Er hat was gesagt?«

»Sie durfen nicht zuruckkommen. Auf keinen Fall. Bob hat sich da sehr klar ausgedruckt.«

»Aber sie mussen zuruckkommen«, sagte Stern. »Sie mussen sie zuruckkommen lassen.«

»Nein, das mu? ich nicht«, erwiderte Kramer.

»Aber —«

»John«, sagte Kramer, an Gordon gewandt. »Hat er Wellsey gesehen?

Hast du ihm Wellsey schon gezeigt?«

»Wer ist Wellsey?«

»Wellsey ist ein Kater«, sagte Gordon.

»Wellsey ist gespalten«, sagte Kramer zu Stern. »Er war eins der ersten Testtiere, die wir zuruckgeschickt haben. Bevor wir wu?ten, da? man bei einem Transit Wasserschilde benutzen mu?. Und er ist bos gespalten.« »Gespalten?«

Kramer wandte sich an Gordon. »Du hast ihm wohl noch gar nichts gesagt.«

»Ich habe ihm schon einiges gesagt«, erwiderte Gordon und wandte sich dann an Stern. »Gespalten hei?t, da? er schwere Transkriptionsfehler hat.« Zu Kramer sagte er: »Aber das ist vor Jahren passiert, Diane, und damals hatten wir au?erdem noch Computerprobleme —«

»Zeig ihm den Kater«, sagte Kramer. »Und dann wollen wir mal sehen, ob er immer noch so gierig darauf ist, seine Freunde zuruckzuholen. Aber das Wesentliche ist: Bob hat seine Entscheidung gefallt, und die Antwort ist nein. Wenn wir keine sichere Abschirmung haben, kann niemand zuruckkommen. Unter keinen Umstanden.« In diesem Moment sagte einer der Techniker: »Wir haben eine Feldanomalie.«

Sie drangten sich um den Monitor und starrten die schwankenden

Feldlinien und die Zacken darin an.

»Wie lange noch, bis sie zuruckkommen?« fragte Stern.

»Nach dem Signal zu urteilen, ungefahr eine Stunde.«

»Konnen Sie feststellen, wie viele?«

»Noch nicht, aber... auf jeden Fall mehr als einer. Vielleicht vier oder funf.«

»Dann sind es alle«, sagte Gordon. »Offensichtlich haben sie den Professor gefunden, und jetzt kommen sie alle nach Hause. Sie haben getan, was wir von ihnen wollten, und jetzt kommen sie zuruck.« Er drehte sich zu Kramer um.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ohne Schilde kommt niemand zuruck. Das ist endgultig.«

Kate kauerte neben der Falltur und richtete sich jetzt langsam auf. Sie stand in einem schmalen Raum, nur gut einen Meter breit, mit hohen Steinmauern zu beiden Seiten. Durch eine Offnung links von ihr fiel Feuerschein herein. Im gelben Licht sah sie direkt vor sich eine Tur. Und hinter ihr befand sich eine Treppe, die steil in die Hohe fuhrte. Aber wo war sie?

Chris spahte uber den Rand der Falltur und deutete zu dem Feuerschein. Er flusterte: »Ich glaube, jetzt wissen wir, warum sie die Tur zu diesem Gang nie gefunden haben.« »Warum?«

»Weil sie hinter dem Kamin liegt.«

»Hinter dem Kamin?« flusterte sie. Und dann erkannte sie, da? er recht hatte. Der schmale Raum gehorte zu einem der Geheimgange im Inneren von La Roque, der hinter dem Kamin im Festsaal vorbeifuhrte. Vorsichtig schob Kate sich an der linken Wand entlang - und blickte plotzlich von der Ruckseite des Kamins direkt in den Festsaal. Der Kamin war fast drei Meter hoch. Durch die lodernden Flammen sah sie Olivers Tisch, an dem seine Ritter, mit dem Rucken zum Feuer sitzend, a?en. Sie war nicht mehr als funf Meter von ihnen entfernt. »Du hast recht«, flusterte sie. »Wir sind hinter dem Kamin.« Sie drehte sich zu Chris um und winkte ihn zu sich. Gerade wollte sie zur Tur weitergehen, als Sir Guy sich umdrehte, um einen Huhnerknochen in die Flammen zu werfen, und dabei kurz ins Feuer sah. Er wandte sich wieder zum Tisch um und a? weiter.

Nichts wie weg von hier, dachte sie.

Aber es war zu spat. Guys Schultern zuckten, er drehte sich noch einmal um. Er sah Kate deutlich, ihre Blicke trafen sich, und er rief: »Mylord.« Dann sprang er vom Tisch auf und zog sein Schwert. Kate rannte zur Tur und zog heftig daran, aber sie war versperrt oder klemmte. Sie sturzte zur Treppe auf der anderen Seite. Dabei sah sie Sir Guy, der zogernd auf der anderen Seite der Flammen stand. Im nachsten Augenblick sturmte er durch das Feuer auf sie zu. Sie sah Chris aus der Falltur kommen und rief: »Runter!« Er duckte sich wieder in das Loch, als sie die Stufen hochkletterte.

Sir Guy schlug mit dem Schwert nach ihren Beinen und verfehlte sie nur knapp, die Klinge klirrte auf den Stein. Er fluchte und schaute dann kurz in die Offnung, die zu dem unterirdischen Gang fuhrte. Doch Chris sah er offensichtlich nicht, denn unmittelbar danach horte Kate ihn hinter ihr her die Treppe hochkommen.

Sie hatte keine Waffe, sie hatte nichts.

Sie rannte.

Am oberen Ende der Treppe, zehn Meter uber dem Boden, befand sich ein schmaler Absatz, und als sie ihn erreichte, spurte sie, wie Spinnweben sich um ihr Gesicht legten. Sie wischte sie ungehalten weg. Der Absatz war kaum gro?er als einen halben Meter im Quadrat. Es war gefahrlich, aber sie war eine erfahrene Klettererin, und es machte ihr nichts aus.

Aber Sir Guy machte es etwas aus. Er kam sehr langsam die Treppe hoch, druckte die Schulter an die Wand, um so weit wie moglich vom gelanderlosen Rand der Stufen entfernt zu sein, und suchte Halt an winzigen Vorsprungen im Mortel. Er hatte einen verzweifelten Blick und atmete schwer. Der tapfere Ritter hatte also Hohenangst. Doch offensichtlich nicht genug Angst, um stehenzubleiben, wie Kate sah. Sein Unbehagen schien ihn eher noch wutender zu machen. Er schaute sie mordlustig an.

In der Wand hinter dem Absatz befand sich eine rechteckige holzerne Tur mit einem runden Guckloch. Der einzige Zweck der Treppe schien dieses Guckloch zu sein, denn von hier aus konnte man in den Festsaal hinunterschauen und alles beobachten, was dort vor sich ging. Kate druckte gegen die Tur und stemmte ihr ganzes Gewicht dagegen, doch sie offnete sich nicht, sondern das gesamte Rechteck brach aus der Mauer und fiel hinunter in den Saal, und sie ware beinahe hinterdrein gesturzt. Jetzt war sie im Festsaal.

Sie befand sich hoch oben im machtigen, unverkleideten Dachgestuhl des Saals. Eine Decke war nicht vorhanden, und so schaute sie hinunter auf die Tische zehn Meter unter ihr. Direkt vor ihr war der schwere Mittelbalken, der uber die gesamte Lange des Saals lief. Im Abstand von etwa eineinhalb Metern kreuzten ihn Querbalken, die in den beiden Seitenwanden verschwanden. Alle Balken waren uppig mit Schnitzwerk verziert und in Abstanden mit schrag und vertikal nach oben fuhrenden Stutzstreben versehen.

Ohne zu zogern, trat Kate auf den Mittelbalken. Alle im Saal hatten die Kopfe erhoben, sie zeigten nach oben und hielten den Atem an, als sie Kate auf dem Balken sahen. Sir Oliver rief laut: »Heiliger Gott und Verdammung! Der Gehilfe! Wir sind verraten! Der Magister!«

Er schlug auf den Tisch, sprang auf und starrte wutend zu ihr hoch.

Sie sagte: »Chris! Such den Professor.«

Ein Knistern. »O-kay.«

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