Platzen.

Die Tanks konnten platzen. Reifen konnten platzen. Warum ging ihm dieser Begriff nicht mehr aus dem Kopf?

»Um das noch durchzuziehen«, sagte Kramer, »mu?ten wir irgendwie die Schilde verstarken.«

»Soweit waren wir auch schon«, sagte Gordon. »Aber es gibt einfach keine Moglichkeit.«

Stern seufzte. »Wieviel Zeit haben wir noch?«

Der Techniker sagte: »Noch einundfunfzig Minuten, und die Zeit lauft.«

Zu Kates Verwunderung kam von unten Applaus. Sie hatte den Sprung geschafft, jetzt hing sie mit den Handen am Balken und baumelte hin und her. Und unten wurde geklatscht, als ware das Ganze eine Zirkusnummer.

Sie schwang die Beine hoch und zog sich auf den Balken.

Guy Malegant auf dem Querbalken hinter ihr eilte zum Mittelbalken zuruck. Er hatte offensichtlich vor, ihr den Weg abzuschneiden.

Sie lief auf dem Querbalken zur Mitte. Da sie behender war als Guy,

erreichte sie den breiten Mittelbalken lange vor ihm. So blieb ihr ein

Augenblick Zeit, um sich zu sammeln und zu uberlegen, was sie tun sollte.

Was konnte sie tun?

Sie stand auf dem Mittelbalken und hielt sich an einer dicken vertikalen Strebe fest, die etwa den doppelten Umfang eines Telefonmastes hatte. Auf halber Hohe der Strebe ragten auf beiden Seiten Sparren schrag zum Dach. Diese Sparren waren so niedrig, da? Sir Guy sich, wenn er zu ihr auf die andere Seite des Mittelbalkens wollte, geduckt unter ihnen hindurchhangeln mu?te.

Kate buckte sich, um auszuprobieren, wie es sich anfuhlte, unter den Sparren hindurchzuklettern. Es war schwierig, und Guy wurde eine ganze Weile brauchen. Als sie sich wieder aufrichtete, streifte ihre Hand den Dolch. Den hatte sie vollig vergessen. Sie zog ihn aus der Scheide und richtete die Spitze nach vorn.

Guy sah es und lachte. Und die Zuschauer unten am Boden fielen in sein Lachen mit ein. Guy rief ihnen etwas zu, und sie lachten noch lauter.

Kate sah, wie er naher kam, und wich ein Stuck zuruck. Sie lie? ihm Platz, damit er sich unter den Sparren hindurchhangeln konnte. Um ihn zu tauschen, versuchte sie verangstigt auszusehen — was nicht schwierig war — und kauerte sich hin. Der Dolch in ihrer Hand zitterte. Alles eine Frage des Timings, dachte sie.

Sir Guy blieb auf der anderen Seite der Strebe kurz stehen und sah ihr zu. Dann duckte er sich und begann, unter den Sparren hindurchzukriechen. Seinen rechten Arm hatte er um die Strebe geschlungen, so da? die Hand sein Schwert an das Holz pre?te. Kate sprintete los, stach mit dem Dolch nach seiner Hand und nagelte sie an die Strebe. Dann schwang sie sich um den Sparren herum und kickte seine Fu?e vom Mittelbalken. Guy baumelte in der Luft, nur gehalten von seiner an die Strebe genagelten Hand. Er bi? die Zahne zusammen, gab aber keinen Ton von sich. O Gott, waren diese Kerle zah!

Ohne das Schwert loszulassen, versuchte er, die Fu?e wieder auf den

Balken zu bekommen. Doch sie hatte sich schon wieder zuruckgeschwungen und stand nun erneut auf ihrer Seite des Balkens.

Ihre Blicke trafen sich.

Er wu?te, was sie vorhatte.

»Verfaule in der Holle«, sagte er.

»Du zuerst«, entgegnete sie.

Sie zog den Dolch aus dem Holz. Guy fiel stumm in die Tiefe, sein Korper wurde immer kleiner. Auf halber Hohe traf er eine Fahnenstange, die gu?eiserne Stange bohrte sich in seinen Korper, und einen Augenblick lang hing er in der Luft. Doch dann brach die Stange, und er krachte auf den Tisch. Geschirr flog, die Gaste sprangen zuruck. Guy lag inmitten von Scherben und ruhrte sich nicht mehr. Oliver zeigte zu Kate hoch und schrie: »Totet ihn! Totet ihn!« Der Schrei wurde von anderen im Saal aufgenommen. Bogenschutzen rannten davon, um ihre Waffen zu holen.

Oliver wollte nicht warten. Wutend sturmte er, gefolgt von einigen Soldaten, aus dem Saal.

Kate horte die Stimmen von Hofdamen, Kindern und vielen andern, die sich alle zu einem Sprechchor vereinigten: »Totet ihn!«, und sie rannte den Mittelbalken entlang zur gegenuberliegenden Stirnseite des Saals. Pfeile zischten an ihr vorbei und gruben sich ins Holz. Aber sie kamen zu spat; Kate sah, da? sich an dieser Seite ebenfalls eine Tur befand, sie warf sich dagegen, wuchtete sie auf und stolperte in die Dunkelheit.

Es war ein sehr enger Raum. Sie stie? sich den Kopf am Dach an und erkannte plotzlich, da? sie sich am Nordende der gro?en Halle befand, das nicht an die Burgmauer anschlo?, sondern freistehend war. Deshalb...

Sie stemmte sich gegen das Dach, und ein Teil loste sich. Im nachsten Moment kletterte sie aufs Dach und von dort muhelos auf die Krone der inneren Burgmauer.

Jetzt sah sie, da? die Belagerung bereits in vollem Gange war. Garben brennender Pfeile zischten in flachen Bogen uber ihren Kopf und landeten im Innenhof. Bogenschutzen an der Brustwehr erwiderten das Feuer. Auf der Mauerkrone wurden Kanonen mit Metallpfeilen geladen, und de Kere marschierte auf und ab und bellte Befehle. Er bemerkte sie nicht.

Sie wandte sich ab, tippte sich ans Ohr und sagte: »Chris?«

De Kere wirbelte, die Hand ans Ohr gelegt, herum. Hektisch schaute er sich um, suchte die Mauerkrone ab, starrte hinunter in den Hof.

Es war de Kere, der den Ohrstopsel hatte.

Und dann sah de Kere sie. Er erkannte sie sofort.

Kate rannte los.

Chris fragte: »Kate? Ich bin hier unten.« Brennende Pfeile regneten in den Hof. Er winkte zu ihr hoch, aber er war sich nicht sicher, ob sie ihn von der Mauer aus hier unten in der Dunkelheit erkennen konnte. Sie sagte: »Es ist —«, aber der Rest ging in Rauschen unter. Chris hatte sich inzwischen abgewandt und sah zu, wie Oliver mit vier Soldaten den Burghof uberquerte und in einem quadratischen Gebaude verschwand, von dem er annahm, da? es die Munitionskammer war. Chris wollte ihnen gerade folgen, als eine brennende Kugel vor seinen Fu?en landete, abprallte und dann ausrollte. Durch die Flam-men hindurch sah er, da? es ein menschlicher Kopf war, mit weit aufgerissenen Augen und gebleckten Zahnen. Das Fleisch brannte, das Fett brutzelte. Ein vorbeilaufender Soldat kickte ihn weg wie einen Fu?ball.

Einer der brennenden Pfeile, die in den Hof regneten, streifte seine Schulter und hinterlie? eine Flammenspur auf seinem Armel. Chris roch das Pech und spurte die Hitze auf Arm und Gesicht. Er warf sich auf den Boden, aber das Feuer ging nicht aus. Es schien zu schwelen, die Hitze wurde schlimmer. Schnell kniete er sich hin und schlitzte mit seinem Dolch das Wams auf. Dann ri? er sich das brennende Stuck vom Leib und warf es beiseite. Auf seinem Handrucken brannten noch winzige Tropfen Pech. Er wischte die Hand im Staub des Hofes ab. Endlich ging das Feuer aus.

Noch auf den Knien sagte er: »Andre? Ich komme.« Aber er bekam keine Antwort. Beunruhigt sprang er auf und sah gerade noch, wie

Oliver wieder aus der Munitionskammer kam und Marek und den

Professor von seinen Soldaten abfuhren lie?. Mit den Spitzen ihrer

Schwerter trieben sie die beiden zu einer entfernten Tur in der

Burgmauer. Nervos blickte ihnen Chris hinterher. Ihn beschlich das unbehagliche Gefuhl, da? Oliver sie toten wollte.

»Kate.«

»Ja, Chris.«

»Ich kann sie sehen.«

»Wo?«

»Sie gehen zu der Tur da hinten in der Ecke.«

Er folgte ihnen, merkte aber, da? er eine Waffe brauchte. Ein Stuckchen neben ihm traf ein brennender Pfeil einen Soldaten in den Rucken und warf ihn mit dem Gesicht in den Staub. Chris buckte sich, nahm dem Mann das Schwert ab und wollte weitergehen. »Chris.«

Eine Mannerstimme im Ohrstopsel. Eine unvertraute Stimme, die er nicht erkannte. Chris schaute sich um, sah aber nur rennende Soldaten, Brandpfeile, die durch die Luft surrten, einen brennenden Burghof. »Chris.« Die

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