Schlussel zum Kafig.«
»Hm? Schlussel? Zum Kafig?«
Oliver grinste trotz seiner Atemlosigkeit. »Ich wei?, wo er ist.« Arnaut stach mit dem Schwert ein wenig zu. »Sagt es uns.« Oliver schuttelte den Kopf. »Niemals.«
»Wenn Ihr es uns sagt«, entgegnete Arnaut, »schone ich Euer Leben.« Oliver sah ihm in die Augen.
»Ich bin kein verraterischer, doppelgesichtiger Englander«, sagte Arnaut. »Gebt uns den Schlussel, und ich schwore als ein wahrer Edelmann Frankreichs, da? ich Euch nicht toten werde.« Schwer atmend starrte Oliver Arnaut einige Sekunden lang an. Schlie?lich loste er sich vom Gelander und sagte: »Nun gut.« Er warf sein Schwert weg, griff unter seine Robe und zog einen schweren Eisenschlussel hervor. Marek nahm ihn.
Nun wandte Oliver sich wieder an Arnaut. »Ich habe meinen Teil erfullt. Seid Ihr ein Mann Eures Wortes?«
»In der Tat«, sagte Arnaut, »ich werde Euch nicht toten ...« Er trat einen Schritt vor und schob Oliver schnell den Arm unter die Kniekehlen. »Ich werde euch baden.«
Und damit hebelte er Oliver uber das Gelander und in die Grube.
Oliver landete mit einem Platschen in dem schwarzen Wasser, kam prustend und spuckend wieder hoch. Unter Fluchen schwamm er an den
Rand und suchte an den Felsen Halt. Aber der Stein war schwarz vor
Schlamm. Oliver glitt immer wieder ab; er konnte sich nirgends festhalten. Er platschte und strampelte ungeschickt im Wasser wie ein
Hund. Schlie?lich sah er zu Arnaut hoch und fluchte.
Arnaut sagte: »Schwimmt Ihr gut?«
»Sehr gut, du Sohn einer franzosischen Sau.«
»Gut«, sagte Arnaut. »Denn Euer Bad wird einige Zeit dauern.«
Damit wandte er sich von der Grube ab. Mit einem Nicken zu Chris und
Marek sagte er: »Ich stehe in Eurer Schuld. Moge Gott Euch gnadig sein all Eure Tage.« Mit diesen Worten lief er schnell davon, um sich wieder in die Schlacht zu sturzen. Sie horten, wie seine Schritte verklangen.
Marek offnete das Vorhangeschlo?, und die Tur ging quietschend auf. Der Professor trat heraus. »Zeit?« fragte er. »Elf Minuten«, antwortete Marek.
Sie eilten aus dem Verlies. Marek humpelte, aber er schaffte es trotzdem, sich schnell zu bewegen. Hinter sich horten sie Oliver im Wasser platschen.
»Arnaut!« schrie Oliver, und seine Stimme hallte von den dunklen Steinwanden wider.
Auf den gro?en Videomonitoren am anderen Ende des Kontrollraums war zu sehen, wie Techniker die Schilde mit Wasser fullten. Alle Schilde hielten. Aber niemand beachtete sie. Statt dessen starrten sie alle stumm den Computermonitor an und beobachteten das Auf und Ab der schimmernden, computergenerierten Feldlinien. In den vergangenen zehn Minuten waren die Zacken merklich kleiner geworden, und jetzt waren sie fast verschwunden; wenn sie uberhaupt auftauchten, dann waren sie nur noch unregelma?ige Schwankungen der Oberflache. Dennoch schauten sie weiter zu.
Einen Augenblick lang schienen die Schwankungen starker, ausgepragter zu werden. »Passiert da irgendwas?« fragte Kramer hoffnungsvoll.
Gordon schuttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Ich schatze, das sind nur zufallige Fluktuationen.«
»Ich dachte, da? sie vielleicht starker werden.«
Aber Stern konnte erkennen, da? das nicht zutraf. Gordon hatte recht:
Die Veranderung war zufallig. Die Schwankungen auf dem Bildschirm blieben unregelma?ig und instabil.
»Was fur ein Problem das auch sein mag«, sagte Gordon, »sie haben es noch immer.«
Durch die Flammen, die im inneren Burghof von La Roque loderten, sah Kate den Professor und die anderen aus einer Tur in der Mauer kommen. Sie lief zu ihnen. Alle drei schienen okay zu sein. Der Professor nickte ihr zu. Sie bewegten sich alle sehr schnell. Kate sagte zu Chris: »Hast du die Keramik?«
»Ja. Ich habe sie noch.« Er zog sie aus der Tasche und drehte sie, um auf den Knopf zu drucken.
»Nein, hier nicht«, sagte der Professor. »Hier ist nicht genug Platz.« »Hier ist doch Platz...«, sagte Chris.
»Nein. Wir brauchen rundherum zwei Meter, erinnerst du dich?« Sie waren umgeben von Feuer. »Soviel Platz finden wir in diesem Hof nirgends«, sagte Marek.
»Das stimmt«, sagte der Professor. »Wir mussen hinaus in den nachsten Hof.«
Kate schaute zu dem Tor, das in den au?eren Hof fuhrte. Es war etwa vierzig Meter entfernt. Aber das Fallgitter war hochgezogen, ja, es sah sogar so aus, als ware das Tor uberhaupt nicht bewacht. Alle Soldaten hatten es verlassen, um gegen die Eindringlinge zu kampfen. »Wieviel Zeit noch?« »Funf Minuten.«
»Okay«, sagte der Professor. »Gehen wir.«
Brandherden und kampfenden Soldaten ausweichend, trabten sie uber den Hof. Der Professor und Kate bildeten die Spitze, Marek, der wegen der Schmerzen in seinem Bein bei jedem Schritt zu-sammenzuckte, folgte ihnen. Und Chris, der sich Sorgen um Marek machte, kam als letzter.
Kate erreichte das erste Tor. Es gab uberhaupt keine Wachen. Unter den Spitzen des hochgezogenen Fallgitters hindurch liefen sie in den mittleren Hof. »O nein«, sagte Kate.
Im mittleren Hof befand sich das Lager von Olivers Soldaten, und es sah so aus, als wurden Hunderte von Rittern und Knappen durcheinanderlaufen, die einen den Mannern auf den Mauern Befehle zuschreiend, die anderen Waffen und Geratschaften schleppend. »Hier ist kein Platz«, sagte der Professor. »Wir mussen noch durchs nachste Tor. Vor die Burg.«
»Ganz hinaus?« fragte Kate. »Wir schaffen es ja nicht einmal uber diesen Hof.«
Marek kam keuchend zu ihnen gehumpelt. Er warf nur einen Blick auf den Hof und sagte: »Wehrgang.«
»Ja«, sagte der Professor und nickte. Er deutete die Mauer hoch. »Der Wehrgang.«
Der Wehrgang war ein uberdachter und holzverkleideter Gang am au?eren Rand der Mauerkrone. Es war ein geschutzter Bereich, von dem aus die Soldaten auf die angreifenden Truppen hinunterschie?en konnten. Vielleicht schafften sie es, diesen Wehrgang entlangzulaufen und so zur anderen Seite des Hofs und zum au?eren Torturm zu gelangen.
Marek sagte: »Wo ist Chris?«
Sie schauten zuruck in den inneren Hof.
Doch Chris war nirgends zu sehen.
Chris war Marek gefolgt und hatte sich uberlegt, ob er ihn vielleicht tragen sollte, als er plotzlich beiseite geschubst und gegen eine Wand gedruckt wurde. Hinter sich horte er eine Stimme in perfektem modernem Englisch sagen: »Du nicht, Kumpel. Du bleibst hier.« Und er spurte die Spitze eines Schwerts im Rucken.
Als er sich umdrehte, stand Robert de Kere mit gezucktem Schwert vor ihm. De Kere packte ihn grob am Kragen und stie? ihn wieder gegen eine Wand. Beunruhigt sah Chris, da? sie direkt vor der Munitionskammer standen. Da der ganze Hof in Flammen stand, war das kein Ort, wo man sich aufhalten sollte.
De Kere schien es gleichgultig zu sein. Er grinste. »Wenn man's genau nimmt«, sagte er, »geht keiner von euch Mistkerlen irgendwohin.« »Warum nicht?« fragte Chris, ohne das Schwert aus den Augen zu lassen.
»Weil du den Marker hast, Kumpel.« »Nein, habe ich nicht.«
»Ich kann Euren Sprechverkehr abhoren, hast du das vergessen?« De Kere streckte die Hand aus. »Komm, gib ihn mir.« Wieder packte er Chris und schubste ihn durch die Tur. Chris stolperte in die Munitionskammer. Sie war verlassen, alle Soldaten waren geflohen. Uberall um ihn herum waren Schwarzpulversacke aufgestapelt. Die Morser, in denen die Soldaten das Pulver gemahlen hatten, lagen noch auf dem Boden.
»Euer verdammter Professor«, sagte de Kere und deutete auf die Schalen. »Ihr alle denkt, ihr habt die Weisheit mit dem Loffel gefressen. Gib mir das Ding endlich.«
Chris tastete unter seiner Kleidung nach dem Beutel.
De Kere schnippte ungeduldig mit dem Finger. »Komm, komm, mach endlich.«
»Moment«, sagte Chris.
»Ihr seid doch alle gleich«, sagte de Kere. »Genau wie Doniger. Wei?t du, was Doniger gesagt hat? Mach dir keine Sorgen, Rob, wir entwickeln eine neue Technologie, die dir hilft. Es ist immer eine neue Technologie, die