nicht.
Sie ritten weiter, tiefer in den Wald hinein, und schlie?lich sprach einer von ihnen laut. Es war der Reiter mit dem schwarzen Helmbusch, der Gomez den Kopf abgeschlagen hatte. Sein Visier war hochgeklappt. »Es reicht. Sie sind uns entwischt.« »Wie? Uber den Steilhang?«
Der schwarze Ritter schuttelte den Kopf. »Das Kind ist nicht so dumm.« Chris sah, da? sein Gesicht dunkel war: eine dunkle Haut und dunkle Augen.
»Und auch so recht kein Kind mehr, Mylord.«
»Wenn er sturzte, dann war es ein Versehen. Es kann nicht anders sein. Ich glaube, wir sind in die Irre gegangen. Wir wollen umkehren.« »Mylord.«
Die Reiter wendeten ihre Pferde und ritten zuruck. Wieder kamen sie an dem Baum vorbei, noch immer weit verteilt, doch sie ritten weiter ins Sonnenlicht.
»Vielleicht finden wir in besserem Licht ihre Spur wieder.« Chris seufzte erleichtert auf.
Der Junge unter ihm klopfte ihm aufs Bein und nickte ihm zu, als wollte er sagen: Gut gemacht. Sie warteten, bis die Reiter mindestens hundert Meter entfernt und fast au?er Sicht waren. Dann glitt der Junge leise am Stamm hinunter, und Chris folgte ihm, so gut er konnte. Als Chris wieder festen Boden unter den Fu?en hatte, sah er, da? die Reiter sich immer weiter entfernten. Sie kamen zu dem Baum mit den schlammigen Fu?abdrucken. Der Anfuhrer ritt vorbei, ohne sie zu bemerken. Dann der nachste.
Der Junge packte ihn am Arm und zerrte ihn ins Unterholz. Dann: »Sir Guy! Seht hier! Der Baum. Sie sind in dem Baum!« Einer der Ritter hatte es bemerkt.
Die Reiter wendeten ihre Pferde und schauten alle in den Baum hoch. Der schwarze Ritter kam mit skeptischer Miene dazu. »Was? Zeig es mir.«
»Ich kann sie dort oben nicht sehen, Mylord.«
Die Ritter drehten sich, schauten in alle Richtungen, schauten hinter sich
Und sahen sie. »Dort!«
Die Ritter sturmten los.
Der Junge lief, so schnell er konnte. »Bei Gott, wir sind wahrlich verloren«, sagte er und sah sich im Rennen uber die Schulter. »Konnt Ihr schwimmen?« »Schwimmen?« fragte Chris.
Naturlich konnte er schwimmen. Aber daran dachte er im Augenblick gar nicht. Denn jetzt rannten sie in vollem Tempo auf die Lichtung zu, auf den Waldrand. Auf den Steilhang.
Das Gelande neigte sich, erst sanft, dann immer steiler. Der Bewuchs wurde dunner, uberall trat nackter, gelblich wei?er Kalkstein hervor. Die Sonne schien grell herunter.
Der schwarze Ritter schrie irgend etwas. Chris verstand es nicht. Dann hatten sie den Rand der Lichtung erreicht. Ohne zu zogern, sprang der Junge ins Leere.
Chris zogerte, er wollte ihm nicht folgen. Als er sich umdrehte, sah er, da? die Ritter mit erhobenen Breitschwertern auf ihn zu galoppierten.
Chris drehte sich wieder um und rannte auf den Rand des Steilhangs zu. Marek zuckte zusammen, als er Chris' Schrei in seinem Ohrstopsel horte. Der Schrei war zuerst laut und endete mit einem Grunzen und einem Krachen. Ein Aufprall.
Horchend stand er mit Kate neben dem Pfad. Sie warteten. Doch sie horten nichts mehr. Nicht einmal statisches Rauschen. Uberhaupt nichts. »Ist er tot?« fragte Kate.
Marek antwortete nicht. Er ging schnell zu Gomez' Leiche, kauerte sich hin und fing an, den Schlamm abzusuchen. »Komm«, sagte er, »hilf mir, den Ersatzmarker zu suchen.«
Ein paar Minuten lang suchten sie, und dann packte Marek Gomez' Hand, die bereits fahlgrau und steif wurde. Er hob den Arm, spurte dabei die Kalte der Haut und drehte den Torso um. Die Leiche klatschte bauchlings wieder in den Schlamm.
Erst jetzt bemerkten sie das Armband aus geflochtenen Schnu-ren, das Gomez an ihrem Handgelenk trug. Marek war es zuvor nicht aufgefallen; es schien einfach Teil ihres historischen Kostums zu sein. Naturlich war es vollig falsch fur die Zeit. Auch eine bescheidene Bauersfrau wurde ein Armband aus Metall, gemei?eltem Stein oder Holz tragen, wenn sie uberhaupt etwas trug. Dieses Armband sah aus wie modernes Hippie-Zeug.
Marek beruhrte es neugierig und stellte uberrascht fest, da? es sich steif anfuhlte, fast wie Karton. Er drehte es um ihr Handgelenk und suchte nach der Schlie?e, und plotzlich klappte in dem geflochtenen Band eine Art Deckel auf. Er erkannte, da? das Armband eigentlich ein kleiner elektronischer Timer war, fast wie eine Armbanduhr. Der Timer zeigte: 36:29:37. Und er zahlte ruckwarts.
Marek wu?te sofort, worum es sich handelte. Es war ein Me?gerat, das anzeigte, wieviel Zeit seit ihrem Start vergangen war und wieviel ihnen noch blieb, bevor sie zuruckkehren mu?ten. Ursprunglich hatten sie siebenunddrei?ig Stunden gehabt, aber inzwischen hatten sie mehr als drei?ig Minuten verloren.
Das Ding sollten wir behalten, dachte er. Er zog den Timer von Gomez' Handgelenk und streifte ihn uber seins.
»Jetzt haben wir einen Timer«, sagte Kate. »Aber keinen Marker.« Sie suchten noch funf Minuten lang. Doch schlie?lich mu?te Marek sich widerstrebend die unerfreuliche Wahrheit eingestehen. Es gab keinen Marker. Und ohne Marker wurden die Maschinen nicht zuruckkommen.
Chris hatte recht: Sie waren hier gefangen.
36:28:04
Im Kontrollraum schrillte beharrlich eine Alarmglocke. Die beiden
Techniker standen von ihren Konsolen auf und verlie?en hastig den
Raum. Stern spurte, da? Gordon ihn fest am Arm packte.
»Wir mussen weg«, sagte Gordon. »Die Flu?saure hat die Luft kontaminiert. Der Transitraum ist toxisch. Und die Dampfe werden auch bald hier oben sein.« Er fuhrte Stern aus dem Kontrollraum.
Stern warf noch einen Blick auf den Monitor, auf das Gewirr der
Stutzstreben in den Rauchschwaden des Transitraums. »Was ist, falls sie versuchen zuruckzukommen, wenn niemand da ist?«
»Keine Sorge«, erwiderte Gordon. »Das kann nicht passieren. Die
Trummer werden die Infrarotsensoren aktivieren. Und sie brauchen zwei Meter Abstand auf allen Seiten, wissen Sie noch? Die haben sie aber nicht. Die Sensoren werden die Maschinen also nicht zuruckkommen lassen. Nicht, bis das alles weggeraumt ist.«
»Und wie lange dauert das Aufraumen?«
»Zuerst mussen wir die Luft in der Hohle austauschen.«
Gordon brachte Stern wieder in den langen Korridor, der zum
Hauptaufzug fuhrte. Es waren viele Leute im Korridor, die alle nach drau?en wollten. Ihre Stimmen hallten durch den Tunnel.
»Die Luft in der Hohle austauschen?« wiederholte Stern. »Das ist eine riesige Menge. Wie lange dauert das?«
»Theoretisch neun Stunden«, antwortete Gordon.
»Theoretisch?«
»Wir haben es noch nie gemacht«, sagte Gordon. »Aber wir sind naturlich in der Lage dazu. Die gro?en Ventilatoren sollten sich jeden Augenblick einschalten.«
Sekunden spater erfullte ein lautes Drohnen den Tunnel. Stern spurte einen heftigen Luftzug, der gegen seinen Korper prallte und an seinen Kleidern zerrte.
»Und nach dem Luftaustausch? Was passiert dann?«
»Dann bauen wir den Transitraum wieder auf und warten darauf, da? sie zuruckkommen«, sagte Gordon. »So wie wir es geplant haben.«
»Und wenn sie versuchen zuruckzukommen, bevor Sie bereit sind?«
»Das ist kein Problem, David. Die Maschine wird sich einfach weigern. Sie ladt sie wieder genau dort ab, wo sie herkamen.
Vorlaufig.«
»Dann stecken sie also fest«, sagte Stern.
»Fur den Augenblick ja«, sagte Gordon. »Sie stecken fest. Und es gibt nichts, was wir dagegen tun konnen.«
36:13:17