noch hoch. Gab es nicht einen Geheimgang, der aus dem Saal hinausfuhrte? War der hier oder war der in La Roque? Sie wu?te es nicht mehr.

Sie sah sich selbst in Khaki-Shorts, Polohemd und Nike-Turn-schuhen, wie sie trage durch die Ruinen schlenderte und sich Notizen machte. Ihre einzige Sorge - falls sie damals uberhaupt eine gehabt hatte — war es gewesen, ihre Kollegen zufriedenzustellen. Sie hatte besser aufpassen sollen.

Die Manner kamen naher. Es blieb keine Zeit mehr. Sie rannte zu dem fast drei Meter hohen Kamin und schlupfte hinter den gro?en, halbrunden vergoldeten Schirm. Das Feuer war gluhend hei?, Hitzewellen brandeten gegen ihren Korper. Sie horte die Manner in den Saal kommen, schreiend und suchend liefen sie umher. Sie druckte sich hinter den Schirm, hielt den Atem an und wartete. Tritte und Sto?e, das Scheppern von Geschirr. Die Stimmen der Manner konnte Kate nicht verstehen, sie verschmolzen mit dem Prasseln der Flammen hinter ihr. Ein metallisches Klappern war zu horen, als irgend etwas umfiel, es klang wie ein Fackelstander, etwas Gro?es. Sie wartete.

Ein Mann bellte eine Frage, aber sie horte keine Antwort. Ein anderer rief eine zweite Frage, und diesmal horte sie eine leise Ant-wort. Es klang nicht wie ein Mann. Mit wem sprachen sie? Etwa eine Frau? Kate horchte: Ja, es war eine Frauenstimme. Sie war sich ganz sicher.

Noch ein Wortwechsel, und dann das Klirren von Rustungen, als die

Manner aus dem Saal liefen. Kate spahte hinter dem vergoldeten

Schirm hervor und sah sie durch die Tur verschwinden.

Sie wartete noch einen Augenblick und kam hinter dem Schirm hervor.

Im Saal stand ein junges Madchen von zehn oder elf Jahren. Sie hatte ein wei?es Tuch um den Kopf gewickelt, so da? nur ihr Gesicht zu sehen war. Sie trug ein locker fallendes, rosafarbenes Kleid, das fast bis zum Boden reichte. Im Arm trug sie einen goldenen Krug, aus dem sie Wasser in die Kelche auf dem Tisch go?.

Das Madchen begegnete ihrem Blick und starrte sie nur an.

Kate befurchtete, da? sie aufschreien wurde, aber sie tat es nicht. Sie sah sie nur einen Augenblick lang neugierig an und sagte dann: »Sie sind nach oben gelaufen.«

Kate drehte sich um und rannte davon.

Durch die hohen Fenster drangen das Schmettern der Trompeten und das Geschrei der Turnierzuschauer in die Zelle zu Marek und Chris. Der Wachsoldat machte ein ungluckliches Gesicht, beschimpfte Marek und den Professor und kehrte dann zu seinem Hocker zuruck. Der Professor fragte leise: »Hast du noch einen Marker?« »Ja«, sagte Marek. »Hast du deinen noch?«

»Nein, ich habe ihn verloren. Ungefahr drei Minuten, nachdem ich hier ankam.«

Der Professor berichtete, er sei in der bewaldeten Ebene in der Nahe des Flusses und des Klosters gelandet. ITC hatte ihm versichert, da? dies ein menschenleerer Fleck sei, aber ideal gelegen. Ohne sich weit von der Maschine zu entfernen, konne er alle wichtigen Orte seiner Ausgrabung sehen.

Was dann passiert war, war reines Pech: Der Professor war genau in dem Augenblick gelandet, als eine Gruppe Holzfaller mit geschulterten Axten zur Arbeit in den Wald ging.

»Sie sahen die Lichtblitze, und dann sahen sie mich und fielen betend auf die Knie. Erst glaubten sie, sie hatten ein Wunder gesehen. Dann uberlegten sie es sich anders, und die Axte kamen von den Schultern«, sagte der Professor. »Ich dachte, sie wurden mich toten, aber zum Gluck kann ich Provenzalisch. Ich uberzeugte sie, mich zum Kloster zu bringen und die Monche entscheiden zu lassen, was ich bin.« Die Monche nahmen ihn den Holzfallern ab, zogen ihn aus und untersuchten seinen Korper nach Stigmata. »Sie suchten an ziemlich ungewohnlichen Stellen«, sagte der Professor. »Und deshalb verlangte ich, den Abt zu sehen. Der Abt wollte wissen, wo sich der Geheimgang in La Roque befindet. Ich glaube, er hat ihn Arnaut versprochen. Wie auch immer, ich vermutete, da? er in den Dokumenten des Klosters zu finden sein musse.« Der Professor grinste. »Ich erklarte mich bereit, seine Pergamente fur ihn durchzugehen.« »Ja?«

»Und ich glaube, ich habe ihn gefunden.« »Den Geheimgang?«

»Ich glaube schon. Er folgt einem unterirdischen Flu?, das hei?t, er mu? ziemlich lang sein. Er fangt an einem Ort an, der die grune Kapelle hei?t. Und es gibt einen Schlussel zum Aufspuren des Eingangs.« »Einen Schlussel?«

Die Wache knurrte etwas, und Marek hielt einen Augenblick inne. Chris stand auf und wischte sich feuchtes Stroh von seinen Beinlingen. Er sagte: »Wir mussen hier raus. Wo ist Kate?«

Marek schuttelte den Kopf. Kate war noch frei, au?er die Schreie der Wachen, die er im Gang gehort hatte, bedeuteten, da? man sie gefangen hatte. Aber das glaubte er nicht. Wenn er es also schaffte, mit ihr Kontakt aufzunehmen, konnte sie ihnen vielleicht helfen, hier rauszukommen.

Das bedeutete, da? sie irgendwie die Wache uberwaltigen mu?ten. Das Problem war, da? es von der Biegung im Gang mindestens zwanzig Meter bis zu dem Hocker waren, auf dem die Wache sa?. Es gab also keine Moglichkeit, ihn zu uberraschen. Aber wenn Kate in Reichweite ihrer Ohrstopsel war, dann konnte er —

Chris hammerte gegen die Gitterstabe und rief: »He! Wache! Heda!«

Bevor Marek etwas sagen konnte, kam der Wachsoldat in Sicht und sah neugierig Chris an, der einen Arm durch die Stangen gestreckt hatte und ihm winkte. »He, komm her! He! Hierher.«

Die Wache kam heran, schlug gegen Chris Hand, die er noch immer durch die Stangen streckte, und fing plotzlich an zu husten. Chris hatte ihm aus seiner Dose Gas ins Gesicht gespruht. Der Mann schwankte. Chris packte ihn am Kragen und spruhte ihm ein zweites Mal direkt ins Gesicht.

Der Mann verdrehte die Augen und fiel dann um wie ein Stein. Da Chris ihn noch immer am Kragen gepackt hatte, knallte sein Arm gegen eine Querstange. Er schrie vor Schmerz auf und lie? den Mann los, der nach hinten auf den Steinboden kippte und bauchlings liegenblieb. Deutlich au?er Reichweite. »Toll gemacht«, sagte Marek. »Und jetzt?«

»Du konntest mir ja helfen, wei?t du«, erwiderte Chris. »Sei nicht so negativ.« Er kniete sich hin, streckte den Arm bis zur Achsel durch die Stange und bewegte tastend die Hand. Mit ausgestreckten Fingern konnte er den Fu? des Wachpostens fast erreichen. Fast, aber nicht ganz. Funfzehn Zentimeter bis zur Sohle seines Schuhs. Chris streckte sich achzend. »Wenn wir irgendwas hatten — einen Stecken oder einen Haken —, etwas, mit dem wir ihn heranziehen ...« »Das wurde nichts bringen«, sagte der Professor aus der anderen Zelle. »Warum nicht?«

Der Professor kam nach vorne ins Licht und schaute durch die Stangen.

»Weil er den Schlussel nicht hat.«

»Er hat den Schlussel nicht? Wo ist er?«

»Er hangt an der Wand«, sagte der Professor und deutete den Korridor hinunter.

»Ach, Schei?e«, sagte Chris.

Die Hand des Soldaten auf dem Boden zuckte. Ein Bein ebenfalls. Er wachte auf.

Voller Panik fragte Chris: »Und was machen wir jetzt?«

Marek fragte: »Kate, bist du da?«

»Ich bin hier.«

»Wo?«

»Am anderen Ende des Gangs. Ich bin zuruckgekommen, weil ich mir dachte, da? sie hier nie nach mir suchen.«

»Kate«, sagte Marek, »komm her. Schnell.«

Marek horte Schritte, als Kate auf sie zurannte.

Der Soldat hustete, drehte sich auf den Rucken und stutzte sich auf den

Ellbogen. Er sah den Korridor hinunter und fing dann hastig an aufzustehen.

Er war schon auf Handen und Knien, als Kate ihn gegen den Kopf trat,

so da? der Kopf nach hinten kippte und er wieder zu Boden fiel. Aber er war nicht bewu?tlos, nur benommen. Er rappelte sich wieder hoch und schuttelte den Kopf.

»Kate«, sagte Marek. »Die Schlussel.«

»Wo?«

»An der Wand.«

Sie wandte sich von dem Soldaten ab, nahm die Schlussel, die an einem schweren Ring hingen, und ging damit zu Mareks Zelle. Sie steckte einen Schlussel ins Schlo? und versuchte ihn zu drehen, aber er bewegte sich nicht.

Grunzend warf der Soldat sich auf sie und ri? sie von der Zelle weg. Eine Weile walzten sie sich auf dem

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