»Andre, sie kommen, um euch zu toten.«
Keine Antwort, nur statisches Rauschen.
»Andre?«
Keine Antwort.
Vielleicht storten all die Mauern um sie herum die Ubertragung, und sie beschlo?, es auf der Dachspitze zu versuchen. Den Lucken ausweichend, kletterte sie die steile Schrage hoch. Unter jeder Reparaturstelle hatte der Maurer eine kleine Plattform errichtet, mit einem Morteltrog und einem kleinen Stapel Ziegeln. Das Zwitschern von Vogeln lie? Kate innehalten. Sie sah, da? bei diesen Reparaturstellen tatsachlich Locher im Dach waren, und — Ein Kratzen lie? sie hochschauen. Sie sah einen Soldaten uber den Dachfirst kommen. Er hielt inne und schaute zu ihr herunter. Dann ein zweiter Soldat.
Deshalb hatte de Kere also geflustert: Er hatte sie doch an der Mauer entdeckt und Soldaten auf der anderen Seite die Leiter hochgeschickt. Im Durchgang waren ebenfalls Soldaten. Sie starrten zu ihr hoch. Jetzt schwang der erste Soldat das Bein uber den First und kam auf sie zu.
Nun blieb ihr nur noch eins ubrig. Das Loch im Dach war einen guten halben Meter im Quadrat. Sie sah den Dachstuhl und etwa drei Meter darunter das Steingewolbe der Kapellendecke. Eine Art holzerner Laufsteg lief uber die Gewolbebogen. Kate kroch durch das Loch und lie? sich auf die Gewolbedecke fallen. Der sauerliche Gestank von Staub und Vogelkot stieg ihr in die Nase. Uberall waren Nester, entlang der flachen Stege, in allen Ecken und Tragerverbindungen. Sie duckte sich, als ein paar Spatzen zwitschernd an ihr vorbeiflogen. Und plotzlich war sie umringt von einem Wirbelwind aus larmenden Vogeln und fliegenden Federn. Es waren Hunderte in diesem Dachgestuhl, wie sie jetzt erkannte, und sie hatte sie aufgestort. Einige Sekunden lang konnte sie nichts tun als die Arme vors Gesicht schlagen und still dastehen.
Als sie wieder hochsah, flatterten nur noch ein paar Vogel umher. Und die zwei Soldaten kamen durch Locher im Dach geklettert. Schnell ging sie auf dem Laufsteg zu einer Tur an der Stirnseite, die wahrscheinlich in die Kirche fuhrte. Doch kurz darauf offnete sich diese Tur und ein dritter Soldat erschien. Drei gegen eine.
Auf dem Steg, der uber die Wolbungen der Kuppeln fuhrte, wich sie zuruck. Die anderen Soldaten kamen auf sie zu. Sie hatten ihre Dolche gezogen. Und Kate machte sich keine Illusionen, was sie vorhatten. Sie wich weiter zuruck.
Ihr fiel ein, wie sie unter dieser Decke gehangen hatte und die vielen Risse und die Reparaturen der Jahrhunderte untersucht hatte. Jetzt stand sie auf ebendieser Struktur. Der Steg deutete darauf hin, da? die gemauerten Bogen selbst schwach waren. Wie schwach? Wurden sie ihr Gewicht tragen? Die Manner kamen immer naher. Vorsichtig trat sie auf eine der Kuppeln und prufte ihre Tragfahigkeit. Dann stellte sie ihr ganzes Gewicht darauf. Die Kuppel hielt.
Die Soldaten kamen noch immer naher, aber sie bewegten sich langsam. Die Vogel wurden plotzlich wieder aktiv, kreischend flogen sie auf wie eine Wolke. Die Soldaten bedeckten ihre Gesichter. Spatzen flatterten so nahe an Kate vorbei, da? ihre Flugel ihr Gesicht streiften. Sie wich weiter zuruck, ihre Fu?e knirschten auf der dicken, vertrockneten Kotschicht.
Sie stand jetzt auf einer Reihe von Kuppeln und Vertiefungen, mit dickeren Steinrippen, wo die Bogen sich in der Mitte trafen. Langsam bewegte sie sich auf die Rippen zu, weil sie wu?te, da? diese tragfahiger waren. Auf ihnen entlangbalancierend, gelangte sie zum entfernten Ende der Kapelle, wo sie eine kleine Tur sah. Die Tur fuhrte wahrscheinlich ins Kapelleninnere, vermutlich kam sie hinter dem Altar heraus.
Einer der Soldaten lief den Steg entlang und trat dann auf die Wolbung eines Bogens. Offenbar wollte er ihr den Weg abschneiden. In seiner ausgestreckten Hand blitzte ein Messer.
Sie duckte sich und tauschte ein Ausweichen an, aber der Soldat blieb einfach stehen. Ein zweiter lief zu ihm. Der dritte Soldat war hinter ihr. Auch er trat auf die Kuppel.
Sie bewegte sich nach rechts, aber die zwei Manner kamen direkt auf sie zu. Der dritte naherte sich von hinten.
Die zwei Soldaten vor ihr waren nur noch wenige Meter entfernt, als sie plotzlich ein lautes Krachen wie von einem Schu? horte. Sie schaute nach unten und sah, da? sich im Mortel zwischen den Steinen ein gezackter Ri? offnete. Die Soldaten hasteten zuruck, aber der Ri? weitete und verzweigte sich wie ein Baum. Die Risse liefen zwischen den Beinen der Manner hindurch, und sie starrten sie entsetzt an. Dann losten sich die Steine unter ihren Fu?en, und sie sturzten laut schreiend in die Tiefe.
Kate sah sich nach dem dritten Soldaten um, der, als er zum Steg zurucklaufen wollte, ausrutschte und hinfiel. Er landete mit einem dumpfen Schlag, und Kate sah sein verangstigtes Gesicht, als er auf dem Gewolbe lag und spurte, wie ein Stein nach dem anderen unter ihm nachgab. Und dann verschwand er mit einem langen Entsetzensschrei. Plotzlich war sie allein.
Kate stand auf der Gewolbedecke, um sie herum kreischten die Vogel. Sie hatte Angst, sich zu bewegen, und so stand sie einfach da und versuchte, ihre Atmung zu beruhigen. Aber sie war okay. Alles war okay.
Dann horte sie ein einzelnes Krachen. Dann wieder nichts. Sie wartete.
Noch einmal ein Krachen. Und diesmal spurte sie es, direkt unter ihren Fu?en. Die Steine bewegten sich. Als sie nach unten schaute, sah sie, da? der Mortel aufplatzte und die Risse sich in alle Richtungen von ihr weg verzweigten. Schnell wich sie nach links aus, auf eine der stabileren Rippen, aber es war zu spat.
Ein Stein loste sich, und ihr Fu? krachte durch das Loch. Sie sackte bis zur Taille durch, warf dann ihren Oberkorper flach auf die Kuppel und breitete die Arme aus, um ihr Gewicht zu verteilen. Einige Sekunden lang lag sie keuchend so da.
Einen Moment lang wartete sie ab und uberlegte sich, wie sie aus diesem Loch wieder herauskam.
Sie versuchte, ihren Korper zu winden —
Direkt vor ihr offnete sich ein weiterer Ri? im Mortel, und mehrere Steine losten sich. Dann spurte sie, wie die Decke auch unter ihrem Oberkorper nachgab, und in einem Augenblick schrecklicher Gewi?heit wurde ihr klar, da? auch sie in die Tiefe sturzen wurde. Im roten Pluschzimmer im Turm wu?te Chris nicht so recht, was er in seinem Ohrstopsel gehort hatte. Es klang, als hatte Kate gesagt: »Sie kommen, um euch zu toten.« Und dann noch etwas anderes, das er nicht verstand, bevor das statische Kauschen uberhandnahm.
Marek hatte die holzerne Truhe neben dem kleinen Altar geoffnet und wuhlte darin herum. »Komm schon, hilf mir.« »Was ist denn?« fragte Chris.
»Oliver halt sich in diesem Zimmer seine Geliebte«, sagte Marek. »Ich wette, da? er hier irgendwo auch eine Waffe hat.«
Chris ging zu einer zweiten Truhe am Fu? des Betts und offnete sie. Sie schien angefullt zu sein mit Bettlaken, Roben und seidener Wasche.
Suchend warf er alles in die Luft, die Stucke flatterten neben ihm zu
Boden.
Eine Waffe fand er nicht. Nichts.
Er sah Marek an. Der stand inmitten eines Haufens Kleider und schuttelte den Kopf. Keine Waffe.
Im Gang polterten die Schritte von Soldaten, die auf ihre Tur zugelaufen kamen. Und jetzt drang durch die Tur das metallische Sirren, mit dem sie ihre Schwerter aus den Scheiden zogen.
29:10:24
Ich kann Ihnen Coke anbieten, Diet Coke, Fanta oder Sprite«, sagte Gordon. Sie standen vor einem Getrankeautomaten im Gang zu den ITC-Laboren. Gordon klimperte mit Kleingeld in seiner Hand. »Ich nehme ein Coke«, sagte Stern.
Die Dose schepperte in den Entnahmeschacht. Stern nahm sie und ri? die Lasche auf. Gordon druckte sich ein Sprite. »Es ist wichtig, in der Wuste genug Flussigkeit zu sich zu nehmen«, sagte er. »Wir haben Luftbefeuchter im Gebaude, aber die funktionieren nicht sonderlich gut.«
Sie gingen den Korridor entlang.
»Ich dachte mir, da? Sie das vielleicht sehen wollen«, sagte Gordon und offnete die Tur zu einem Labor. »Auch wenn es nur noch von historischem Interesse ist. Das ist das Labor, in dem wir die Technologie zum ersten Mal demonstriert haben.« Das Labor war ein gro?er, unordentlicher Raum. Der Boden war belegt mit grauen antistatischen Matten, die Decke unverkleidet, so da? nackte indirekte Beleuchtungskorper und metallene Fuhrungsschienen zu sehen waren, von denen dicke Kabel wie Nabelschnure zu Computern auf diversen Tischen