»Soweit ich wei?, zwanzig Kilometer nordlich des Corazon. Anscheinend gibt's da drau?en nicht viel.«

»Na gut«, entgegnete Doniger. »Dann sag Baretto vom Sicherheitsdienst, er soll Traubs Auto zum Corazon fahren und es in der Wuste abstellen. Er soll einen Reifen zerstechen und dann verduften.« Diane Kramer rausperte sich. Sie war dunkelhaarig, Anfang Drei?ig und trug ein schwarzes Kostum. »Ich wei? nicht so recht, Bob«, sagte sie in bestem anwaltlichem Tonfall. »Du manipulierst Beweise —« »Naturlich manipuliere ich Beweise! Darum geht's doch. Irgend jemand wird fragen, wie Traub uberhaupt dahin gekommen ist. Also stellen wir sein Auto dort ab, damit man es findet.« »Aber wir wissen gar nicht genau, wo -« »Das ist auch nicht wichtig. Tu es einfach.« »Das bedeutet, da? Baretto und noch ein anderer von der Sache wissen ...«

»Und wen kummert das? Niemanden. Tu es einfach, Diane.«

Ein kurzes Schweigen entstand. Kramer starrte stirnrunzelnd zu Boden.

Die Sache gefiel ihr absolut nicht.

»Schau«, sagte Doniger, an Gordon gewandt. »Wei?t du noch, als damals Garman kurz davor war, diesen Vertrag zu kriegen und nicht meine alte Firma? Erinnerst du dich noch an das Gerucht, das wir in die Welt gesetzt haben?« »Nur zu gut.«

»Du hattest dir so den Kopf zerbrochen deswegen«, sagte Doniger mit einem Grinsen. »Garman war ein fettes Schwein. Dann verlor er viel Gewicht, weil seine Frau ihn auf Diat gesetzt hatte. Wir deuteten an, da? Garman inoperablen Krebs habe und seine Firma eingehen werde. Er dementierte naturlich, aber keiner glaubte ihm, weil er so schlecht aussah. Wir bekamen den Vertrag. Und ich schickte seiner Frau einen gro?en Korb mit Obst.« Er lachte. »Aber das Wichtigste war doch, da? niemand das Gerucht bis zu uns zuruckverfolgen konnte. Alles ist erlaubt, Diane. Geschaft ist Geschaft. Also schaff das verdammte Auto in die Wuste.«

Sie nickte, starrte aber noch immer zu Boden.

»Und dann«, fuhr Doniger fort, »will ich wissen, wie zum Teufel Traub uberhaupt in den Transitraum gekommen ist. Er hatte doch schon zu viele Reisen gemacht und dabei zu viele Transkriptionsfehler angesammelt. Sein Limit war uberschritten. Er hatte keine weiteren Reisen mehr machen durfen und hatte keine Transitfreigabe mehr. Da unten wimmelt es von Sicherheitsleuten. Also, wie ist er in den Transitraum gekommen?«

»Wir glauben, da? er eine Wartungsfreigabe hatte, damit er sich um die Maschinen kummern konnte«, sagte Kramer. »Er wartete bis zum Schichtwechsel am Abend und nahm dann eine Maschine. Aber das prufen wir alles genau nach.«

»Ich will nicht, da? du es nachprufst«, erwiderte Doniger sarkastisch. »Ich will, da? du das Problem bereinigst, Diane.« »Wir bereinigen das, Bob.«

»Das solltet ihr auch, verdammt noch mal«, sagte Doniger. »Weil diese Firma jetzt drei schwerwiegende Probleme hat. Und Traub ist noch das geringste. Die beiden anderen sind bedeutender. Viel, viel bedeutender.«

Doniger hatte schon immer Weitblick bewiesen. 1984 hatte er TechGate verkauft, weil er voraussah, da? das Chipgeschaft »gegen die Wand fahren« wurde. Damals klang das noch unsinnig. Computerchips verdoppelten alle achtzehn Monate ihre Leistungsfahigkeit, wahrend die Kosten sich halbierten. Aber Doniger erkannte, da? man diese Fortschritte nur erreichte, indem man die Komponenten auf dem Chip immer enger zusammendrangte. Irgendwann wurden die Schaltkreise so dicht beieinanderliegen, da? die Chips in der Hitze, die sie entwickelten, schmelzen wurden. Das bedeutete eine Obergrenze fur Computerleistung. Doniger wu?te, da? die Gesellschaft immer mehr Rechnerleistung verlangen wurde, aber er sah keine Moglichkeit, das zu erreichen.

Frustriert wandte er sich einem fruheren Interessensgebiet zu, dem Magnetismus auf Basis der Supraleitung. Er grundete eine zweite Firma, Advanced Magnetics. Diese Firma besa? mehrere Patente, die wesentlich waren fur das neue Magnetresonanz-Dar-stellungsverfahren, kurz MRI, fur die Kernspintomograhen also, die zu der Zeit begannen, die Medizin zu revolutionieren. Advanced Magnetics erhielt eine Viertelmillion Dollar Tantiemen fur jeden Kernspintomographen, der gebaut wurde. Es war »ein Goldesel«, sagte Doniger einmal, »und ungefahr so interessant, wie eine Eselin zu melken«. Gelangweilt und auf der Suche nach neuen Herausforderungen, hatte er die Firma 1988 verkauft. Er war damals acht-undzwanzig Jahre alt und eine Milliarde Dollar schwer. Aber seiner Ansicht nach mu?te er eine Gro?tat erst noch vollbringen.

Im Jahr darauf, 1989, grundete er ITC.

Einer von Donigers Helden war der Physiker Richard Feynman. Anfang der achtziger Jahre hatte Feynman die Hypothese aufgestellt, da? es moglich sein konnte, einen Computer zu bauen, der sich der Quanteneigenschaften von Atomen bediente. Theoretisch ware ein solcher Quantencomputer abermilliardenmal leistungsstarker als jeder existierende Computer. Aber Feynmans Idee implizierte eine vollig neue Technologie - eine Technologie, die quasi aus dem Nichts entwickelt werden mu?te, eine Technologie, die alle Regeln uber den Haufen warf'. Weil niemand einen praktikablen Weg sah, wie ein solcher Quantencomputer gebaut werden konnte, war Feynmans Idee bald wieder in Vergessenheit geraten. Nur Doniger verga? sie nicht.

1989 machte Doniger sich daran, den ersten Quantencomputer zu bauen. Die Idee war so radikal — und so riskant -, da? er sein Vorhaben nie offentlich bekanntgab. Seine neue Firma nannte er einfach nur ITC, International Technology Corporation. In Genf errichtete er seine Zentrale, weil er sich dort aus dem Kader von Physikern, die am CERN arbeiteten, bedienen konnte.

Einige Jahre lang horte man nichts von Doniger oder von seiner Firma. Die Leute nahmen an, da? er sich zuruckgezogen hatte, falls sie uberhaupt an ihn dachten. Es war schlie?lich nicht ungewohnlich, da? prominente High-Tech-Unternehmer von der Bildflache verschwanden, nachdem sie ihr Vermogen gemacht hatten.

1994 veroffentlichte das Time Magazine eine Liste der Leute unter vierzig, die unsere Welt pragten. Robert Doniger gehorte nicht dazu. Den Leuten war es egal, sie hatten ihn vergessen. In diesem Jahr verlegte er ITC zuruck in die Vereinigten Staaten und errichtete in Black Rock, New Mexico, eine Stunde von Albuquerque entfernt, ein Forschungslabor. Einem aufmerksamen Beobachter ware nicht entgangen, da? er sich wieder einen Ort ausgesucht hatte, wo er sich aus einem Kader verfugbarer Physiker bedienen konnte. Aber es gab keine Beobachter, weder aufmerksame noch andere. Niemandem fiel deshalb auf, da? ITC in den Neunzigern immer weiter expandierte. In New Mexico wurden weitere Labors gebaut, immer mehr Physiker wurden eingestellt. Donigers Aufsichtsrat wuchs von sechs auf zwolf. Alle waren Topmanager von Firmen, die in ITC investiert hatten, oder risikobereite Gro?investoren. Alle hatten drakonische Geheimhaltungsvereinbarungen unterschrieben, die sie verpflichteten, eine betrachtliche personliche Burgschaft bei einem Dritten zu hinterlegen, sich auf Verlangen einem Lugendetektortest zu unterziehen und ITC zu gestatten, ihre Telefone ohne Ankundigung abzuhoren. Au?erdem verlangte Doniger ein Investment von mindestens 300 Millionen Dollar. Das sei, erklarte er arrogant, der Preis fur einen Sitz im Aufsichtsrat. »Wenn

Sie wissen wollen, was ich vorhabe, wenn Sie an dem teilnehmen wollen, was wir hier machen, kostet das eine Drittelmilliarde Dollar. Akzeptieren .Sie, oder lassen Sie es bleiben. Mir ist es egal, wie Sie sich entscheiden.«

Naturlich war es ihm nicht egal. ITC' hatte einen gigantischen Kapitalbedarf, in den letzten neun Jahren hatte man mehr als drei Milliarden Dollar verbraten. Und Doniger wu?te, da? er noch mehr brauchte.

»Problem Nummer eins«, sagte Doniger. »Unsere Kapitalausstattung. Wir brauchen noch eine Milliarde, bevor wir Land sehen.« Er nickte in Richtung Konferenzsaal. »Und die liefern mir die nicht. Ich mu? sie dazu bringen, da? sie der Berufung von drei neuen Aufsichtsratsmitgliedern zustimmen.«

»Das durfte ziemlich schwer werden da drin«, erwiderte Gordon. »Ich wei?«, sagte Doniger. »Sie sehen unseren Kapitalbedarf, und sie wollen wissen, wann das aufhort. Sie wollen konkrete Ergebnisse sehen. Und genau die will ich ihnen heute prasentieren.« »Was fur konkrete Ergebnisse?«

»Einen Sieg«, sagte Doniger. »Diese Doskoppe brauchen einen Sieg. Irgendwelche aufregenden Neuigkeiten uber eins unserer Projekte.« Kramer zog gerauschvoll die Luft ein. Gordon sagte: »Bob, alle unsere Projekte sind langfristig.«

»Eins davon mu? doch kurz vor dem Abschlu? stehen. Sagen wir, die Dordogne?«

»Ist noch nicht soweit. Ich rate davon ab.«

»Und ich brauche einen Sieg«, sagte Doniger. »Professor Johnston hangt mit seinen Yalies schon drei Jahre auf unsere Kosten in Frankreich herum. So langsam sollten wir doch was zuruckbekommen.« »Noch nicht, Bob. Au?erdem gehort uns noch nicht alles Land.« »Wir haben genug Land.« »Bob.«

»Diane fliegt hin. Sie kann sie schon unter Druck setzen.« »Professor Johnston wird das sicher nicht gefallen.« »Ich bin mir sicher, da? Diana mit Johnston fertig wird.«

Einer der Assistenten offnete die Tur des Konferenzsaals und schaute in die Halle. »Ich komme ja gleich!« sagte Doniger, ging aber sofort auf die Tur zu.

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату