Er sah sich noch einmal um und sagte: »Tut es einfach.« Und dann betrat er den Saal und schlo? die Tur.
Gordon ging mit Kramer den Korridor hinunter. Ihre hohen Absatze klapperten uber den Boden. Gordon schaute nach unten und sah, da? sie unter ihrem sehr korrekten und geschaftsma?igen Jil-Sander-Kostum schwarze High-Heels trug. Es war der klassische Kramer-Look: verfuhrerisch und unnahbar zugleich. »Wu?test du das schon vorher?« fragte er.
Sie nickte. »Aber erst seit kurzem. Doniger hat es mir vor einer Stunde gesagt.«
Gordon schwieg. Er unterdruckte seine Verargerung. Gordon arbeitete seit zwolf Jahren fur Doniger, seit den Tagen von Advanced Magnetics.Bei ITC hatte er ein wichtiges industrielles Forschungsprojekt geleitet, das auf zwei Kontinenten Dutzende von Physikern, Chemikern und Computerspezialisten beschaftigte. Er hatte sich erst schlau machen mussen uber supraleitende Metalle, fraktale Kompression, Quantenbits und Hochflu?- Ionenaustausch. Bis zum Hals hatte er in theoretischer Physik der schlimmsten Art gesteckt und dennoch Erstaunliches geleistet: Die Entwicklung verlief planma?ig, die Kosten blieben beherrschbar. Doch trotz seines Erfolges vertraute ihm Doniger noch immer nicht so recht.
Kramer dagegen hatte schon immer eine besondere Beziehung zu Doniger genossen. Sie hatte als Anwaltin in einer externen Kanzlei, die fur die Firma arbeitete, begonnen. Fur Doniger besa? sie sowohl Intelligenz als auch Klasse, und deshalb stellte er sie ein. Ein Jahr lang war sie seine Freundin gewesen, und obwohl das schon lange vorbei war, horte er noch immer auf sie. Im Lauf der Jahre war es ihr gelungen, einige potentielle Katastrophen abzuwenden. »Zehn Jahre lang«, sagte Gordon, »haben wir diese Technologie geheimgehalten. Was eigentlich ein Wunder ist, wenn man es sich uberlegt. Die Sache mit Traub war der erste Vorfall, den wir nicht unter Verschlu? halten konnten. Zum Gluck ist er in den Handen eines vertrottelten Bullen gelandet, und von da geht's nicht weiter. Aber wenn Bob jetzt in Frankreich Druck macht, fangen die Leute vielleicht an, eins und eins zusammenzuzahlen. Wir haben ja jetzt schon diese Reporterin in Paris, die uns im Nacken sitzt. Bob riskiert, da? alles bekannt wird.«
»Ich wei?, da? er sich das alles uberlegt hat. Das ist das zweite gro?e Problem.«
»An die Offentlichkeit zu gehen?« »Ja. Da? alles bekannt wird.« »Macht ihm das keine Sorgen?«
»Doch, es macht ihm Sorgen. Aber er scheint einen Plan zu haben, wie er damit fertig wird.«
»Das hoffe ich«, sagte Gordon. »Weil wir uns nicht darauf verlassen konnen, da? es immer ein vertrottelter Bulle ist, der in unserer schmutzigen Wasche kramt.«
Am nachsten Morgen kam Officer James Wauneka ins McKinley Hospital und suchte nach Beverly Tsosie. Er wollte sich nach den Ergebnissen der Autopsie des alten Mannes erkundigen. Doch man sagte ihm, da? sie in der Tomographieabteilung im dritten Stock sei. Also ging er nach oben.
Beverly sa? in dem kleinen, sandfarben gestrichenen Zimmer neben dem wei?en Kernspintomographen und unterhielt sich mit Calvin Chee, dem MRI-Techniker. Er hockte an der Computerkonsole und holte sich schwarzwei?e Bilder auf den Monitor, eins nach dem anderen. Die Bilder zeigten funf Kreise in einer Reihe. Auf jedem Bild, das Chee anklickte, wurden die Kreise kleiner.
»Calvin«, sagte sie gerade. »Das ist unmoglich. Das mu? ein Artefakt sein.«
»Erst bitten Sie mich, die Daten noch einmal zu uberprufen«, sagte er, »und dann glauben Sie mir nicht? Ich sag's Ihnen, Bev, das ist kein Artefakt. Das ist echt. Hier, sehen Sie sich die andere Hand an.«
Chee tippte auf die Tastatur, und jetzt erschien ein horizontales Oval mit funf hellen Kreisen darin auf dem Monitor. »Okay? Das ist die
Mittelhand links, ein Schnitt ziemlich genau durch die Mitte.« Er wandte sich an Wauneka. »Ziemlich genau das, was Sie sehen wurden,
wenn Sie Ihre Hand auf einen Hackklotz legen und gerade durchhacken.«
»Sehr anschaulich, Calvin.«
»Ich will ja blo?, da? Sie sich's vorstellen konnen.«
Er wandte sich wieder dem Bildschirm zu. »Okay, anatomische Merkpunkte. Die funf runden Kreise sind die funf Mittelhandknochen, Diese Dinger da sind die Sehnen, die zu den Fingern fuhren. Nicht vergessen, die Muskeln, die
»Etwas
»Wenn ich's Ihnen sage. Und nicht nur hier, er hatte es auch an anderen Stellen im Korper. Im Herzen zum Beispiel. Der Kerl ist doch an einem massiven Koronarinfarkt gestorben, oder? Kein Wunder, weil seine Herzkammerwande auch nicht aufemanderpassen.« »Wegen altem Narbengewebe«, entgegnete sie kopfschuttelnd. »Calvin, kommen Sie. Was mit seinem Herz auch nicht gestimmt haben mag, es hat auf jeden Fall uber siebzig Jahre funktioniert. Mit seinen Handen ist es dasselbe. Wenn diese Arterienverschiebung tatsachlich vorhanden gewesen ware, dann waren ihm die Finger schon vor Jahren abgefallen. Aber das sind sie nicht. Auf jeden Fall war das eine neue Verletzung, der Befund wurde namlich schlimmer, wahrend er im Krankenhaus war.«
»Was wollen Sie mir damit sagen? Da? die Maschine einen Fehler gemacht hat?«
»Es mu? einfach so sein. Stimmt es denn nicht, da? es manchmal zu Fehlern in der Datenerfassung kommt, an denen die Hardware schuld ist? Oder zu Programmierfehlern in der Skalierungssoftware?« »Ich habe die Maschine uberpruft, Bev. Alles okay.« Sie zuckte die Achseln. »Tut mir leid, aber das kaufe ich Ihnen nicht ab. Irgendwo ist da der Wurm drin. Aber horen Sie, wenn Sie so sicher sind, da? Sie recht haben, warum gehen Sie dann nicht runter in die Pathologie und schauen sich den Kerl an?«
»Das habe ich schon versucht«, sagte Chee. »Aber die Leiche war bereits abgeholt worden.«
»Wirklich?« fragte Wauneka. »Wann?«
»Heute morgen funf Uhr. Jemand von seiner Firma.«
»Hm, diese Firma ist doch druben bei Sandia«, sagte Wauneka.
»Vielleicht sind sie mit der Leiche noch unterwegs -«
»Nein.« Chee schuttelte den Kopf. »Wurde heute morgen verbrannt.«
»Wirklich? Wo?«
»Im Krematorium in Gallup.«
»Sie haben ihn hier verbrannt?« fragte Wauneka.
»Ich sag's Ihnen ja«, erwiderte Chee. »Irgendwas ist komisch mit diesem Kerl.«
Beverly Tsosie verschrankte die Arme vor der Brust. Sie musterte die beiden Manner. »Da ist uberhaupt nichts komisch«, sagte sie. »Seine Firma hat das so gemacht, weil sie alles telefonisch arrangieren konnte. Man hat im Krematorium angerufen, und die haben ihn abgeholt und verbrannt. Passiert ziemlich haufig, vor allem, wenn es keine Angehorigen gibt. Und jetzt lassen Sie den Blodsinn«, sagte sie, »und rufen Sie den Wartungsdienst an, damit der die Maschine repariert. Mit ihrem Kernspintomographen stimmt was nicht - das ist alles.«
Jimmy Wauneka wollte den Traub-Fall so schnell wie moglich abschlie?en, doch als er wieder in der Notaufnahme stand, entdeckte er eine Plastiktute mit den Kleidern und der personlichen Habe des alten Mannes. Es blieb ihm nichts anderes ubrig, als noch einmal bei ITC anzurufen. Diesmal sprach er mit einer Vizeprasidentin, einer Ms. Kramer. Dr. Gordon war in einer Besprechung und nicht zu erreichen. »Es geht um Dr. Traub«, sagte er.
»Ach ja.« Ein trauriges Seufzen. »Der arme Dr.Traub. So ein netter Mann.«
»Seine Leiche wurde heute kremiert, aber wir haben immer noch seine personliche Habe. Ich wei? nicht, was ich damit tun soll.« »Dr. Traub hat keine Angehorigen«, sagte Ms. Kramer. »Ich bezweifle, ob irgend jemand