»Doch, hier im Osten mussen die Schiffe, die aus der Magellan-Stra?e kommen, um die Hafen in Chile oder Peru anzulaufen, vorbeikommen. Ein Grund mehr, da? wir uns hier ansiedeln! Mag Briant dieser Kuste den Namen Deception-Bai gegeben haben, ich glaube daran, da? wir hier Gluck haben werden!«
Doniphan schaute mit dem Fernrohr uber die endlose Weite des Ozeans.
»Wirklich nichts zu sehen! Untersuchen wir die Mundung des East-river.«
Wie Briant erkannten sie den naturlichen Hafen, der gegen Wind und Seegang geschutzt lag.
»Hier hatten wir stranden sollen, nicht im Westen. Dann ware die
Hinter den Felsen wuchsen die ersten Baume jenes Waldes, der sich bis zum Family-lake erstreckte und im Norden sogar noch viel weiter. Was die Felshohlen betraf, so uberzeugten sich die Kinder, da? Briant in seinen Erzahlungen von seinem Ausflug nach hier keineswegs ubertrieben hatte. Wer die Wahl hat, hat die Qual, dachte Doniphan angesichts dieses Uberangebots an guten Lagerplatzen.
»Bleiben wir der Mundung des Rio moglichst nahe!«
Bald war eine Hohle ausgewahlt, sie stand der von French-den in nichts nach.
»Geben wir dem Hafen einen Namen«, sagte Cro?. »Seht diesen Felsen an, der sieht aus, als hatte ein Bildhauer einen Baren mei?eln wollen. Nennen wir den Hafen also Bear-rock-harbour!«
»Einverstanden«, sagten die anderen.
Am Nachmittag stiegen Doniphan und Wilcox auf den Bear-rock, um eine moglichst weite Aussicht uber die Bai zu haben. Doch sahen sie auch von hier oben weder ein Schiff noch eine Insel im Osten. Der wei?liche Fleck, den Briant seinerzeit im Nordosten entdeckt haben wollte, war jetzt nicht zu erkennen. Nach dem Abendessen wurde die Frage der Ruckkehr erortert.
»Der Weg nach French-den ist weit, gehen wir also so bald wie irgend moglich zuruck«, sagte Webb.
»Wenn wir dann nach hier zuruckkehren, nehmen wir am besten die Jolle, dann segeln wir uber den See und konnen abkurzen. Das hat Briant so gemacht, warum sollten wir es nicht genauso machen?«
»Bin ich auch dafur!« stimmte Webb seinem Freund Wilcox zu.
»Wie denkst du daruber?« fragte Cro? Doniphan. Doniphan uberlegte eine Weile.
»Ich bin an sich schon fur die Jolle, aber dann mu?ten wir Moko mitnehmen, denn nur er beherrscht das Fahrzeug.«
»Puh, das durfte schwierig sein.«
»Weshalb? Steht es mir nicht ebenso wie Briant zu, Befehle zu erteilen? Ubrigens handelt es sich nur um die Fahrt uber den Family-lake.«
»Er mu? uns einfach hinuberbringen, wie sollen wir denn sonst unser gesamtes Material hierher schaffen?«
»Und wenn uns Briant die Jolle nicht uberla?t?«
»Das werden wir sehen. Er hat kein Recht, uns die Jolle vorzuenthalten.«
»Aber immerhin ist er das gewahlte Oberhaupt der Kolonie!«
»Quatsch nicht. Entscheiden wir lieber, wann wir nach French-den zuruckkehren sollen.«
»Am besten schon morgen!«
»Nein«, antwortete Doniphan, »ich mochte erst noch das Land jenseits der Bai untersuchen, um auch den nordlichen Teil der Insel kennenzulernen. In 48 Stunden konnen wir bis zur au?ersten Nordspitze kommen und wieder zuruck sein. Vielleicht gibt es dort eine Insel oder Festland, das unser Frangois Baudoin ubersehen hatte. Es scheint mir unklug, sich hier festzusetzen, bevor wir die Insel nicht bis ins kleinste Detail kennen.«
Die anderen stimmten diesem Vorschlag zu. Am Morgen des 14. Oktober brachen sie auf. Ohne den Kustenstreifen zu verlassen, wanderten sie nach Norden. Das Fruhstuck wurde auf Mittag verschoben. An der Raststelle mundete ein weiterer Rio ins Meer.
»Seine Richtung la?t eindeutig erkennen, da? er nicht in den Family-lake flie?t. Taufen wir ihn North- creek, da er doch eher ein Bach ist als ein Flu?.«
Mit dem Halkett-boat setzten sie uber. Unterwegs schossen Doniphan und Cro? Wild, doch beide gingen mit ihrer Munition sparsam um, sie wu?ten, da? sie ihre Vorrate rationieren mu?ten. Auch in diesem Inselteil wuchs alles uppig und wild durcheinander, vor allem fielen Tausende und aber Tausende von Buchen auf.
»Nennen wir diese Gegend einfach Beechs- forest, einverstanden?«
Wilcox trug die neuen Namen in die Karte ein. Am Abend hatten sie insgesamt 14 km zuruckgelegt.
»Noch einmal so weit, dann haben wir die Nordspitze erreicht.«
»Aber jetzt wird erst einmal gepennt, mich bringen keine 20 Gaule von hier weg«, brummte Webb.
Am anderen Morgen, nach einer ruhigen Nacht, wurde der Marsch fortgesetzt.
»Beeilen wir uns, es scheint ein Unwetter zu geben.«
Der Himmel verdunkelte sich zusehends, der Wind frischte auf, schon wehten die ersten Boen durch den Buchenwald. »Hoffentlich regnet es nicht, alles andere ist halb so schlimm, wir konnen ja im Wald Schutz suchen.«
Keine Viertelstunde spater brauste der Sturm mit unerhorter Gewalt uber die Insel. Die Buchen wankten bedrohlich, hie und da krachte es bereits, Aste sturzten zu Boden, und es hagelte Blatter.
»Auf gehts, weiter!« ermahnte Doniphan seine Kameraden.
Gegen 20 Uhr, es war bereits dunkel geworden, der Sturm hatte nicht im geringsten nachgelassen, war die Brandung des Meeres horbar, ein Beweis, da? auch hier ein Klippengurtel die Insel Chairman einschlo?.
Erschopft erreichten die Kinder das Ufervorland der nordlichen Kuste. Plotzlich blieb Wilcox wie gebannt stehen! Mit der Hand wies er auf einen schwarzlichen Punkt nahe des Riffs.
»Ein Seetier?« flusterte Wilcox.
»Vielleicht ein toter Wal«, sagte Webb leise.
Nach einer kurzen Pause sagte Doniphan:
»Nein, es ist ein Boot, das wahrscheinlich vom Sturm an die Klippen gespult wurde.« Da schreckte Doniphan zusammen. Neben dem Boot lagen 2 Korper!!
Waren es 2 Leichen? Waren es Uberlebende eines Schiffbruches? Woher kam dieses Boot?
Wahrend vom Meer her ein furchterlicher Sturm uber die Insel tobte, sa?en die Kinder unter einem Baum und unterhielten sich uber diese mysteriose Entdeckung. Mit einem Mal glaubten sie Stimmen zu horen, Hilferufe vom Strand her. Wie viele Menschen waren an Land gespult worden? Waren sie vor irgend jemandem auf der Flucht? Aber sie hatten sich getauscht, sie waren Halluzinationen erlegen.
»Versuchen wir zu schlafen, sonst wird es eine schreckliche Nacht werden!«
Aber keinem gelang es, einzuschlafen, sie waren viel zu aufgeregt, au?erdem froren sie erbarmlich in ihren Decken. Sie lauschten, wenn der Sturm fur einen Augenblick nachlie?, aber sie horten nichts. Die Hilferufe hatten sie sich lediglich eingebildet.
»Wenn es wieder hell wird, gehen wir hinunter und begraben die beiden Leichen«, sagte Doniphan.
»Eine endlose Nacht«, zischte Webb angstlich.
»Hatten wir doch nur eine Uhr bei uns, dann konnten wir uns besser orientieren, aber so ist es zermurbend!«
»Wir haben ja eine Uhr bei uns, aber die ist stehengeblieben!«
»So ein hanebuchener Mist«, fluchte Cro? in seine Decke. Der Sturm lie? noch immer nicht nach. Da endlich — nach wieviel Stunden? — hellte sich der Horizont auf, es wurde langsam wieder Tag.
»Gehen wir zum Strand hinunter!«
Die Kinder schleppten sich muhsam gegen die heftigen Sturmboen zum Strand. Sie mu?ten sich aneinander festhalten, um nicht umgeworfen zu werden. Plotzlich schrie Wilcox auf. Die beiden Korper waren verschwunden!
Doniphan und Wilcox untersuchten jetzt den Strand nach Fu?spuren, aber sie entdeckten nichts, die Ebbestromung hatte sie jedenfalls verwischt.
»Also doch keine Leichen!«
»Wo konnen sie sein?«
»Das Meer hat sie wieder hinausgespult«, sagte Doniphan mit ausgestreckter Hand.
Doniphan kletterte auf den Klippenrand und schaute mit dem Fernrohr uber das aufgewuhlte Meer.
»Komisch, man mu?te doch wenigstens die Leichen schwimmen sehen!«
»Vielleicht sind sie untergegangen oder so weit hinausgeschwemmt worden, da? du sie nicht mehr
