bei einem Glas Whisky in der Hafenbar. Nachdem alle Kinder untergebracht waren, ging auch der Obersteuermann noch kurz einen heben. Schiffsjunge Moko legte sich schlafen.

Was sich anschlie?end zugetragen hat, wird wohl nie ganz geklart werden. Sicher ist nur, da? sich die Taue entweder von selbst gelost hatten oder da? sie von dritter Hand losgemacht wurden. An Bord hatte keiner etwas Verdachtiges bemerkt. Die Nacht lag tief und dunkel uber dem Hafen und dem Golf Hauraki, vom Land her wehte ein ziemlich starker Wind, der Schoner wurde mit der ruckstromenden Ebbe in die offene See hinausgetrieben. Als der Schiffsjunge erwachte, stampfte das Schiff, als werde es von schweren Wogen hin und her geworfen. Moko sprang mit einem Satz an Deck, aber zu spat: die Jacht trieb steuerlos dem offenen Meere zu, Mokos entsetzliche Angstschreie weckten einige der Zoglinge, sie kamen an Deck und riefen wie aus einem Mund um Hilfe. Umsonst. Von der Stadt und dem Hafen waren nicht einmal mehr die Lichter zu sehen, der Schoner war bereits mitten im Golf, 3 sm vom rettenden Ufer entfernt. Die Kinder versuchten unter Anleitung Mokos, ein Segel beizusetzen, um durch einige geschickte Kreuzmanover in den Hafen zuruckzugelangen, aber ihre Kraft reichte nicht aus, unter einem scharfen Westwind wurden sie nur noch weiter hinausgetrieben. Die Sloughi umschiffte Cap Colville, danach die Meerenge, vor ihr lag das offene Meer. Auf Hilfe vom Land konnten die Kinder jetzt nicht mehr rechnen, das wu?ten sie; in dieser Finsternis wurde ein eventuell nachtraglich vom Hafen ausgesandtes Schiff sie nur schwer, wahrscheinlich aber uberhaupt nicht ausmachen konnen. Wenn der Wind nicht bald umschlug, bestand keine Hoffnung mehr, in den nachsten Tagen gefunden zu werden. Moko befestigte am Topp des Fockmastes eine Signallaterne, vielleicht begegneten sie einem voruberfahrenden Schiff. Mehr konnte man augenblicklich nicht tun.

Die Kleinen, welche nicht aufgewacht waren, lie? man weiterschlafen; ihr Schrecken hatte an Bord nur unnotige Unruhe verursacht.

Plotzlich tauchte 2 bis 3 sm vor ihnen ein schwacher Lichtschein auf, bald darauf konnte man auch 2 Positionslampen erkennen. Beide Lichter, das grune wie das rote, waren gleichzeitig sichtbar, und das bedeutete, da? ein Dampfer direkt auf die Sloughi zuhielt. Vergeblich riefen und schrien die Kinder um Hilfe, das Klatschen und Schlagen der Wogen erstickte ihre Schreie. Zu allem Ungluck ri? noch die Leine, an welcher die Laterne befestigt war, nun verriet nichts mehr die Schiffbruchigen. Der Dampfer jagte auf die Sloughi zu. Da krachte es auch schon, die Jacht war gerammt worden, und sie ware unweigerlich versenkt worden, hatte nicht eine Welle das Schiff noch rechtzeitig abgedreht. Wenige Minuten spater war der Dampfer in der Dunkelheit wieder verschwunden, keiner der Matrosen hatte die Jacht gesehen, keiner den Sto? auf eine Kollision mit einem anderen Schiff bezogen.

Als der Tag graute, starrten sie uber eine ode Wasserwuste. Tagsuber begegneten sie keinem weiteren Schiff. Die Hoffnung auf Rettung sank schnell. Wie lange sollte diese Fahrt in den sicheren Tod weitergehen? Wieder brach die Nacht herein. Man versuchte zwar, irgendwie zu manovrieren, aber man wu?te ja uberhaupt nicht, in welche Richtung man trieb. Um die schwereren Segel beizusetzen, fehlte den Kindern die Kraft. Sie mu?ten sich untatig dem Schicksal uberlassen. Unterstutzt von Moko, fuhrte Briant in dieser aussichtslosen Lage das Kommando, auch Doniphan blieb vorerst nichts anderes ubrig, als sich seinem Wort zu beugen. Briant schonte sich dabei keineswegs, Tag und Nacht hielt er mit dem Fernrohr Ausschau, er fertigte einige Notizen uber den Verbleib der Sloughi an und ubergab sie dem Meer als Flaschenpost, mehr war im Moment unmoglich. Inzwischen trieb der Westwind die Jacht immer weiter in den Stillen Ozean hinaus. Was sich weiter zutrug, wissen wir bereits.

In Auckland war das Verschwinden der Jacht noch in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar bemerkt worden. Kapitan Garnett wurde zwar sofort benachrichtigt, aber auch er konnte nur entsetzt mit den Achseln zucken. 2 kleine Dampfer wurden unverzuglich auf die Reise geschickt, um den Golf abzusuchen. Die ganze Nacht kreuzten sie in den Kustengewassern, danach kehrten sie allein zuruck. Die Sloughi blieb verschollen. Sie hatten nur einige Trummer aufgefischt, die nach der Kollision mit dem peruanischen Dampfer Quito abgesprengt worden waren, auf diesen Bruchstucken waren noch 3 bis 4 Buchstaben des Namens Sloughi deutlich zu lesen. Es bestand demnach in Auckland kein Zweifel daruber, da? die Jacht gesunken war.

4

 Die Kuste war verlassen, wie es Briant von der Raa des Fockmastes aus beobachtet hatte. Seit einer Stunde lag der Schoner nun schon am Ufer. Weder unter den am Uferrand wachsenden Baumen noch neben der Riomundung sah man Hauser, Hutten oder auch nur Zelte. Kein Eingeborener war zu sehen. Nicht einmal eine Fu?spur zeigte sich auf dem Sandstrand.

»Da waren wir also«, sagte Gordon, »immerhin etwas; ich wurde nur gerne wissen, wo wir sind!«

»Hauptsache, dieses Land ist nicht ganz unbewohnt«, erwiderte ihm Briant, »fur einige Zeit haben wir Vorrate und Munition. Was uns fehlt, ist ein anstandiges Dach uberm Kopf. Zumindest die Kleinen brauchen ein Obdach. Also, worauf warten wir?«

»Ja, du hast recht!«

»Wir werden noch genugend Zeit haben, um herauszufinden, wo wir gestrandet sind; zuerst mal etwas uber den Kopf, dann weitersehen, nicht wahr? Wenn es Festland ist, hatten wir ja einige Aussichten auf Rettung, ist es jedoch eine Insel . . . eine unbewohnte Insel . . . aber wir werden sehen. Gehen wir auf Entdeckungsreise, Gordon.«

Beide Jungen erreichten schnell den Waldrand, der sich schrag zwischen dem Steilufer und der rechten Rioseite 300 bis 400 Schritt stromaufwarts hinzog. Im Unterholz fand sich ebenfalls keine Spur, weder ein Durchhau noch ein ausgetretener Fu?pfad. Alte morsche Stamme lagen hie und da auf dem Boden, die beiden Jungen sanken bis ans Knie in den weichen Laubteppich ein.

In 10 Minuten hatten Briant und Gordon das Geholz durchschritten, dessen Dichte an der felsigen Ruckseite betrachtlich zunahm und zuletzt wie eine meterhohe Mauer aussah. Es ware fur die Schiffbruchigen gut gewesen, hatten sie an dieser wind-und seegeschutzten Mauerwand irgendeinen Uberhang oder eine Grotte gefunden, aber sie entdeckten nicht einmal einen begehbaren Einschnitt, durch den sie weiter ins Innere des Festlandes oder der Insel vordringen konnten. Man mu?te also wohl oder ubel um das ganze Steilufer herumwandern.

Etwa eine halbe Stunde gingen die Kinder langs des Strandes nach Suden, dann hatten sie das rechte Ufer des Rio erreicht, der in vielen kleinen Windungen ostwarts verlief. Wuchsen hier auf dieser Seite noch Baume und Graser, so zeigte die andere nur eine fahle Ebene ohne jede Bodenerhebung. Man glaubte, einen ungeheuren Sumpf vor sich zu sehen, der sich bis hin zum sudlichen Horizont ausdehnte. Enttauscht daruber, das Land nicht von der Hohe des Steilufers aus uberblickt zu haben, kehrten Briant und Gordon wieder zu ihren Kameraden zuruck. Doniphan und einige andere liefen auf den Felsen herum, wahrend sich Jenkins, Iverson, Dole und Costar mit dem Sammeln von Muscheln vergnugten. In einem Gesprach mit den Gro?eren erlauterten Briant und Gordon ihre Entdeckungen. Bevor diese Untersuchungen nicht weiter und erfolgreich ausgedehnt werden konnten, war es ratsam, den Schoner nicht zu verlassen. Dieser war zwar nicht mehr ganz heil, aber er konnte den Zoglingen durchaus noch als Wohnstatte dienen. Der Salon, die Kuche sowie die ubrigen Raume im hinteren Teil boten vorerst hinreichend Schutz gegen den Sturm.

Es war wirklich ein Gluck, da? die Springflut die Sloughi uber die Klippenbank hinweg auf den Strand geworfen hatte, wie hatten die Kinder sonst die Konserven, Waffen, Kleider und Gerate aller Art an Land schaffen sollen? Wenn der Schoner auch nicht wieder flottgemacht werden konnte, so war er doch immerhin bewohnbar geblieben, da sein Oberdeck allen Sturmen widerstanden hatte. Zwar wurde er unter der Sonnen- und Regeneinwirkung langsam aus den Fugen gehen, aber bis dahin hoffte man, eine Stadt oder ein Dorf aufgefunden zu haben, von wo aus Hilfe geholt werden konnte. Die Kinder richteten sich also an Bord der Sloughi ein. Die am Backbord befestigte Strickleiter diente als Treppenaufgang zur Jacht. Moko und Service tischten bald eine herzhafte Mahlzeit auf, die allen guttat. Die kleinsten verfielen rasch wieder in ihre gewohnte Heiterkeit, nur Jacques hielt sich zuruck. Die Veranderung seiner Verhaltensweise war unerklarlich, er selbst wich allen diesbezuglichen Fragen beharrlich aus. Stark ermudet nach so vielen Tagen und Nachten legten sich die Kinder schlafen. Briant, Gordon und Doniphan wollten sich auf Wache ablosen, um einen moglichen Uberfall von Eingeborenen oder einen Angriff wilder Tiere rechtzeitig abwehren zu konnen. Doch nichts geschah: die Nacht verlief ohne jede Storung und als die Sonne aufging, machten sich alle gestarkt wieder an die Arbeit.

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