Zuerst war es notig, sich Rechenschaft uber die noch unverdorbenen Vorrate zu geben und dann die Waffen, Instrumente, Gerate, Werkzeuge, Kleidungsstucke und so weiter aufzunehmen. Die Ernahrungsfrage schien am dringlichsten zu sein, da die Kuste vollig verlassen schien. Aber vielleicht konnte man durch Fischen und Jagen, falls es hier e?bares Wild geben sollte, die Vorrate auffrischen. Ein Uberschlag lie? erkennen, da?, abgesehen von dem in reichlichen Mengen vorhandenen Schiffszwieback, die Konserven, der Schinken, das Fleischbisquit, das Corned beef, Salzfleisch und die einzelnen Leckerbissen in Dosen nicht langer als 2 Monate ausreichen wurden, selbst wenn man ausgesprochen sparsam damit umging. Es empfahl sich also von selbst, sofort auch auf die Erzeugnisse der Natur zuruckzugreifen, um den Proviant zu schonen, besonders fur den Fall, da? es irgendwann einmal notwendig werden wurde, einige 100 km weiter landeinwarts zu ziehen, um eine Stadt zu erreichen.
»Ist nach unserer Strandung Meerwasser in den Schiffsrumpf eingedrungen?« fragte Baxter.
»Das werden wir erst merken, wenn wir die Kisten offnen, die beschadigt worden sind«, sagte Gordon. »Man mu?te die leicht verdorbenen Lebensmittel aufkochen, dann konnten wir sie namlich noch verwenden.«
»Wird gemacht!« sagte Moko.
»Dann los, denn wahrend der ersten Tage werden wir ohnehin gezwungen sein, unseren Vorrat anzubrechen.«
»Konnten wir nicht heute schon auf die Jagd gehen?« fragte Wilcox.
»Ja!. . .Ja!« riefen Dole und Costar.
»Warum nicht sofort fischen gehen. Wer will mit mir?« fragte Webb vorlaut.
»Ich . .. ich!« riefen die Kleinen.
»Aber nicht nur die Schnur baden, sondern vielleicht auch mal was ans Land ziehen.« »Wenn was anbei?t, gern!«
»Wir konnen Schaltiere furs Fruhstuck sammeln«, schlug Service vor.
»Moko, du wirst Jenkins, Dole, Costar und Iverson begleiten, damit nichts passiert«, sagte Gordon. »Gehst du nicht mit, Jacques?« fragte Briant seinen Bruder.
»Nein!«
Sobald die Kleinen sich entfernt hatten, machten sich die Gro?en an die Bestandsaufnahme. Doniphan, Cro?, Wilcox und Webb sichteten die Waffen, Kleider und Gerate, wahrend Briant, Garnett, Baxter und Service berechneten, was an Getranken, an Wein, Bier, Brandy, Whisky und Gin, die sich in 10 bis 30 Gallonen enthaltenden Fa?chen im unteren Raum befanden, noch vorhanden war. Gordon trug die Zahlen dann in sein Notizbuch ein. Zuerst stellte sich bei dieser Inventur heraus, da? noch eine vollstandige Ausstattung Segel und Takelwerk sowie Leinen, Seile und Taue an Bord waren; ware also die Jacht noch flott, so hatte man sie sehr schnell wieder segelklar machen konnen. Aber immerhin konnte man einiges als Netze oder Zeltplanen verwenden. Was die Waffen betrifft, so konnte Gordon folgendes in sein Notizbuch eintragen: 8 Zentralfeuer- Jagdgewehre, eine Entenflinte und 12 Revolver, dazu kamen 300 Patronen fur die Hinterlader, 2 Tonnen Pulver und eine gro?e Menge Blei, Schrot und Kugeln. Die Pulverkammer enthielt daneben noch gro?e Mengen Raketen, die man ausgezeichnet als Nachtsignale verwenden konnte, au?erdem etwa 30 Kartuschen und Projektile fur die beiden kleinen Bordkanonen, mit denen man sich unliebsame Gaste vom Leib halten konnte. Die Kisten und Koffer der Mannschaft enthielten so viele Kleidungsstucke, da? man sich bei Kalteeinbruchen gut vermummen konnte. Auch das Bettzeug war noch vollstandig erhalten. Von den Instrumenten war folgendes an Bord: 2 Aneroid- Barometer, 1 hundertteiliges WeingeistThermometer, 2 Schiffsuhren, mehrere Kupfertrompeten, 3 Fernrohre mit schwacherer und starkerer Vergro?erung, 1 Deckkompa? im Hauschen und 2 tragbare Gerate, 1 Sturmglas, welches Unwetter ankundigt, mehrere englische Flaggen und ein Exemplar jener Halketts-Boote, die sich zu einem Reisesack zusammenfugen lassen, mit denen man jedoch leicht einen Flu? oder See uberqueren kann. Die Werkzeuge waren ebenfalls fast vollstandig, vom Nahfaden uber die Schraube bis zu Feuerstahlen, alles war intakt. Dazu kamen Land- und Seekarten, Bucher, Papier, Schreibfedern etc. Im Geldschrank der Jacht fanden die Kinder zudem noch eine Summe von 500 Pfund in Goldstucken.
Einige Zeit konnte man also doch berechtigte Hoffnung haben, zu uberleben. Aber was, wenn sich eindeutig herausstellen sollte, da? sich die Kinder auf einer unbewohnten Insel befanden? Eine Reparatur der Jacht lag nicht mehr im Bereich des Moglichen, dazu waren die Kinder zu schwach ; auch der Gedanke an ein breites Flo? wurde Verworfen. Wie sollte man ohne fremde Hilfe uber den Stillen Ozean kommen?
Gegen Mittag kamen die Kleinen unter Mokos Fuhrung wieder zur
»3 bis 4 Flintenschusse genugen fur Dutzende von Tauben«, sagte Moko begeistert, »und die Nester heben wir einfach aus, das durfte mit Tauen und Hacken nicht sehr schwierig sein.«
»Einverstanden«, bemerkte Gordon, »vielleicht hat Doniphan Lust, schon morgen auf die Jagd zu gehen.«
»Mit Vergnugen. Webb, Gro?, Wilcox, ihr begleitet mich doch dabei?!«
»Na klar«, kam es wie aus einem Mund.
»Ich empfehle euch jedoch«, wendete Briant ein, »nicht gleich aus allen Lochern zu knallen, «wir durfen Pulver und Blei nicht unnutz vergeuden.«
»Schon gut«, murrte Doniphan, der solche Ermahnungen ha?te, »wir nehmen nicht zum erstenmal ein Gewehr in die Hand, deine Ratschlage sind also vollig uberflussig.«
Da meldete Moko, da? das Fruhstuck fertig sei. Alle kletterten an Bord der
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Insel oder Festland — das blieb die lebenswichtige Frage, mit der sich Briant, Gordon und Doniphan beschaftigten. Jedenfalls lag dieses Land nicht in der Tropenzone, das bewies seine Pflanzenwelt, die Eichen, Birken, Buchen, Fichten und Tannen, das zeigten die verschiedenen Steinbrecharten, die im mittleren Teil des Stillen Ozeans nicht vorkommen. Es schien sogar, als liege dieser Flecken naher am Sudpol als an Neuseeland, was auf einen sehr strengen Winter schlie?en lie?.
»Schon aus diesem Grund«, erklarte Gordon, »scheint es mir ratsam zu sein, da? wir uns nicht endgultig auf diesem Teil der Kuste ansiedeln.«
»Mein ich auch«, stimmte Doniphan zu, »doch wenn wir die schlechte Jahreszeit herankommen lassen, wird es zu spat sein, einen bewohnten Ort aufzusuchen.«
»Immer Geduld, lieber Doniphan«, sagte Briant, »jetzt ist erst Mitte Marz.«
»Ende April beginnt die Schlechtwetterzeit, und wenn man den Weg berucksichtigt, den wir zurucklegen mussen, um . . .«
»Vorausgesetzt, da? es uberhaupt einen Weg gibt.«
»Warum denn nicht!«
»Wenn es tatsachlich einen gibt«, mischte sich wieder Gordon ein, »wer sagt uns dann, wohin er fuhrt?«
»Ganz egal«, erwiderte Doniphan, »ich sehe nur das eine: wir mussen den Schoner vor Eintritt der Kalte und Regenzeit verlassen haben, deshalb ist es ganz witzlos, bei jedem Vorschlag gleich Schwierigkeiten zu wittern. Hauptsache, wir verschwinden hier rechtzeitig.«
»Sich uber Probleme klar sein, ist noch nie ein Fehler gewesen. Einfach in ein unbekanntes Land stolpern, ist narrisch.«
»Sehr einfach, die gleich Narren zu nennen, die nicht eurer Ansicht sind.«
Bevor es wieder zum Krach kam, trat Gordon vermittelnd dazwischen.
»Streitereien haben keinen Sinn. Um aus dieser Gefahr herauszukommen, mu? man sich miteinander verstandigen. Selbstverstandlich wurden wir alle sofort aufbrechen, wenn wir wu?ten, ob hier Menschen leben, die
