uns helfen. Ist das aber anzunehmen?«

»Was zum Teufel«, rief Doniphan hitziger, »wenn wir nach Suden, nach Norden und nach Osten wandern, mussen wir einmal ans Ziel gelangen.«

»Immer angenommen, wir befinden uns auf dem Festland«, setzte Briant hinzu.

»Davon mussen wir uns aber doch erst durch die Wanderungen uberzeugen!!«

»Ein logischer Zirkel, meine Herren Zoglinge!« scherzte Gordon, um die Gemuter einigerma?en zu beruhigen. Aber Doniphan war schon zu sehr erregt, um sich durch solche Geistreicheleien besanftigen zu lassen.

»Die Sloughi wird demnachst auseinanderfallen, sie kann dem schlechten Wetter nicht sehr lange standhalten.«

»Zugegeben, aber dennoch mussen wir wissen, wohin wir gehen.«

»Ich bin bereit, auf Kundschaft auszuziehen«, sagte da Briant.

»Ich auch«, fugte Doniphan an.

»Da wir die Kleinen auf so beschwerliche Unternehmungen nicht mitnehmen konnen, mussen 2 bis 3 genug sein.«

»Schade, da? hier kein Gipfel ist, von dem aus man Ausschau halten kann.«

»Ehe wir das Steilufer untersuchen, sollten wir erst die Gegend um den Rio durchforschen«, warf Gordon ein. »Gehen wir zum nordlichen Ende der Bai, von dort mu?ten wir weit sehen konnen«, uberlegte Briant.

»Daran dachte ich auch schon; jenes Kap mu? sogar das Steilufer uberragen.«

»Ich biete mich an, dorthin zu gehen«, sagte Briant.

»Wozu denn?« fragte Doniphan. »Was soll denn von dort aus zu sehen sein?«

»Aber versuchen kann man es doch immerhin!?«

Tatsachlich erhob sich am Ende der Bai eine Art Felshugel, der auf der einen Seite schroff zum Meer abfiel und auf der anderen in das lange Steilufer uberzugehen schien. Von der Sloughi aus war er etwa 9 km entfernt. Gordon schatzte seine Hohe auf 150 m. Reichte das aus, um einen Gro?teil des Hinterlandes ubersehen zu konnen?

Jedenfalls konnte man sehen, was jenseits des Vorgebirges lag und ob die Kuste sich nach Norden hin unbegrenzt fortsetzte. Es wurde also beschlossen, diesen Plan auszufuhren, obgleich Doniphan den Nutzen dieser Unternehmung nicht einsehen wollte. Gleichzeitig wurde bestimmt, die Sloughi nicht eher zu verlassen, als bis man mit Sicherheit wu?te, ob man an der Kuste eines Festlandes gescheitert war oder nicht. Und dieses Festland konnte dann nur Amerika sein.

Wahrend der 5 folgenden Tage konnte der geplante Ausflug nicht ausgefuhrt werden. Das Wetter war dunstig geworden, zuweilen nieselte ein feiner Regen herab. Doch deshalb waren diese Tage nicht verloren — man nutzte sie, um verschiedene Arbeiten zu erledigen, vor allem mu?ten die fur ausgewachsene Seeleute bestimmten Kleidungsstucke umgenaht werden, was Moko besorgte. Unter Fuhrung Garnetts oder Baxters zogen die Kleinsten dann und wann den Strand hinunter, um Muscheln zu sammeln oder mit Schnuren und Netzen im Rio zu angeln. Fur sie war es ein Heidenspa?, fur die anderen eine Mahlzeit mehr, ohne den Vorrat weiter zu dezimieren. Sie waren so beschaftigt, da? sie gar nicht uber den Ernst ihrer Lage nachdenken konnten, wahrscheinlich ging es ohnehin uber ihr Begriffsvermogen weit hinaus. Sie dachten zwar hin und wieder an ihre Eltern in Auckland, aber sie dachten nicht daran, da? sie sie moglicherweise uberhaupt nie mehr wiedersehen wurden. Gordon und Briant hatten sich ganz der Instandhaltung der Sloughi gewidmet, dabei half auch Service ein wenig mit. Er liebte Briant und mied die Gruppe um Doniphan, auch Briant empfand fur ihn eine ausgesprochene Zuneigung.

»Unsere Sloughi ist von einer Welle an den Strand geworfen worden, ohne allzusehr demoliert worden zu sein«, schwarmte Service. »Diesen Vorzug hatten weder Robinson Crusoe noch der Schweizer Robinson auf ihren erdichteten Inseln.«

Und Jacques Briant? Es schien, als plagten ihn irgendwelche Gewissensbisse. Manchmal half er seinem Bruder beim Ausbessern der Jacht, aber wenn man ihn nach seinen Sorgen fragte, gab er nur widerwillig und kurz Antwort. Briant bedruckte dieses unerklarliche Benehmen. Wie konnte man aus ihm etwas herausbekommen, was seinen Zustand erklarte? War vielleicht seine Gesundheit angegriffen? Auf jede diesbezugliche Frage antwortete Jacques schnell und entschieden mit Nein.

»Nein, nein, mir fehlt nichts, gar nichts!«

Vom 11. bis 15. Marz gingen Doniphan, Wilcox, Webb und Gro? regelma?ig auf Vogeljagd. Sie benahmen sich so auffallig solidarisch, da? es den andern klar wurde, wie sehr sie bemuht waren, zu zeigen, da? sie eine besondere Gruppe bildeten. Gordon sprach Doniphan einmal darauf an und versuchte ihm zu erklaren, da? es bitter notig sei, gerade in dieser fatalen Situation eine bruchlose Einheit zu sein, worauf Doniphan nur kalt lachelte. Die Jagd selbst war jeden Tag sehr erfolgreich, wenn auch Moko, der Kuchenchef, nicht mit allen Vogeln etwas anfangen konnte. So zahlten Seeraben, Mowen, Meerschwalben und Silbertaucher zur Ausschu?ware. In die Pfanne wanderten vor allem Felstauben, Ganse und Enten.

Langsam drangte es alle, das Vorgebirge zu besteigen, um endlich die Frage beantworten zu konnen, ob dieser Strand zu einem Festland oder zu einer Insel gehorte. Von der Antwort hing ja viel, sehr viel ab, vielleicht sogar alles, sie konnte uber Leben und Tod entscheiden. Am 15. Marz schien die Witterung gunstig fur die Besteigung. Die Dunstschleier waren uber Nacht verschwunden, die Sonne machte die Sicht klar. An sich hatten Briant und Gordon vorgehabt, dieses Unternehmen zu bestreiten, aber es war Gordon zu gefahrlich, seine Kameraden allein mit Doniphan zuruckzulassen. Am Abend des 15., als das Barometer auf Schonwetter zeigte, teilte Briant Gordon mit, da? er am Morgen des folgenden Tages aufbrechen werde. Ein Tag mu?te ihm genugen, um die Strecke von 13 km — Hin-und Ruckweg gerechnet — zu bewaltigen. Vor Einbruch der Nacht wollte er wieder zuruck sein. Briant brach also mit dem ersten Tagesgrauen auf, ohne da? die anderen Kinder etwas davon wu?ten. Er hatte nur einen Stock und einen Revolver bei sich, zur Erleichterung der Sicht besa? er au?erdem ein Fernrohr. Briant folgte zuerst der Kustenlinie. Je mehr sich das Steilufer der Klippenbank naherte, um so beschwerlicher wurde das Marschieren, der Sandstreifen wurde zusehends schmaler und die Brandung brach wuchtig herein. Briant mu?te jetzt uber nasse Felsblocke und schlupfrige See-Eichen gehen, um Seelachen herumwandern und uber loses Gestein balancieren, was ihn 2 volle Stunden mehr kostete.

»Ich mu? das Kap vor Wiedereintritt des Hochwassers erreichen!«

Dieser Teil des Landes wurde von der Flut jedesmal vollig uberschwemmt. Briant versuchte also, den kurzesten Weg einzuschlagen, zuweilen mu?te er Stiefel und Strumpfe ausziehen und durch kniehohes Wasser waten, zudem waren die Klippenwanderungen hochst gefahrlich, denn leicht konnte sich ein Fels losen und ihn mit ins Meer sturzen. An verschiedenen Stellen der Bai sah er Pelzrobben, die nicht die geringste Furcht zeigten. Das bewies, da? seit Jahren keine Jagd mehr auf sie gemacht worden war und also keine Fischer hierherkamen. Au?erdem mu?te diese Kuste in noch hoherer Breite liegen, als er zuerst vermutet hatte, in jedem Fall sudlicher als Neuseeland. Der Schoner war also bei seiner Irrfahrt uber den Stillen Ozean betrachtlich nach Sudosten abgetrieben. Es war schon 10 Uhr morgens, ein Beweis, wieviel Zeit Briant fur die letzten paar Kilometer gebraucht hatte; erschopft und ausgehungert, hielt er es fur das beste, sich erst einmal mit Fleisch und Wasser zu starken, bevor er die Besteigung des hohen Vorgebirges in Angriff nahm. Allein und von seinen Kameraden weit entfernt, versuchte er sich uber die Lage der kleinen Gesellschaft klarzuwerden. Vor allem Doniphans Benehmen machte ihm Sorgen. Eine Spaltung der Gruppe mu?te die schwersten Folgen fur alle Schiffbruchigen haben, das wu?te er. Dann dachte er an seinen Bruder, der ihm irgend etwas verheimlichte; er wollte so lange in ihn dringen, bis er ihm seinen Kummer gestand.

Briant dehnte seine Ruhepause ungefahr eine Stunde aus, um wieder richtig zu Kraften zu kommen, dann packte er seine Sachen zusammen und ging weiter. Er beobachtete, da? eine enge Schlucht das Vorgebirge vom Steilufer trennte; auf der anderen Seite erstreckte sich das Vorland uber Sehweite nach Norden hinaus. Die Ersteigung war ziemlich beschwerlich, Briant mu?te von einem Fels zum anderen springen, ware er nicht ein so vorzuglicher Kletterer gewesen, hatte er sicherlich wieder umkehren mussen, denn oft genug konnte er nur mit Muhe die obere Kante einiger Felsbrocken erklimmen. Endlich aber war er oben angelangt. Mit dem Fernrohr schaute er nach Osten. Diese Gegend war vollig flach, das Steilufer war bisher die gro?te Erhebung dieses Landes. Uberall sah man Walder. Es hatte nicht gerade den Anschein, als begrenzte das Meer an dieser Seite das Land. Die Frage, ob Festland oder Insel, mu?te also immer noch unbeantwortet bleiben; dazu war eine weitere langere Reise nach Osten notwendig. Nach Norden zu erkannte Briant kein Ende des Vorlandes, nach Suden zu und hinter dem anderen Vorgebirge, das sich dort am Ende der Bai erhob, verlief die Kuste von Nordosten nach Sudwesten

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