Briant konnte sich des Lachens nicht erwehren; die Szene war nicht gefahrlich, sondern umwerfend komisch. Es war nur wichtig, das Tier zu fangen. Der Revolver, den Gordon und Briant vom Schoner mitgenommen hatten, war unnutz, denn so ein Ruckenpanzer vertragt eine Kugel ohne jeden Schaden.
»Es gibt nur ein Mittel«, sagte Gordon, »wir mussen sie auf den Rucken drehen.«
»Aber wie?« fragte Service. »Das Vieh hat mindestens 300 Pfund.«
»Einen Spaten!« rief Briant.
Die Schildkrote war jetzt nur noch 30 Schritte vom Meer entfernt. Gordon holte Costar herunter, der noch immer auf dem Tier ritt; dann packten sie alle am Strick und zerrten aus Leibeskraften ruckwarts. Das Tier war starker. Glucklicherweise kamen Briant und Moko rechtzeitig mit dem Spaten an, mit Hilfe des Hebelarms konnte man sie ohne Anstrengung auf den Rucken wenden. Bevor sie den Kopf einziehen konnte, traf Briant mit einem gezielten Axthieb und totete sie.
»Kann man sie denn wenigstens essen?«
»Schildkroten schmecken vorzuglich«, belehrte Moko die Kinder. Das Tier war zu schwer, um es ganz zur Jacht zuruckzuschaffen, man mu?te es also an Ort und Stelle ausnehmen. Das war eine widerwartige Arbeit. Mit Hilfe des Mei?els sprengte man den Panzer auf, holte das Fleisch heraus und schnitt es in Stucke. Noch am gleichen Abend konnten sich alle davon uberzeugen, wie gut Schildkrotenbouillon schmeckt, ganz zu schweigen von den gerosteten Fleischhappen, die Moko auf gluhenden Kohlen gegrillt hatte. Auch Phann bekam ein paar Fleischreste ab.
Am 1. April zeigte das Barometer an, da? das Wetter in den nachsten Tagen umschlagen wurde. Der Wind schwachte sich ab, die Regenwolken losten sich langsam auf. Die Gro?en begannen bereits mit den Vorbereitungen fur jenen Ausflug, dessen Bedeutung keinem gleichgultig war.
»Ich denke, wir konnen schon morgen fruh losgehen«, schlug Doniphan vor.
»Gut«, sagte Briant.
»Der Ausflug wird ja wohl nicht langer als 24 Stunden dauern, oder?« fragte Gordon.
»Kaum, wenn es uns moglich ist, direkt nach Osten vorzusto?en; hoffentlich finden wir einen Weg durch die Walder.«
»Keine Schwierigkeit«, brummte Doniphan. »Aber es konnen auch Sumpfe oder Flusse oder was wei? ich da sein, die uns aufhalten; in jedem Fall brauchen wir genugend Proviant.«
»Und Munition!« erganzte Wilcox.
»Klar. Gordon, du mu?t dich nicht angstigen, wenn wir am Abend noch nicht zuruck sind.«
»Uberzeugt euch nicht nur, ob das im Osten vermutete Wasser das Meer ist, sondern erkundet auch das Land jenseits des Steilufers moglichst genau. Denkt daran, da? wir bald eine Grotte oder etwas Ahnliches finden mussen.«
»Wird gemacht«, sagte Briant zu Gordon.
»Das ist ja nur dringend, Wenn wir auf einer Insel sind, nicht aber, wenn wir auf dem Festland sitzen«, beharrte Doniphan auf seinem alten Streitpunkt.
Die Vorbereitungen waren schnell beendet. Fur 4 Tage Lebensmittel, in Sacken verstaut, die man bequem am Gurt tragen konnte, 4 Flinten, 4 Revolver, 2 kleine Axte, einen Taschenkompa?, ein gutes Fernrohr, um das Land im Umkreis von etwa 6 km genau absuchen zu konnen, dann Reisedecken, Lunten und Feuerstahl, Streichholzer und andere Kleinigkeiten.
Gordon nahm kurz vor Aufbruch Briant noch einmal zur Seite und beschwor ihn, jeder Auseinandersetzung mit Doniphan aus dem Wege zu gehen.
7
Briant, Doniphan, Wilcox und Service hatten das Lager der
»Beeilen wir uns«, sagte Briant.
»Bah«, erwiderte Wilcox, »wenn schon, da werden uns doch nur die Knochel na?!«
»Die Knochel, dann die Brust und schlie?lich die Ohren«, antwortete Briant ruhig. »Das Meer steigt hier gewaltig an, vielleicht ware es doch besser gewesen, gerade auf das Vorgebirge loszugehen.«
»Das hattest du auch fruher sagen konnen«, murrte Doniphan. »Du dienst uns hier als Fuhrer, und wenn es eine Verzogerung gibt, bist du allein verantwortlich.«
»Ja, schon recht! — Wo ist denn Service eigentlich?«
»Service!!... Service!!«
Der Junge war nicht mehr da; nachdem er sich mit Phann entfernt hatte, war er hinter einem Felsvorsprung des Steilufers verschwunden. Da bellte plotzlich Phann, dazwischen horte man die Rufe von Service.
Briant, Doniphan und Wilcox rannten schnell zuruck. Durch immer wieder einsickerndes Wasser war die Kalkmasse an der Wand rissig geworden und hatte sich zu einem gefahrlichen Halbtrichter umgebildet. Service hing am Rand einer kegelformigen Schlucht und getraute sich keine Bewegung zu machen, aus Furcht abzusturzen. Doniphan schwang sich zuerst auf die umliegenden Blocke.
»Warte!« rief Briant.
Doch Doniphan reagierte nicht darauf, ihn spornte seine Eigenliebe an, schon bald hatte er die Halfte der Schlucht erklettert. Seine Kameraden folgten ihm, mieden aber die Stellen unter ihm, um nicht von abbrockelndem Gestein erschlagen zu werden; dadurch kamen sie naturlich viel langsamer voran als der oben kletternde Doniphan. Er nahm Service an der Hand und kletterte mit ihm schlie?lich ganz nach oben. Die anderen kamen nach. Doniphan hatte schon sein Fernrohr aus dem Etui gezogen und richtete es nach der Oberflache der Waldungen, die sich im Osten hinziehen. Hier bot sich ihm das gleiche Rundgemalde von Himmel und Wald, das auch schon Briant von dieser Hohe aus beobachtete; allerdings uberragte diese Stelle das Steilufer um einiges. »Nun«, fragte Wilcox, »siehst du was?«
»Nichts, uberhaupt nichts!«
»La? mich mal durchschauen!«
Doniphan reichte Wilcox das Fernrohr, in seinem Gesicht spiegelte sich deutlich die Befriedigung gegenuber Briant. »Nichts, keine Wasserlinie zu sehen«, bestatigte Wilcox Doniphans Behauptung.
»Briant«, heuchelte Doniphan, »sieh doch mal hindurch, du wirst deinen Irrtum dann erkennen . . .«
»Umsonst, mein Lieber, ich habe mich nicht getauscht, ich bin ganz sicher.«
»Ein starkes Stuck!«
»Ihr konnt beide nichts erkennen, weil unser Platz niedriger ist als das Vorgebirge, dadurch verkurzt sich die Sehweite erheblich. Stunden wir dort, wo ich neulich stand, wurdet ihr die blauliche Wasserlinie unschwer erkennen.«
»Leicht gesagt!«
»Und ebenso leicht bewiesen«, erganzte Briant gelassen. »Gehen wir uber die Hochflache des Steilufers und anschlie?end durch die Walder, dann erreichen wir die Stelle ...«
»Das konnte uns sehr weit abfuhren. Wer wei?, ob sich die Muhe uberhaupt lohnt?« sagte Doniphan.
»Dann bleib eben hier«, erwiderte Briant ruhig, denn er wollte mit Doniphan, Gordon zuliebe, keinen Streit anfangen, »ich gehe mit Service allein weiter.«
»Kommt nicht in Frage«, warf da Wilcox ein.
»Doniphan, auf, wir gehen mit.«
»Aber erst nach dem Fruhstuck«, schlug Service vor. Die Knaben starkten sich mit einem Imbi? und zogen
