eine erbarmliche Lagerstatte mit einer vollig zerrissenen Wolldecke daruber. Verhullte die Decke den Leichnam des Hohlenbewohners?
Briant uberwand seinen Widerwillen und ri? sie herunter; aber das Lager war leer.
Kurz darauf waren wieder alle 4 Kinder bei Phann, der noch immer vor der Hohle auf und ab lief und bellte. 20 Schritte weiter, unten am Rio, blieben sie plotzlich wie gebannt stehen.
Auf dem Boden, zwischen den Wurzeln einer Buche, lagen Reste eines menschlichen Skeletts.
9
Briant, Doniphan, Wilcox und Service standen regungslos und tief erschuttert da. Wer war dieser Mann gewesen, der hier vollig entkraftet oder vielleicht durch Krankheit geschwacht den Tod gefunden hatte? War er wie sie ein Schiffbruchiger, der bis zuletzt auf fremde Hilfe gehofft hatte? Welcher Nation gehorte er an? Wie lange mag er wohl in dieser Gegend gelebt haben? War er der einzige Tote, oder lagen irgendwo anders noch weitere Skelette? Hatten Kameraden von ihm uberlebt, und wohnten sie noch auf diesem Festland, auf dieser Insel? Waren die Gegenstande in der Hohle Uberreste eines Schiffes, oder hatte er sie mit eigener Hand hergestellt?
Wurde es auf all diese Fragen jemals eine Antwort geben? Etwas bereitete den Kindern besonderes Kopfzerbrechen. Warum hatte dieser Mann nicht eine Stadt im Innern des Landes - oder einen Hafen an der Kuste aufgesucht? Was hinderte ihn .daran? War die Entfernung zu gro?? Jedenfalls war es notwendig, die Hohle genauer zu untersuchen, vielleicht fand man ein Schriftstuck, das uber den Mann, sein Alter und seine Herkunft Aufschlu? gab. Au?erdem mu?te man auskundschaften, ob diese Hohle fur einen Aufenthalt aller Kinder geeignet war.
»Kommt mit!« sagte Briant.
Im Schein eines neuen Fichtenzweiges drangen die 4 Kinder und Phann in die Hohle ein. Der erste Gegenstand, der ihnen in die Augen fiel, war ein Paket dicker, aus Fett und zerfasertem Hanf gedrehter Kerzen. Briant zundete sofort eine davon an, um den Raum besser zu erhellen. Die Hohle bestand aus einer geraumigen, wahrscheinlich schon seit Urzeiten gebildeten Ausweitung des Kalkfelsens; sie war nirgendwo feucht, obwohl zum Uferland hin eine Offnung war, durch die Frischluft eindringen konnte. Ihre Lage war windgeschutzt, Tageslicht drang kaum ein, aber diesem Ubel konnte man vielleicht durch Bohrung einiger Offnungen abhelfen. Sie war 7,5 m breit und 9 m lang, also nicht gerade sehr umfangreich fur all die Kinder; aber es handelte sich ja ohnehin nur darum, 5 bis 6 Wintermonate darin zuzubringen, danach wollte man nach Nordosten ziehen, um eine Stadt in Bolivien oder Argentinien aufzusuchen. Vielleicht gelang es auch, die Hohle etwas weiter auszubuchten, wenn dies der Kalkstein zulie?. Die Kinder fanden nur wenige Gegenstande; der Schiffbruchige mu?te stark gelitten haben, denn von dem Schiff war nur wenig ubriggeblieben, viel weniger als von der an sich noch guten
»Was ist denn das?« rief plotzlich Wilcox.
»Ja, das hier?« fragte auch Service.
»Ein Kugelspiel?!« sagte Briant verwundert. Er erkannte jedoch sofort, welchem Zweck die 2 runden Steine, die an einem Strick befestigt waren, gedient haben mu?ten. Sie bildeten ein Jagdgerat, sogenannte »Bolas«, womit man Tiere einfangen kann.
»Hier ist noch etwas!«
Am Kopfende des Lagers, unter einer Falte der von Briant zuruckgeschlagenen Decke, fand Wilcox eine Uhr, welche an einem in der Wand eingeschlagenen Nagel hing. Die Uhr war ein teures Fabrikat.
»Die Stunde ... seht nach, welche Stunde sie anzeigt!« rief Service aufgeregt.
»Das bringt uns auch nicht viel weiter«, sagte Briant, »auf jeden Fall ist die Uhr schon mehrere Tage vor dem Tod dieses Unglucklichen stehengeblieben.«
Briant offnete langsam den Uhrendeckel, dessen Gelenk stark oxydiert war.
»3.27 Uhr!«
»Pa? auf«, sagte Doniphan, »jede Uhr tragt doch einen Namen, moglicherweise hilft uns das weiter.«
Nachdem er das Innere des Deckels abgesucht hatte, entdeckte er einige eingravierte Worte.
»Delpeuch/Saint Malo.«
»Ein Franzose, ein Landsmann von mir!« rief Briant erregt. Da entdeckte Doniphan auf dem Erdboden ein Schreibheft, dessen bereits vergilbte Blatter mit Bleistift beschriftet waren. Der gro?te Teil der Aufzeichnungen war zwar unleserlich, aber einige Worte, darunter der Name Frangois Baudoin, lie?en sich dennoch entziffern. Das stimmte mit den in den Baum geschnitzten Initialen uberein. Dieses Heft war also das Tagebuch seines Lebens, vor allem seines Lebens nach dem Schiffbruch, an dem niemand mehr zweifeln konnte, gewesen. Briant las noch die Worte
»Eine Karte!«
»Sogar von Frangois Baudoin selbst angefertigt!«
»Wenn dem so ist, dann kann dieser Mann kein gewohnlicher Matrose gewesen sein«, bemerkte Wilcox richtig.
»Wahrscheinlich war er einer der Offiziere der
Es war eine Karte dieses Landes. Auf den ersten Blick erkannte man den Klippengurtel der Sloughi- Bai, den See und die 3 Inseln drau?en im Meer. Das Land war ganz von Wasser umschlossen. Also kein Festland. Damit fielen alle Hoffnungen, alle Plane, nach Osten zu wandern, um Hilfe zu holen, flach. Briant hatte gegen Doniphan doch recht behalten. Das Meer umrahmte von allen Seiten das Land, deshalb hatte auch Frangois Baudoin von hier nicht mehr weggekonnt. Die Kinder befanden sich auf einer Insel. Auf der Karte war zu erkennen, da? die allgemeinen Umrisse der Insel mit ziemlicher Genauigkeit wiedergegeben waren. Die Langenma?e konnten naturlich nur durch Schatzung gewonnen worden sein, vielleicht nach der zum Gehen benotigten Zeit und nicht durch die sonst ubliche Triangulation. Das bewies ferner, da? der Tote die ganze Insel durchwandert haben mu?te, was dann auch die Ajoupa und den Plattensteg uber den Creek erklarte. Die Insel sah, laut Karte, folgenderma?en aus: Sie dehnte sich lang aus und ahnelte einem gro?en Schmetterling. Im mittleren Teil, zwischen der Sloughi-Bai und einer im Osten ziemlich tief einschneidenden anderen, verhaltnisma?ig schmalen Bai, bildete sie nach Suden hin noch eine dritte. Umrahmt von dichtem Wald dehnte sich der See in einer Lange von 27 km und in einer Breite von 7,5 km aus, und das erklarte auch, warum die 4 Kinder das nordliche, sudliche und ostliche Ufer nicht hatten erkennen konnen. Mehrere Rios flossen vom See ab, und derjenige, welcher direkt vor der Hohle vorbeiflo?, mundete ganz nahe der Sloughi-Bai ins Meer. Die einzige bedeutende Hohe der Insel schien das Steilufer zu sein, das sich in schrager Richtung vom Vorgebirge im Norden der Bai bis zum rechten Rioufer hinzog. Den nordlichen Teil des Landes bezeichnete die Karte als durr und sandig, wahrend sich auf der anderen Rioseite ein ausgedehnter Sumpf befand, der sich nach Suden hin zuspitzte. Im Nordosten und Sudosten lagen lange Dunenlinien.
Nach dem am Rande der Karte verzeichneten Ma?stab betrug die gro?te Lange dieser Insel 75 km von
