nach einer halben Stunde weiter.

Zuerst ging es schnell vorwarts; der Boden zeigte nur kleine steinige, mit Moos und Flechten uberdeckte Erhebungen, hie und da wuchsen baumartige Lycopoden, etwas Heidekraut, Berberitzenstraucher, Stechpalmen mit stacheligen fleischigen Blattern. Im Wald selbst war das Marschieren wegen der uppig wuchernden Pflanzen und des hohen Grases weit beschwerlicher; umgesturzte Baume lagen im Weg, manchmal war das Unterholz so dicht, da? man sich mit der Axt den Weg freischlagen mu?te. Es schien wirklich so, als sei hier noch keine Menschenseele gewesen, nur ab und zu huschten einige Tiere voruber, ohne da? man bei ihrer Geschwindigkeit hatte sagen konnen, um welche Gattung es sich handelte. Doniphan zuckte jedesmal die Hand am Revolver, aber er blieb dann doch vernunftig, denn kein Schu? sollte ihre Gegenwart in diesem kleinen Dschungel verraten. Uferschwalben, Rebhuhner, sogenannte Tinamus, Wildganse und Kraniche gab es hier in rauhen Mengen; fur den Fall eines langeren Aufenthaltes in dieser Gegend wurde es also an Nahrungsmitteln aus der Luft nicht fehlen.

Es war 14 Uhr, als die Kinder an einer ganz schmalen, von einem seichten Rio durchflossenen Lichtung anhielten. Uber ein schwarzliches Felsenbett stromte vollkommen klares Wasser, die Quelle dieses Creek konnte demnach nicht weit sein. An einer Stelle des Wasserlaufs schienen flache Steine so angeordnet zu sein, da? sie den Ubergang erleichterten.

»Das sieht ja merkwurdig aus«, sagte Doniphan. »Man konnte es fur eine Brucke halten«, uberlegte Service, der auch gleich versuchte, auf die Steine zu treten.

»Halt!« rief da Briant. »Wir mussen die Sache erst genau untersuchen.«

»Der Zufall kann die Steine niemals so exakt aneinandergesetzt haben«, sagte Wilcox.

»Nein, mir scheint, da hat jemand einen gangbaren Weg uber den Flu? bauen wollen.«

Man prufte nun sorgfaltig diesen Steg aus Steinplatten. War er von einem Menschen errichtet worden? Dann war diese Gegend also doch bewohnt? Aber es war naturlich genauso moglich, da? die Stromung zur Zeit des Hochwassers die Platten hier nach und nach angeschwemmt hatte. Dafur sprach auch, da? man weder links noch rechts des Rio irgendwelche Spuren von Menschen entdecken konnte. Der Creek stromte nach Nordosten, also nach der der Bai entgegengesetzten Seite. Mundete er in jenes Meer, das Briant vom Gipfel des Vorgebirges aus gesehen haben wollte?

»Vielleicht ist dieser Rio nur ein Nebenarm von einem gro?eren Flu?, der nach Westen flie?t«, sagte Doniphan. »Das werden wir bald sehen«, antwortete Briant. »Solange er allerdings direkt nach Osten verlauft, sollten wir ihm nachgehen.«

Die 4 Kinder brachen wieder auf, nachdem sie den Creek mit Hilfe der angesammelten Steinplatten uberschritten hatten. Machte der Flu? zuweilen auch gro?ere Windungen, so zeigte der Kompa? doch eindeutig Richtung Osten. Die Mundung mu?te von hier aus jedoch noch ziemlich weit entfernt sein, denn weder die Stromung noch die Breite des Flu?bettes nahmen zu. Gegen 17.30 Uhr mu?ten Briant und die anderen zu ihrem Leidwesen erkennen, da? der Lauf des Creek sich nach Norden richtete; wollte man ihm weiterfolgen, so wurden sie in eine ihrem Ziel nicht entsprechende Richtung gefuhrt werden. Man beschlo?, abzubiegen und durch die dicht stehenden Birken und Buchen direkt nach Osten zu wandern. Aber dieser Weg war schwierig, oft uberragte das wuchernde Gras ihre Kopfe, man mu?te immer wieder rufen und pfeifen, um beieinander zu bleiben. Da nach eintagiger Wanderung noch nichts das vermutete Meer verriet, wurde auch Briant langsam ungeduldig. War er doch das Opfer einer Spiegelung gewesen?

»Nein, das ist nicht moglich, ich habe mich nicht getauscht, ich habe deutlich Wasser wahrgenommen«, versuchte er sich zu beruhigen. Wie dem auch sei, jedenfalls war gegen 19 Uhr die Waldgrenze noch immer nicht erreicht, und die hereingebrochene Nacht machte ein Weitergehen unmoglich. Briant und Doniphan beschlossen anzuhalten, um die Nacht unter dem Schutz einiger Baume zu verbringen. In Decken gehullt, wurde man von der Kalte nichts merken, au?erdem konnte man auch ein Feuer machen.

»Wir machen besser kein Feuer«, uberlegte Briant, »das konnte etwaige Eingeborene herbeilocken, und das konnte vielleicht unangenehm werden, man wei? ja nie!«

»Bleiben wir vorerst besser unentdeckt«, stimmte Doniphan zu.

Nach einem relativ reichlichen Abendessen legten sich die Kinder unter einem von Service entdeckten Dickicht schlafen. Ein-oder zweimal schlug Phann an, offenbar streiften irgendwelche Raubtiere durch den Wald, aber sie kamen nicht heran.

Gegen 7 Uhr erwachten Briant und seine Kameraden. Service kroch zuerst aus dem Dickicht hervor, plotzlich schrie er auf.

»Briant. . . Doniphan . . . Wilcox! Kommt schnell!«

»Was ist denn los?«

»Service erschreckt uns immer wieder durch sein Aufschreien«, sagte Wilcox.

»Schon gut«, antwortete Service, »aber schaut doch mal, wo wir heute nacht geschlafen haben!«

Das Dickicht war eine Blatterhutte, von den Indianern »Ajoupa« genannt; sie mu?te schon vor langer Zeit errichtet worden sein, denn sie hielt nur noch zusammen, weil sie an einen Baum gelehnt war.

»Hier gibt es also doch Menschen?« fragte Doniphan und drehte sich im Kreise.

»Ja, oder es hat einmal solche gegeben«, antwortete Briant, »denn diese Hutte baut sich nicht von allein auf.«

»Dann erklart sich auch der Plattenweg uber den Rio«, sagte Wilcox.

»Wunderbar!« rief Service. »Hier leben also brave Leute, die uns sicher helfen werden, wenn wir sie erst einmal gefunden haben.«

Allerdings war es sehr ungewi?, ob es sich bei diesen Eingeborenen wirklich um brave Leute handeln wurde; es mu?ten, falls diese Gegend zu einem Festland gehoren sollte, Indianer sein, oder, im anderen Fall, Polynesier und moglicherweise sogar Kannibalen. Die Entdeckung des Plattenstegs und jetzt dieser Blatterhutte war deshalb nicht ausschlie?lich ein Anla? zur Freude.

Briant wollte schon wieder aufbrechen, als Doniphan vorschlug, jene Hutte eingehender zu untersuchen; vielleicht fande man Gegenstande. Das auf dem Boden ausgestreute Laub wurde sorgfaltig weggeraumt und in einer der Ecken fand Service tatsachlich eine Scherbe eines Tonnapfes oder einer Bauchflasche, das bewies aufs neue menschliche Arbeit, aber dieser Fund beantwortete keine der ungelosten Fragen. Man mu?te den Marsch also fortsetzen.

Endlich, gegen 1 0 Uhr, horte der Wald auf, vor den Kindern breitete sich eine mit Mastyxbuschen, Thymian und Heidekraut bedeckte Ebene aus. 1 km weiter im Osten lag die von Briant entdeckte Wasserlinie, die sich bis zum Horizont ausdehnte. Es war keinerlei Zweifel mehr moglich. Doniphan schwieg, man spurte, wie er sich argerte, da? sich Briant nicht getauscht hatte. Im Norden bog die von den Sonnenstrahlen erleuchtete Kuste etwas nach links ab. Jetzt war klar, da? es sich um eine Insel handelte. Was das im einzelnen bedeutete, wagte keines der 4 Kinder sich auszudenken. Auf der Wasserflache konnte man kein weiteres Land erkennen, diese Insel mu?te ganz verloren und allein im Stillen Ozean liegen. Nachdem Briant, Doniphan, Wilcox und Service die Strecke bis zum Strand hin zuruckgelegt hatten, machten sie halt. Hier wollten sie ihr Fruhstuck zu sich nehmen und dann so schnell wie moglich wieder zu ihren Kameraden auf der Sloughi heimkehren. Wahrend dieser Pause sprach keiner ein Wort. Endlich packte Doniphan Rucksack und Flinte und sagte nur: »La?t uns aufbrechen!«

Sie schauten alle noch einmal uber die endlose Weite des vor ihnen liegenden Meeres, das unermudlich und schwer heranbrandete. Plotzlich sprang Phann zum Wasser hinunter.

»Phann! Phann!« rief Service.

In gro?en Satzen sprang Phann weiter, ohne auf die Worte seines Herrn zu horen.

»Er trinkt. Schaut euch das an, er trinkt!« rief Doniphan. Er lief zum Wasser hinunter und kostete einige Tropfen. Es schmeckte nicht salzig.

»Dieses Meer ist nur ein Binnensee!«

8

 Insel oder Festland?

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