Wahrend ich Platz nahm, klopfte er auf den vor ihm liegenden Brief.
»Nach diesem Schreiben hier sind Sie der richtige Mann fur mich, und ich brauche mich nicht weiter umzusehen. Sagen Sie, sind Sie mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten vertraut?« Ich erwiderte, da? ich glaubte, seinen diesbezuglichen Anforderungen entsprechen zu konnen.
»Sagen Sie mir zum Beispiel, falls ich eine Party fur Herzoge, Grafen, Barone und dergleichen auf meinem Landsitz veranstalten wurde, waren Sie in der Lage, diese nach der Rangordnung beim Dinner zu placieren?«
»Selbstverstandlich, ohne irgendwelche Schwierigkeiten«, antwortete ich lachelnd.
Wir erorterten noch einige Formalitaten, und dann konnte ich mich als engagiert betrachten. Was Mr. Ryland wunschte, war ein Privatsekretar, der vertraut sein mu?te mit den Gepflogenheiten der englischen Gesellschaft, au?erdem hatte er noch einen Sekretar und eine Korrespondentin. Zwei Tage spater fuhr ich hinaus nach »
Ich halte seit dieser Zeit nicht mehr sehr viel von dem beliebten Monsieur Hercule Poirot!«
Ich fand in Augenblicken wie diesem meinen Backenbart sehr angebracht! Und dann erzahlte mir Miss Martin eines Tages eine ziemlich seltsame Geschichte. Ryland war fur einen Tag abwesend, er war nach London gefahren und hatte Mr. Appleby mitgenommen.
Miss Martin und ich gingen nach dem Tee zusammen im Garten spazieren. Ich mochte das Madchen sehr gern, sie war so naturlich und unbefangen, und ich merkte, da? sie bedruckt schien. Nach einigem Zogern kam es heraus. »Wissen Sie, Major Neville«, sagte sie, »ich denke tatsachlich daran, meinen Posten aufzugeben.«
Ich sah sie mit leichtem Erstaunen an, und sie fuhr eilig fort: »Oh, einesteils wei? ich, da? ich eine gutbezahlte Stellung habe; die meisten Leute wurden vielleicht sagen, ich sei furchtbar toricht, dies nicht einzusehen. Ich kann jedoch keine Ausfalligkeiten vertragen, Major Neville. Beschimpft zu werden wie ein Rekrut ist mehr, als ich ertragen kann. Kein Gentleman tut so etwas.«
»Hat Ryland Sie denn beschimpft?« Sie nickte.
»Er ist naturlich immer sehr erregt und ungeduldig. Das lie?e sich noch aushalten, denn es gehort nun einmal zur taglichen Arbeit. Jedoch so ganzlich aus der Rolle zu fallen - und dazu ganz ohne Grund! Er hat mich wirklich so angesehen, als wenn er mich toten wollte. Und, wie ich bereits sagte, ganz grundlos.«
»Erzahlen Sie mir doch bitte mehr daruber«, bat ich au?erst interessiert.
»Wie Sie wissen, offne ich alle Briefe mit Rylands Anschrift. Einige davon ubergebe ich sofort Mr. Appleby, andere erledige ich gleich selbst, aber ich mu? sie vorher sorgfaltig durchsehen. Nun gibt es gewisse Briefe, und zwar solche auf blauem Papier, die mit einer kleinen Vier in der Ecke bezeichnet sind -Verzeihung, sagten Sie etwas?« Ich war im Moment nicht in der Lage gewesen, einen leisen Ausruf zu unterdrucken, jedoch schuttelte ich eifrig meinen Kopf und bat sie fortzufahren.
»Ich wu?te zu gern, was der Brief enthalten hatte, da? er sich derart vergessen konnte.«
»Absolut gar nichts - das ist namlich das Seltsamste daran. Ich hatte ihn gelesen, bevor ich meinen Irrtum entdeckte. Er war nur ganz kurz gehalten. Ich kann mich noch Wort fur Wort daran erinnern, und nichts war darin gestanden, da? jemand so au?er sich geraten konnte.«
»Sie konnen es wortlich wiederholen, sagten Sie?« ermunterte ich sie.
Sie uberlegte eine Weile und wiederholte sodann langsam, wahrend ich mir die Worte einpragte, folgendes:
Miss Martin fuhr fort:
»Augenscheinlich dachte Mr. Ryland daran, irgendein Gut kauflich zu erwerben. Ich habe meinerseits das Gefuhl, da? ein Mann, der uber solch eine Kleinigkeit derart in Wut gerat, als gefahrlich bezeichnet werden kann. Was denken Sie, da? ich tun soll, Major Neville? Sie haben doch auf jeden Fall mehr Welterfahrung als ich.«
Ich beschwichtigte das Madchen, so gut ich es vermochte, und erklarte ihr, da? Mr. Ryland wahrscheinlich an der bei den Amerikanern so verbreiteten schlechten Verdauung leide. Als sie mich dann spater verlie?, schien sie wieder ganz beruhigt zu sein. Aber ich war nicht ganz mit mir selbst zufrieden. Als das Madchen gegangen war, nahm ich mein Notizbuch heraus und schrieb den Brief nieder, den ich solange im Gedachtnis behalten hatte. Was bedeutete das anscheinend so unverdachtig klingende Schreiben? Betraf es irgendein Geschaft, welches Ryland abschlie?en wollte, und war er bestrebt, nichts davon in die Offentlichkeit kommen zu lassen, bevor es perfekt war? Dieses war eine durchaus glaubhafte Erklarung. Dann erinnerte ich mich aber an die Zahl Vier, mit welcher der Umschlag bezeichnet war, und hatte das Gefuhl, da? ich endlich der Sache auf der Spur war, die uns schon so lange beschaftigte. Wahrend des ganzen Abends und auch den gro?ten Teil des nachsten Tages ratselte ich an dem Brief herum - und dann kam mir plotzlich die Erleuchtung. Die Zahl Vier war der Schlussel. Wenn man jedes vierte Wort des Textes las, so lie? sich ein vollig veranderter Inhalt erkennen. »Mu? Sie sehen wichtig Steinbruch siebzehn elf vier. « Die Losung der Zahlen war einfach. Mit siebzehn war der 17. Oktober gemeint. Dieser war morgen, elf bedeutete die Uhrzeit und vier die Unterschrift -entweder bezogen auf die geheimnisvolle Nummer vier selbst -oder andernfalls das Zeichen der Gro?en Vier. Der Steinbruch lie? auch keinen Zweifel aufkommen. Es gab einen gro?en verlassenen Steinbruch auf dem Anwesen, etwa zwei Kilometer vom Hause entfernt, ein einsamer Ort und ideal fur ein geheimes Zusammentreffen.
Nach einiger Uberlegung war ich versucht, das Risiko selbst zu ubernehmen, denn es hatte viel zu meinem Stolz beigetragen, einmal etwas ohne Poirot ausgefuhrt zu haben. Jedoch uberwand ich schlie?lich die Versuchung. Es handelte sich offensichtlich um eine gro?e Chance, und ich hatte nicht das Recht, allein zu operieren und vielleicht unseren ganzen Erfolg aufs Spiel zu setzen. Zum ersten Male wurden wir unseren Widersachern zuvorkommen. Dieses Mal mu?ten wir es schaffen, und ob ich es nun eingestehen wollte oder nicht, Poirot war nun einmal der Klugere von uns beiden. Ich schrieb unverzuglich an ihn, gab ihm die notwendigen Erklarungen und vermerkte, wie wichtig es sei, zu beobachten, was das Zusammentreffen zu bedeuten habe.