da? er Ihnen bei dieser Gelegenheit eine Menge uber eine Verbrecherbande, genannt die Gro?en Vier, verraten wurde.«

»Das ist doch unmoglich«, rief ich aus.

»Dann glauben Sie mir es eben nicht. Ich fuhrte unseren Gefangenen geradewegs nach »Hatten Chase«, und dort befand sich der richtige Ryland - im Bett und in tiefem Schlaf. Der Butler aber, der Koch und Gott wei? wer noch alles sind bereit, diese Angaben zu beschworen. Nichts als ein dummer Streich, gar nichts anderes; und der Kammerdiener hat dabei mitgewirkt.«

»Deshalb also hat er sich standig im Dunkel gehalten«, murmelte Poirot.

Nachdem Japp uns verlassen hatte, betrachteten wir uns gegenseitig lange Zeit.

»Mit Sicherheit wissen wir, Hastings«, sagte Poirot endlich, »da? Nummer zwei von den Gro?en Vier kein anderer als Abe Ryland ist. Die Maskierung, die der Diener benutzte, war eine Sicherheitsma?nahme fur den au?ersten Fall. Und der Diener...»

»Weiter, weiter«, forschte ich atemlos. »... ist Nummer vier«, schlo? Poirot mit gro?em Ernst.

9

Die Behauptung Poirots, wir seien daran, mehr und mehr Informationen zu sammeln und Einsicht in die Plane unserer Widersacher zu erhalten, hatte etwas fur sich - jedoch meinte ich, da? daruber hinaus greifbare Erfolge weitaus notwendiger waren.

Seit wir auf die Gro?en Vier gesto?en waren, hatten sie zwei Morde begangen, Halliday entfuhrt, und um Haaresbreite hatten Poirot und ich unser Leben eingebu?t, wogegen wir bis jetzt kaum einen Punkt in diesem Geschehen fur uns hatten buchen konnen. Poirot lie? jedoch meine Einwande durchaus nicht gelten. »Bis jetzt, Hastings«, bemerkte er, »lachen sie sich ins Faustchen. Aber soviel ich wei?, gibt es noch ein anderes Sprichwort: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und wer hier zuletzt lachen wird, mon ami, das wirst du erleben. Du darfst nicht vergessen«, fugte er hinzu, »da? wir es nicht mit einem gewohnlichen Verbrecher zu tun haben, sondern mit dem zweitgro?ten Genie auf der Welt.«

Ich hatte darauf gern eine Frage gestellt, doch wollte ich es vermeiden, da? Poirot wiederum in seiner Selbstherrlichkeit zu schwelgen anfing. Ich kannte ja seine Antwort; statt dessen versuchte ich vergeblich, aus ihm herauszuholen, welche Schritte er zu unternehmen gedachte, um dem Feind auf den Fersen zu bleiben. Wie gewohnlich hatte er mich bezuglich seiner Absichten vollig im dunkeln gelassen, jedoch konnte ich seinen Au?erungen entnehmen, da? er mit Geheimagenten in Indien, China und Ru?land in Verbindung stand, und aus seinen gelegentlichen Ausbruchen an Uberheblichkeit konnte ich schlie?en, da? er bei seinen Uberlegungen, die Absichten seiner Gegner zu durchschauen, zumindest einige Fortschritte zu verzeichnen hatte.

Er hatte seine Privatpraxis vollkommen vernachlassigt, und ich wu?te, da? er mehrere Falle mit der Aussicht auf betrachtliche Honorare ausgeschlagen hatte. Naturlich beschaftigte er sich gelegentlich mit Fallen, die ihm irgendwie verdachtig vorkamen, aber er lie? diese gewohnlich in dem Augenblick fallen, wenn er zu der Uberzeugung gelangt war, da? sie in keiner Verbindung zu den Handlungen der Gro?en Vier standen. Von dieser Haltung profitierte unser gemeinsamer Freund Inspektor Japp. Zweifellos erntete dieser viele Lorbeeren bei der Losung verschiedener Probleme, deren Erfolg nur darauf zuruckzufuhren war, da? er von Poirot die notigen Hinweise erhalten hatte. Als Gegenleistung gab Japp volle Einzelheiten uber Falle bekannt, von denen er annahm, da? sie von gewissem Interesse fur den kleinen Belgier waren, und als er mit der Verfolgung eines Falles betraut wurde, den die Zeitungen als das »Geheimnis des gelben Jasmins« bezeichneten, setzte er sich mit Poirot in Verbindung und fragte ihn, ob er Lust hatte, mitzufahren und sich die Sache einmal anzusehen.

So kam es, da? wir uns ungefahr einen Monat nach meinem Abenteuer in Abe Rylands Landhaus allein in einem Zugabteil befanden, auf dem Wege nach dem kleinen Stadtchen Market Handford in Worcestershire, dem Schauplatz einer mysteriosen Begebenheit.

Poirot sa? bequem zuruckgelehnt in seiner Ecke. »Und was ist nun, genau gesagt, deine Ansicht in dieser Angelegenheit, mein lieber Hastings?«

Ich beantwortete nicht sogleich seine Frage, weil ich es fur angebracht hielt, erst zu uberlegen.

»Es erscheint mir alles sehr verworren«, entgegnete ich, meine Worte abwagend.

»Das ist auch meine Ansicht«, bemerkte Poirot schmunzelnd. »Ich jedenfalls bin der Meinung, da? unsere plotzliche Abreise ziemlich klar darauf hinweist, da? du Mr. Paynters Tod fur einen Mord haltst - oder denkst du etwa an Selbstmord oder einen Unfall?«

»Nein, durchaus nicht; ich kann mir noch kein rechtes Bild machen, Hastings. Selbst wenn Mr. Paynter an den Folgen eines besonders schrecklichen Unfalls hat sterben mussen, so gibt es doch noch eine Unzahl von geheimnisvollen Begleitumstanden, die einer Klarung bedurfen.«

»Das war es gerade, was ich meinte, wenn ich sagte, da? alles so kompliziert sei.«

»Dann la? uns einmal ruhig und der Reihe nach alle bekannten Tatsachen aufzahlen. Rekonstruiere sie nochmals, Hastings, der Reihe nach und moglichst objektiv.« Ich begann sogleich damit und bemuhte mich, so systematisch und klar wie moglich zu verfahren.

»Wir beginnen mit Mr. Paynter«, sagte ich.» Funfundfunfzig, wohlhabend, kultiviert und, wie ich hore, ein weitgereister Mann. Wahrend der letzten zwolf Jahre hat er sich wenig in England aufgehalten, jedoch eines Tages, der dauernden Reisen uberdrussig, kaufte er sich ein kleines Haus, genannt »Croft- lands«, in Worcestershire, nahe Market Handford, in der Absicht, se?haft zu werden.

Seine erste Handlung bestand darin, an seinen einzigen Verwandten, den Neffen Gerald Paynter, Sohn seines jungsten Bruders, zu schreiben und ihm vorzuschlagen, in seinem neuen Heim Wohnung zu nehmen.

Gerald Paynter, ein mittelloser junger Kunstler, war sehr erfreut uber diesen Vorschlag und hatte bereits sieben Monate bei seinem Onkel gelebt, als das traurige Ereignis eintrat.«

»Deine Art zu erzahlen ist meisterhaft«, murmelte Poirot. »Es ist gerade so, als wenn statt meines Freundes Hastings ein Buch sprechen wurde.« Poirots Bemerkung nur wenig Beachtung schenkend, fuhr ich in meiner Schilderung fort. »Mr. Paynter unterhielt ein gepflegtes Haus, sechs Bedienstete und seinen chinesischen Kammerdiener, Ah Ling.«

»Seinen chinesischen Diener, Ah Ling«, wiederholte Poirot. »Am letzten Dienstag klagte Mr. Paynter uber ein Unwohlsein nach dem Abendessen, und einer der Diener wurde fortgeschickt, um den Arzt zu holen. Mr. Paynter empfing diesen in seinem Arbeitszimmer, da er sich geweigert hatte, sich ins Bett zu legen. Was zwischen den beiden vorgegangen ist, ist nicht naher bekannt, jedoch bevor Dr. Quentin seinen Patienten verlie?, lie? er die Wirtschafterin zu sich bitten und sagte zu ihr, da? er Mr. Paynter eine Injektion verabreicht habe, da sich sein Herz in einem sehr schwachen Zustand befunden habe. Er empfahl, ihn nicht zu storen, und begann alsdann einige ziemlich neugierige Fragen bezuglich der Dienerschaft zu stellen, wie lange sie schon im Hause tatig seien beziehungsweise woher sie stammten und dergleichen. Die Wirtschafterin beantwortete diese Fragen zwar bereitwillig, konnte sich jedoch deren Zweck nicht recht erklaren. Am folgenden Morgen wurde eine furchtbare Entdeckung gemacht. Eines der Hausmadchen bemerkte beim Herunterkommen einen bei?enden Geruch von verbranntem Fleisch, der aus dem Arbeitszimmer ihres Herrn zu kommen schien. Sie versuchte die Tur zu offnen, diese war jedoch von innen verschlossen. Mit Hilfe Gerald Paynters und des Chinesen hatte man die Tur aufgebrochen. Mr. Paynter bot einen grauenhaften Anblick. Er war vorwarts in den Gaskamin gesturzt, Kopf und Gesicht waren bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Im Moment fand sich naturlich keine andere Erklarung als die eines gra?lichen Unfalls. Wenn irgend jemand eine Schuld treffen konnte, so war es Dr. Quentin, der seinem Patienten ein Narkotikum verabfolgt und ihn in einem solch bedenklichen Zustand unbeaufsichtigt gelassen hatte. Doch dann wurde eine sehr merkwurdige Entdeckung gemacht.

Man fand eine Zeitung, die offensichtlich von Mr. Paynters Knien herabgefallen war. Bei naherer Betrachtung waren undeutlich mit Tinte gemalte Worte darauf zu erkennen. Ein Schreibtisch befand sich nahe dem Sessel, wo Paynter sich gewohnlich ausruhte, und der Zeigefinger seiner rechten Hand war bis zum zweiten Glied mit Tinte befleckt. Es war klar, da? Mr. Paynter, zu schwach, eine Feder zu halten, seinen Finger in ein Tintenfa? getaucht und es fertiggebracht hatte, zwei Worte quer uber die Zeitungsseite zu malen - aber die Worte selbst erschienen vollig sinnlos. Gelber Jasmin - nur diese beiden Worte.

Die Mauern von »Croftlands« waren dicht mit Jasmin bewachsen, und man glaubte, da? Mr. Paynters Bewu?tsein schon getrubt gewesen war, als er die Worte niederschrieb. Die sensationslusternen Zeitungen griffen die Geschichte auf und nahmen sie zum Anla?, diesen Fall als das »Geheimnis des gelben Jasmins« zu bezeichnen, obgleich aller Wahrscheinlichkeit nach die Worte ganzlich unwichtig waren.«

»Du haltst sie fur unwichtig?« warf Poirot ein. »Nun, wenn du es sagst, so mu? es auch wohl stimmen.« Ich

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