erhob sich mein Freund mit einer Wurde, die nicht recht zu seiner rundlichen Gestalt passen wollte.

»Das ware alles, was ich zu sagen hatte, meine Herren; ich bin gekommen, um Sie zu warnen. Ich habe damit gerechnet, da? man mir keinen Glauben schenkt, jedoch werden Sie immerhin auf der Hut sein. Meine Worte werden nicht ungehort verhallen, und jedes neue Ereignis, das in Erscheinung tritt, wird Sie eines Besseren belehren. Es war notwendig, da? ich Ihnen meine Erklarungen jetzt gab - spater werde ich vielleicht nicht mehr dazu in der Lage sein.«

»Meinen Sie damit...?« entgegnete Crowther, selbst beeindruckt von dem Ernst in Poirots Ton.

»Es ist meine feste Uberzeugung, Monsieur, da? mein Leben kaum mehr einen Pfennig wert ist, nachdem ich die Identitat von Nummer vier festgestellt habe. Er wird mich mit allen Mitteln zu beseitigen suchen - nicht umsonst wird er der >Zerstorer< genannt. Meine Herren, fur mich scheint unsere Unterredung beendet; Ihnen, Mr. Crowther, erlaube ich mir diesen Schlussel sowie diesen versiegelten Umschlag auszuhandigen. Ich habe alles Wissenswerte uber diesen Fall aufgezeichnet und gleichzeitig meine Vorschlage, wie man irgendwelchen Bedrohungen, die eines Tages uber die Welt hereinbrechen, begegnen konnte. Alles habe ich sicher in einem Safe deponiert. Im Falle meines Ablebens, Mr. Crowther, ermachtige ich Sie, diese Papiere an sich zu nehmen, und stelle Ihnen anheim, zu verfahren, wie Sie es fur richtig halten. Und nun, meine Herren, wunsche ich Ihnen einen guten Tag!«

Desjardeaux verbeugte sich nur formlich, wahrend Crowther aufsprang und seine Hand ausstreckte.

»Sie haben mich bekehrt, Monsieur Poirot. So phantastisch auch alles klingen mag, ich bin vollig von der Wahrheit dessen, was Sie uns erklart haben, uberzeugt.« Ingles verabschiedete sich gleichzeitig mit uns. »Ich bin keinesfalls von der Unterredung enttauscht«, bemerkte Poirot, als wir die Stra?e erreichten. »Ich erwartete gar nicht, Monsieur Desjardeaux uberzeugen zu konnen, aber jedenfalls bin ich beruhigt, da?, im Falle mir etwas zusto?en sollte, ich mein Wissen nicht mit ins Grab zu nehmen brauche. Einen habe ich auf jeden Fall bekehrt. Pas si mal.«

»Ich bin ebenfalls auf Ihrer Seite, wie Sie wissen«, sagte Mr. Ingles. »Ubrigens werde ich nach China abreisen, sobald ich abkommen kann.«

»Ist das ratsam?«

»Nein«, sagte Ingles trocken, »aber es ist notwendig, man mu? tun, was man kann.«

»Sie sind ein sehr tapferer Mann!« rief Poirot bewegt. »Wenn wir uns nicht auf der Stra?e befanden, wurde ich Sie umarmen.«

»Ich glaube nicht, da? ich mich in China in eine gro?ere Gefahr begebe, als Sie es hier in London tun«, brummte er verlegen.

»Das ist durchaus moglich«, gab Poirot zu, »indessen hoffe ich nicht, da? man so weit gehen wird, meinen guten Hastings zu massakrieren, das wurde mir zu nahegehen.« Ich unterbrach diese unerquickliche Unterhaltung mit der Bemerkung, da? ich selbst auch nicht die Absicht hatte, mich ohne weiteres massakrieren zu lassen, und kurz darauf verabschiedete sich Mr. Ingles von uns.

Einige Zeit gingen wir stillschweigend nebeneinander her, bis Poirot plotzlich eine vollig unerwartete Bemerkung fallen lie?. »Ich trage mich allen Ernstes mit der Absicht meinen Bruder in die Geschichte einzuweihen.«

»Deinen Bruder?« rief ich erstaunt aus. »Ich habe bisher nicht gewu?t, da? du noch einen Bruder hast.«

»Das konntest du auch nicht wissen, lieber Hastings, aber du wei?t doch sicher, da? alle gefeierten Detektive Bruder haben, die sogar noch beruhmter als sie selbst sein konnen, und wenn auch nur bezuglich ihrer angeborenen Faulheit.« Zuweilen zeigte sich Poirot von einer Seite, die es nahezu unmoglich machte, zu erkennen, ob er im Scherz oder im Ernst sprach.

»Wie hei?t denn dein Bruder?«fragte ich, diese Neuigkeit aufgreifend.

»Achille Poirot«, antwortete er in tiefstem Ernst .»Er lebt in der Nahe von Spa in Belgien.«

»Was tut er dort?« forschte ich voller Neugier, eine weitere Frage zuruckhaltend, die sich auf den Charakter und die Vorliebe der verstorbenen Madame Poirot bezog, ihren Sohnen Namen aus der griechischen Mythologie zu geben. »Er tut gar nichts. Er hat einen geradezu ungewohnlichen Hang zum Nichtstun, jedoch sind seine Fahigkeiten keineswegs geringer einzuschatzen als die meinen - was schon allerhand sagen will.«

»Sieht er dir ahnlich?«

»Ziemlich, jedoch ist er lange nicht so gutaussehend und tragt auch keinen Schnurrbart.«

»Ist er alter oder junger als du?«

»Wir sind zufallig an ein und demselben Tage geboren.«

»Also Zwillinge!«rief ich aus.

»Genau das, Hastings. Du kommst mit unfehlbarer Sicherheit zu den richtigen Feststellungen, aber nun sind wir wieder daheim angelangt. La? uns gleich an die Arbeit gehen und versuchen, etwas Licht in das uns im Moment interessierende Problem des Halsbandes der Herzogin zu bringen.« Jedoch das herzogliche Halsband mu?te sich noch eine Weile gedulden, denn ein Ereignis von weit gro?erer Bedeutung nahm uns in Anspruch.

Unsere Haushalterin, Mrs. Pearson, teilte uns sogleich mit, da? eine Krankenschwester auf uns warte und Monsieur Poirot zu sprechen wunsche. Wir fanden sie beim Fenster im gro?en Lehnstuhl sitzend, eine sympathische Frau in mittleren Jahren in dunkelblauer Tracht. Zuerst verhielt sie sich sehr zuruckhaltend, doch nachdem Poirot ihr gut zugeredet hatte, kam sie mit der Sprache heraus.

»Sehen Sie, Monsieur Poirot, mir ist noch nie etwas Derartiges vorgekommen. Ich war von der Schwesternschaft in Lask geschickt worden, um einen Krankheitsfall in Hertfordshire zu ubernehmen. Es handelte sich dabei um einen alteren Herrn namens Templeton, im ubrigen um ein sehr gepflegtes Haus und recht angenehme Leute. Die Frau, Mrs. Templeton, ist bedeutend junger als ihr Gatte, er hat aus erster Ehe einen Sohn mitgebracht, der ebenfalls im Hause wohnt. Ich kann mir nicht erklaren, warum der junge Mann und seine Stiefmutter standig miteinander im Streit leben. Er scheint, wie man zu sagen pflegt, nicht ganz normal, auf jeden Fall aber geistig stark beeintrachtigt. Nun, zuerst kam mir die Erkrankung von Mr. Templeton zumindest eigenartig vor. Zeitweise schienen bei ihm uberhaupt keine Anzeichen von Krankheit vorzuliegen, und dann wiederum hatte er plotzlich sehr schmerzhafte Magenkrampfe mit Erbrechen. Jedoch hatte es den Anschein, als wenn der behandelnde Arzt mit dem Allgemeinbefinden des Patienten im ganzen zufrieden war. Ich stellte keine Fragen, weil mir dies nicht zustand. Aber etwas gab mir doch zu denken...«

Sie stockte und errotete.

»Dann ereignete sich wahrscheinlich etwas, das Ihren Verdacht erregte?« erganzte Poirot. »Allerdings.«

Immer noch fiel es ihr sichtlich schwer, fortzufahren. »Ich horte, da? auch die Bediensteten gelegentlich ihre Bemerkungen machten.«

»Etwa in bezug auf Templetons Krankheit?«

»Oh, nein - uber etwas ganz anderes...«

»Etwas uber Mrs. Templeton?«

»So ist es.«

»Vielleicht uber das Verhaltnis von Mrs. Templeton zum Arzt?«

Poirot besa? zuweilen eine unheimliche Fahigkeit, Gedanken zu lesen. Die Krankenpflegerin warf ihm einen dankbaren Blick zu und fuhr fort:

»Sie, die Bediensteten, lie?en es nicht an anzuglichen Andeutungen fehlen, und dann, eines Tages, konnte ich mich selbst davon uberzeugen, und zwar im Garten...« Mehr zu sagen vermochte unsere Klientin nicht, denn sie war schrecklich verlegen, so da? niemand es fur absolut notwendig hielt, weiter zu forschen, was sie tatsachlich im Garten gesehen hatte. Offensichtlich hatte sie genug gesehen, um sich ein genaues Bild der Situation machen zu konnen. »Die Magenkrampfe wurden von Tag zu Tag arger. Doktor Treves sagte, es verliefe alles durchaus programma?ig und sei zu erwarten gewesen, aber ich habe noch nie etwas dergleichen gesehen - wahrend meiner ganzen Praxis als Krankenschwester nicht. Der ganze Zustand machte auf mich den Eindruck, als ob...« Sie stockte abermals und zogerte, weiterzusprechen.

»Eine Vergiftung durch Arsen vorliegen wurde?« warf Poirot ein.

Sie nickte. »Einmal machte er - ich meine hiermit den Patienten - eine sehr eigenartige Bemerkung. Er sagte wortlich: >Die werden es mir schon noch besorgen, die vier da, die werden mich schon bald um die Ecke gebracht haben.<«

»Was soll man darunter verstehen?« fragte Poirot begierig. »Das kann ich mir auch nicht denken, denn es

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