Zweck die ganze Sache hatte.« Als wir spat in der Nacht in unserer Wohnung anlangten, hielt er mich an der Wohnungstur zuruck.
»Achtung, Hastings, ich ahne etwas, la? mich vorausgehen.« Er ging mir voran ins Zimmer und nahm zu meiner Belustigung einen alten Gummischuh, um damit den elektrischen Lichtschalter zu betatigen. Dann schlich er mit katzenartigen Bewegungen durch den Raum, behutsam auf jede Veranderung achtend. Ich beobachtete ihn eine Zeitlang, gehorsam an der Wand stehenbleibend, wohin er mich gewiesen hatte. »Es ist doch alles in Ordnung, Poirot«, sagte ich bereits ungeduldig.
»Es kann schon sein,
»Welch ein Unsinn«, bemerkte ich, »ich werde inzwischen Feuer machen und mir erst einmal eine Pfeife anzunden. Jetzt habe ich dich aber doch einmal erwischt, Poirot, du hattest zuletzt die Zundholzer benutzt und hast sie nicht wieder dahin gelegt, wo ihr Platz ist.«
Ich streckte bereits meine Hand nach den Zundholzern aus, horte noch Poirots Warnungsruf - sah ihn auf mich zulaufen
- und ergriff die Zundholzschachtel.
Dann - ein blauer Feuerstrahl - ein ohrenbetaubender Krach
- und vollige Dunkelheit.
Als ich wieder zu mir kam, erblickte ich das vertraute Gesicht unseres Freundes Dr. Ridgeway uber mich gebeugt. Ein Seufzer der Erleichterung entschlupfte ihm.
»Verhalten Sie sich, bitte, ganz ruhig«, sagte er besanftigend, »Sie haben einen schweren Unfall gehabt, wissen Sie.«
»Wo ist Poirot?« murmelte ich. »Was ist mit ihm geschehen?«
»Beruhigen Sie sich«, erwiderte er, »Sie befinden sich in meiner Obhut, alles andere erzahle ich Ihnen spater.« Eine wahnsinnige Angst griff mir ans Herz, und sein Ausweichen auf meine direkte Frage beunruhigte mich in hochstem Grade.
»Wo ist Poirot?« fragte ich wiederum. »Was ist mit ihm geschehen?«
Er hatte wohl eingesehen, da? ich es doch einmal erfahren mu?te und jedes Ausweichen zwecklos war. »Wie durch ein Wunder sind Sie davongekommen - Poirot leider nicht!«
Ein Aufschrei kam von meinen Lippen.
»Er ist doch nicht etwa tot? Das kann doch unmoglich sein!« Ridgeway nickte nur mit dem Kopf, wahrend sein Gesicht seine innere Erregung widerspiegelte. Mit Anspannung aller Krafte richtete ich mich auf. »Poirot mag zwar tot sein«, sagte ich mit schwacher Stimme, »aber sein Geist wird fortleben, und ich werde nicht eher ruhen, bis ich sein Ziel erreicht habe - namlich die Gro?en Vier zur Strecke zu bringen.« Dann verfiel ich wieder in tiefe Bewu?tlosigkeit.
16
Sogar noch heute fallt es mir schwer, von den Ereignissen jener Marztage zu sprechen.
Poirot - der einmalige, der unubertreffliche Hercule Poirot war tot! Eine wahrhaft teuflische Eingebung, das mit der Zundholzschachtel: derjenige, der die Hollenmaschine darin verborgen hatte, kannte den unuberwindlichen Ordnungssinn Poirots. Diese Tatsache und ferner der Umstand, da? eigentlich ich es gewesen war, der an allem schuld war, horte niemals auf, mein Gewissen zu belasten. Wie Dr. Ridgeway betont hatte, war es tatsachlich ein Wunder, da? ich nicht getotet worden und mit nur unbedeutenden Verletzungen davongekommen war.
Obgleich mir schien, da? ich nur kurze Zeit bewu?tlos gewesen sein konnte, so waren doch in Wirklichkeit vierundzwanzig Stunden vergangen, bis ich wieder zu mir kam. Erst am Abend des nachsten Tages war ich in der Lage, auf unsicheren Beinen in den angrenzenden Raum zu wanken und stand dort lange Zeit vor dem bereits geschlossenen schwarzen Sarg, der die sterblichen Uberreste eines Mannes enthielt, wie ihn die Welt nur einmal hervorbringen konnte. Vom ersten Moment an, in welchem ich wieder mein Bewu?tsein erlangte, hatte ich nur einen Gedanken: Poirots Tod zu rachen und die Gro?en Vier erbarmungslos zur Strecke zu bringen.
Ich hatte im stillen gehofft, da? Dr. Ridgeway mich unterstutzen wurde, doch zu meiner gro?ten Uberraschung schien der gute Doktor wenig Verstandnis dafur zu haben. »Fahren Sie nach Sudamerika zuruck«, lautete sein Rat bei jeder sich bietenden Gelegenheit. »Warum wollen Sie sich mit einer so schweren und beinahe unlosbaren Aufgabe belasten?« Dabei uberbot er sich selbst in seinen Uberredungskunsten. »Wenn Poirot, der unvergleichliche Poirot, in diesem Kampf unterlegen war, ware es dann denkbar, da? Sie irgendeinen Erfolg erringen konnten?«
Ich war jedoch hartnackig. Jeder Zweifel, ob ich uber die notwendige Eignung zur Losung dieser Aufgabe verfugte, wurde von mir mit der Bemerkung abgetan, da? ich lange genug mit Poirot zusammengearbeitet hatte, um seine Methoden instinktma?ig anwenden zu konnen, und da? ich mich stark genug fuhlte, die Arbeit dort aufzunehmen, wo er notgedrungen aufhoren mu?te. Die Losung des Problems bedeutete fur mich eine reine Prestigefrage. Mein Freund war einem heimtuckischen Mord zum Opfer gefallen, ich konnte nicht nach Sudamerika zuruckkehren, ohne seine Morder der irdischen Gerechtigkeit ubergeben zu haben. Dies alles und noch viel mehr brachte ich Dr. Ridgeway gegenuber zum Ausdruck, der mir aufmerksam zuhorte.
»Ihnen ist nicht zu raten«, sagte er, als ich geendet hatte, »wir sind darin verschiedener Ansicht. Ich bin felsenfest davon uberzeugt, da? Poirot selbst, sofern er noch am Leben ware, darauf bestehen wurde, da? Sie abreisen. In seinem Namen, lieber Hastings, bitte ich Sie, geben Sie Ihre kuhnen Plane auf, und begeben Sie sich auf Ihre Ranch zuruck.« Ich schuttelte traurig den Kopf und hielt es fur uberflussig, weitere Worte zu verlieren. Bis zur volligen Wiederherstellung meiner Gesundheit verging ein ganzer Monat. Gegen Ende April erbat ich eine Unterredung mit dem Staatssekretar, die mir auch gewahrt wurde. Mr. Crowthers Art erinnerte mich an die von Dr. Ridgeway. Die Unterredung bewegte sich auf derselben Linie und endete wie vorauszusehen war. Obwohl er mein Anerbieten, meine Dienste zur Losung des Problems zur Verfugung zu stellen, sehr schatzte, so lehnte er sie doch ruhig, aber bestimmt ab. Die Papiere, die Poirot hinterlassen hatte, waren in seine Obhut ubergegangen, und er versicherte mir, da? alle erdenklichen Schritte getan wurden, um jeder Eventualitat zu begegnen.
Auf Grund seiner kuhlen Erwagungen sah ich mich gezwungen zu resignieren. Mr. Crowther beendete die Unterredung mit dem dringenden Wunsche, ich solle nach Sudamerika zuruckkehren. Ich empfand diese Losung als hochst unbefriedigend und konnte meinen Unmut daruber nicht verbergen. So schwer es mir auch fallt und so schmerzlich es auch fur mich ist, so mu? ich doch an dieser Stelle uber Poirots Begrabnis berichten. Es war eine ergreifende und feierliche Zeremonie, und die au?erordentlich gro?e Zahl von Blumenspenden legte davon Zeugnis ab, wie viele Freunde er sich in seiner Wahlheimat erworben hatte. Arm und reich folgte dem Sarge, um dem unverge?lichen Toten die letzte Ehrung zu erweisen.
Ich selbst, ich mu? es offen gestehen, war zutiefst bewegt, als ich an der Gruft an die vielen glucklichen Tage und die verschiedenen Episoden zuruckdachte, die wir gemeinsam erlebt hatten. Der Abschied von meinem Freunde ging mir sehr zu Herzen.
Anfang Mai entschlo? ich mich zu folgendem Plan. Ich fuhlte, da? es notwendig sei, nach den fruheren Planen von Poirot weitere Inserate in der Presse zu veroffentlichen, die sich mit der Person von Claude Darrell befa?ten. Zu diesem Zweck hatte ich eine Anzahl von Annoncen fur die Morgenzeitungen zusammengestellt und befand mich gerade in einem kleinen Restaurant in Soho. Gerade war ich im Begriffe, uber die Zweckma?igkeit dieser Veroffentlichungen Erwagungen anzustellen, als ich in einem anderen Teil der Zeitung eine kleine Notiz entdeckte, die mir einen ganz gehorigen Schrecken versetzte.
In kurzen Worten wurde uber das geheimnisvolle Verschwinden des Mr. Ingles von Bord der »