mu?ten.

Zwischen den beiden folgenden Fehlern lagen gro?ere Abstande, denn Mannons Arbeitstempo hatte sich drastisch verringert, wobei seine Technik eher an das erste ungeschickte Umhertasten eines Medizinstudenten als an die Versiertheit eines der geschicktesten Chirurgen des Hospitals erinnerte. Er war so langsam geworden, da? keine erfolgreiche Operation mehr moglich war, und ihm blieb auch kaum noch Zeit, sie zu beenden und den Druck wiederherzustellen, bevor sich der Zustand des Patienten uber den Punkt hinaus zu verschlechtern drohte, von dem es kein Zuruck mehr gegeben hatte.

„Es war wirklich deprimierend“, sagte Prilicla, der immer noch heftig zitterte. „Er wollte zwar schnell arbeiten, aber die vorausgegangenen Fehler hatten ihm die Selbstsicherheit geraubt. Mannon uberlegte alles zweimal, selbst die simpelsten Dinge, die bei einem Chirurg mit seiner Erfahrung normalerweise automatisch und ohne nachzudenken ablaufen.“

Conway entgegnete einen Moment lang nichts, weil er uber die furchtbare Situation nachdachte, in der sich Mannon befunden hatte. Dann fragte er: „War an seinen Gefuhlen irgend etwas Ungewohnliches? Oder an den emotionalen Ausstrahlungen des OP-Teams?“

Prilicla zogerte kurz und antwortete dann: „Es ist selbst fur mich sehr schwierig, feine Gefuhlsnuancen herauszuffltern, wenn die Quelle so heftige Emotionen ausstrahlt. Aber ich hatte den Eindruck als ob ich. — also, der Effekt ist schwer zu beschreiben —. nun, es war fast so, als ob ich so etwas wie ein schwaches emotionales Echo von unregelma?iger Dauer empfinge.“

„Wahrscheinlich das Hudlarerband“, warf Conway ein. „Mir hat ein Physiologieband schon des ofteren den Eindruck vermittelt, als wurde ich in Gedanken alles doppelt sehen.“

„Nun, das kann moglicherweise der Fall sein“, entgegnete Prilicla. Fur ein Wesen, das mit jeder ihm gegenuber formulierten Aussage ausnahmslos einer Meinung war, stellte diese Au?erung die gro?tmogliche Annaherung an eine verneinende Antwort dar.

Allmahlich bekam Conway das Gefuhl, da? er auf etwas wirklich Wichtiges sto?en konnte. „Und was war mit den anderen im OP?“ hakte er nach.

„Zwei Mitarbeiterinnen strahlten jene Mischung aus Angst, Sorge und Schock aus, die fur eine unmittelbar zuruckliegende, leicht traumatische Erfahrung typisch ist. Ich war auf der Zuschauergalerie, als sich die beiden Vorfalle ereigneten, und einer davon hat mir einen ziemlichen Schock versetzt.“

Bei diesem Vorfall hatte eine der kelgianischen Schwestern beinahe einen Unfall gehabt, als sie gerade ein Instrumententablett in den Handen gehalten hatte. Eins der Instrumente, ein langes, schweres Skalpell vom hudlarischen Typ sechs, das zum Offnen der unwahrscheinlich widerstandsfahigen und zahen Haut dieser Spezies benutzt wurde, war aus irgendeinem Grund vom Tablett gerutscht. Schon eine kleine Stich- oder Schnittwunde stellte fur Kelgianer eine sehr ernsthafte Verletzung dar, und als die Schwester die grauenhafte Klinge auf ihre ungeschutzte Korperseite herabfallen sah, erstarrte sie vor Schreck. Doch irgendwie prallte das Skalpell so glucklich gegen ihren Korper — man konnte im nachhinein nur schwer erahnen, wie, wenn man die Klingenform und das fehlende Gegengewicht bedachte —, da? es weder in die Haut eindrang, noch das Fell anritzte. Die Kelgianerin war zwar nach au?en hin entsprechend erleichtert gewesen, hatte sich innerlich aber erst sehr viel spater beruhigen konnen.

„Das kann ich durchaus nachvollziehen“, bemerkte Conway. „Bestimmt hat ihr die Oberschwester gehorig die Leviten gelesen. Schlie?lich konnen sich schon aus den kleinsten Fehlern des OP-Personals regelrechte Katastrophen entwickeln.“

Priliclas Beine fingen erneut an zu zittern, ein Zeichen dafur, da? er sich seelisch auf die Anstrengung vorbereitete, ein klein wenig zu widersprechen. „Nun, die betreffende Kelgianerin war ja die Oberschwester“, sagte er. „Deshalb gab es von ihr auch nur einen relativ leichten Ruffel, als sich eine ihr untergebene Schwester andauernd bei den Instrumenten verzahlte — entweder war immer eins zu viel oder eins zu wenig da. Und wahrend dieser beiden Ereignisse nahm ich den von Mannon ausgehenden Echoeffekt war, obwohl er in diesen Fallen nur das Echo von den betreffenden Schwestern reflektierte.“

„Da haben wir doch schon was!“ rief Conway aufgeregt. „Hatten die Schwestern irgendeinen korperlichen Kontakt mit Mannon?“

„Sie haben ihm assistiert“, antwortete Prilicla, „und alle Beteiligten haben Schutzanzuge getragen. Ich wu?te nicht, wie irgendeine parasitare Lebensform oder Bakterie von einem zum anderen gelangt sein konnte, falls das die Vermutung sein sollte, die Sie im Moment so aufgeregt und hoffnungsvoll macht. Es tut mir sehr leid, mein Freund, aber dieser Echoeffekt scheint mir nicht von Bedeutung zu sein, obwohl er wirklich sehr eigenartig ist.“

„Es mu? aber irgend etwas gewesen sein, was die drei gemeinsam hatten“, meinte Conway.

„Ja“, erwiderte Prilicla. „Aber dieses Etwas besa? keine eigene Identitat, es war kein Individuum, sondern lediglich ein sehr schwaches emotionales Gefuhlsecho der beteiligten Wesen.“

„Und trotzdem“, wandte Conway ein.

Drei Wesen, die allesamt ein sonderbares, von Prilicla nicht fur wichtig gehaltenes emotionales Echo ausgestrahlt hatten, waren in diesem Operationssaal Fehler oder Mi?geschicke unterlaufen. Da? sie allein vom Pech verfolgt gewesen waren, schlo? Conway aus, weil O’Maras Uberprufungsmethoden in dieser Hinsicht viel zu grundlich waren. Aber angenommen, Prilicla hatte unrecht, und irgend etwas war in den OP oder das Hospital gelangt. eine Lebensform, die schwer wahrzunehmen war und mit der man noch nie etwas zu tun gehabt hatte. Wenn im Orbit Hospital merkwurdige Dinge geschahen, dann lagen die Grunde dafur sehr oft au?erhalb des Klinikkomplexes — das war allen bekannt. Im Moment hatte Conway jedoch nicht genugend Anhaltspunkte, um auch nur eine vage Theorie aufzustellen. Seine erste Aufgabe bestand nun also darin, Informationen einzuholen — selbst wenn er entsprechende Hinweise auch dann nicht erkennen wurde, wenn er mit beiden Fu?en daruber stolperte.

„Ich hab Hunger, und es ist hochste Zeit, da? wir uns mit Doktor Mannon personlich unterhalten“, schlug Conway seinem empathischen Kollegen vor. „Lassen Sie uns ihn suchen und zum Mittagessen einladen.“

Die Kantine fur das sauerstoffatmende medizinische und Wartungspersonal nahm eine ganze Ebene ein und war fruher einmal durch niedrige Trenntaue nach physiologischen Arten unterteilt gewesen. Doch das hatte nicht allzu gut funktioniert, weil die Speisenden sehr oft mit ihren Kollegen anderer Spezies fachsimpeln wollten oder keine freien Platze mehr in dem ihnen zugeteilten Bereich fanden, dafur aber ungenutzten Raum bei einer anderen Lebensform. Deshalb war es fur Conway, Prilicla und Mannon keine Uberraschung, als sie bei ihrer Ankunft die Wahl hatten, an einem riesigen Tralthanertisch auf Banken zu sitzen, die ein ganzes Stuck zu weit von der Tischkante entfernt waren, oder an einem Tisch im Bereich der Melfaner Platz zu nehmen, der zwar einen gemutlicheren Eindruck machte, dessen Stuhle aber surrealistischen Papierkorben ahnelten. Schlie?lich wanden sie sich in drei dieser Sitzmobel hinein und begannen mit den ublichen Vorbereitungen zur Bestellung.

„Ich bin heute nur ich selbst“, antwortete Prilicla auf Conways Frage.

„Fur mich also das Ubliche, bitte.“

Conway bestellte ihm das Ubliche, namlich eine dreifache Portion Spaghetti terrestrischer Art, dann blickte er Mannon fragend an.

„Mir spuken zur Zeit ein FROB und ein MSVK im Kopf herum“, klarte ihn der Chefarzt im schroffen Ton auf. „Hudlarer sind mit Essen ja nicht gerade pingelig, aber diese verdammten MSVKs sind doch schon beleidigt, wenn nicht gleich alles, was man ihnen vorsetzt, wie Vogelfutter aussieht! Bestellen Sie mir einfach irgend etwas Nahrhaftes, aber sagen Sie mir blo? nicht, was es ist, und packen Sie es bitte in ein paar Sandwiches, damit ich das Zeug nicht sehen kann.“

Wahrend sie auf ihr Essen warteten, sprach Mannon mit ruhiger Stimme. Die Normalitat seines Tons wurde jedoch durch die Tatsache Lugen gestraft, da? Prilicla durch Mannons emotionale Ausstrahlung wie ein Blatt im Wind geschuttelt wurde. „Laut Geruchtekuche wollen Sie beide versuchen, mir aus der Patsche zu helfen, in der ich stecke“, begann Mannon. „Das ist zwar nett von Ihnen, aber Sie verschwenden damit nur Ihre Zeit.“

„Das glauben wir beide allerdings nicht, Doktor. und auch O’Mara nicht“, erwiderte Conway, womit er die Wahrheit erheblich zurechtstutzte. „O’Mara hat bescheinigt, da? Sie in guter geistiger wie korperlicher Verfassung sind, und er meinte, Ihr Verhalten sei fur Sie vollig uncharakteristisch gewesen. Dafur mu? es eine Erklarung geben, vielleicht irgendeinen Umwelteinflu? oder etwas, dessen Vorhandensein oder Fehlen Sie dazu gebracht hat, sich, wenn auch nur zeitweilig, in untypischer Weise zu verhalten.“

Conway umri? kurz das Wenige, das sie bislang wu?ten, und bemuhte sich, hoffnungsvoller zu klingen, als er wirklich war. Aber Mannon war kein Narr.

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