James White

Gro?operation

Orbit Hospital 03

HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 06/4976

Titel der englischen Originalausgabe MAJOR OPERATION 1993

der deutschen Ausgabe und der Ubersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, Munchen

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

Der Eindringling

Weit drau?en am Rande der Galaxis, wo die Sternsysteme weit verstreut sind und wo fast absolute Dunkelheit herrscht, schwebte im galaktischen Sektor zwolf die gewaltige Konstruktion des Orbit Hospitals frei im Raum. Auf den dreihundertvierundachtzig Ebenen konnten die Umweltbedingungen samtlicher der galaktischen Foderation bekannten intelligenten Spezies reproduziert werden; ein biologisches Spektrum, das bei den unter extremen Kaltebedingungen lebenden Methanarten begann und uber die eher normalen Sauerstoff- und Chloratmer bis zu hin zu den exotischeren Lebensformen reichte, die von der direkten Umwandlung harter Strahlung lebten. Zusatzlich zu den Patienten, deren Anzahl und physiologische Klassifikationen sich standig veranderten, gab es medizinisches sowie Wartungspersonal, das sich aus mehr als sechzig verschiedenen Lebensformen mit ebenso vielen unterschiedlichen Verhaltensweisen, Korpergeruchen und Lebensanschauungen zusammensetzte.

Das Personal des Orbit Hospitals bestand aus hochqualifizierten Mitarbeitern, die ihre Arbeit zwar mit viel Engagement erledigten, ohne dabei aber von ubertriebenem Ehrgeiz besessen zu sein, und die in jeder Hinsicht tolerant gegenuber ihren Mitwesen waren. Ware dies nicht so gewesen, hatten sie ihren Dienst sowieso niemals in einem Krankenhaus mit vielfaltigen Umweltbedingungen versehen konnen. Sie konnten sich ruhmen, da? fur sie kein Fall zu gro?, zu klein oder zu hoffnungslos war, und ihr fachliches Konnen und ihre tatkraftige Unterstutzung stand in der gesamten Galaxis hoch im Kurs.

Folglich schien es praktisch undenkbar, da? jemand aus ihren Reihen einen Patienten aus reiner Fahrlassigkeit fast getotet hatte.

„Naturlich ist ein solcher Gedanke durchaus vorstellbar“, widersetzte sich O’Mara, der Chefpsychologe des Hospitals, dieser allgemein vorherrschenden Meinung. „Mir geht er jedenfalls durch den Kopf, wenn auch nur widerwillig, und Ihnen drangt er sich sicherlich ebenfalls auf, und sei es nur zeitweilig. Noch schlimmer aber ist, da? Mannon selbst von seiner Schuld uberzeugt ist. Deshalb bleibt mir keine andere Wahl, als ihn zu…“

„Nein!“ protestierte Conway, dessen heftige Gefuhlsregung sich uber seinen ublichen Respekt vor Autoritaten hinwegsetzte. „Mannon ist einer der besten Chefarzte, die wir haben, und Sie wissen das auch! Er wurde doch nicht. ich meine, er ist nicht der Typ, der einfach. immerhin ist er ein.“

„…ein guter Freund von Ihnen“, beendete O’Mara den Satz lachelnd. Als Conway nichts entgegnete, fuhr er fort: „Meine Zuneigung fur Mannon mag vielleicht nicht ganz so ausgepragt sein wie bei Ihnen, aber aufgrund meiner speziellen Fachkenntnisse kann ich ihn sicherlich wesentlich genauer und objektiver einschatzen als Sie. Dennoch hatte ich bis vorgestern niemals geglaubt, da? er sich zu so einer Tat hinrei?en lassen konnte. Ach, verdammter Mist! Es argert mich einfach immer wieder, wenn jemand plotzlich ein Verhalten an den Tag legt, das fur ihn vollig untypisch ist und das man nicht nach vollziehen kann.“

Letzteres konnte Conway durchaus verstehen. Als Chefpsychologe galt O’Maras Hauptaugenmerk dem guten und reibungslosen Funktionieren des medizinischen Personals. Doch die harmonische Zusammenarbeit so vieler verschiedener und sich grundsatzlich widersprechender Lebensformen aufrechtzuerhalten war eine wichtige Aufgabe, deren Grenzen man — genau wie die von O’Maras Machtbefugnissen — nur schwer bestimmen konnte. Selbst wenn man au?erste Toleranz und gegenseitigen Respekt unter dem Personal voraussetzte, gab es immer noch Anlasse zu Reibereien.

Potentiell gefahrliche Situationen entstanden in erster Linie durch Unwissenheit und Mi?verstandnisse, aber auch wenn ein Wesen eine neurotische Xenophobie entwickelte, die seine geistige Stabilitat oder Leistungsfahigkeit oder beides zusammen beeintrachtigen konnte. Ein terrestrischer Arzt zum Beispiel, der eine unterbewu?te Angst vor Spinnen hatte, ware nicht in der Lage gewesen, einem der insektenartigen Patienten von Cinruss das angebrachte Ma? an sachlicher Distanz entgegenzubringen, das fur dessen Behandlung notwendig war. Und so war es O’Maras Aufgabe, solche Probleme rechtzeitig zu erkennen und auszuraumen oder die potentiellen Storenfriede zu entfernen. Dieses Vorgehen gegen falsche, schadliche und intolerante Denkweisen nahm der Monitor mit einem solchem Pflichteifer wahr, da? man ihn im Orbit Hospital mit dem ersten Gro?inquisitor der Menschheitsgeschichte verglich und O’Mara hinter vorgehaltener Hand gern als „modernen Torquemada“ bezeichnete.

Jetzt aber hatte es den Anschein, als sei dieser mustergultige Psychologe nicht ganz auf der Hut gewesen. In der Psychologie geht jeder Wirkung eine Ursache voraus, und O’Mara mu?te nunmehr glauben, da? er ein kleines, aber entscheidendes Warnsignal ubersehen hatte, das ihn auf die Probleme, vor denen Dr. Mannon gestanden hatte, hatte aufmerksam machen mussen — vielleicht hatte er nur einen etwas uncharakteristischen Ausdruck oder Satz oder eine etwas untypische Verhaltensweise des Chefarztes einfach nicht hinreichend beachtet.

Der Chefpsychologe lehnte sich zuruck und musterte Conway mit seinen stahlgrauen Augen, die in Verbindung mit seinem scharf analytischen Verstand so viel sahen, da? sie dem Chefpsychologen fast telepathische Fahigkeiten verliehen. „Bestimmt denken Sie, mit mir geht’s bergab“, fuhr er schlie?lich grinsend fort, „und wahrscheinlich glauben Sie, da? Mannons Problem im Grunde psychologischer Natur ist und es fur das, was passiert ist, noch eine andere Erklarung als den Tatbestand der Fahrlassigkeit geben mu?. Vielleicht kommen Sie sogar zu dem Schlu?, der kurzliche Tod seines Hunds sei der Grund dafur, da? er vor lauter Kummer durchgedreht ist. Und bestimmt fallen Ihnen noch andere, ahnlich unkomplizierte und absurde Erklarungen ein. Meiner Meinung nach ist es jedenfalls absolute Zeitverschwendung, wenn man auch nur eine Minute in die Untersuchung der psychologischen Aspekte dieser Angelegenheit investiert. Doktor Mannon hat sich den anstrengendsten psychologischen und gesundheitlichen Tests unterzogen. Er ist korperlich vollig gesund und geistig genauso normal wie wir beide, nun, jedenfalls so normal wie ich.“

„Zu freundlich, Sir“, bemerkte Conway spottisch.

„Ich hab Ihnen schon des ofteren gesagt, Doktor“, fuhr O’Mara griesgramig fort, „da? ich hier bin, um die Leute auf den Boden der Tatsachen zuruckzuholen und nicht, um sie abheben zu lassen. Ihr Auftrag, wenn man ihn so nennen kann, ist absolut inoffiziell. Da es in gesundheitlicher wie in psychologischer Hinsicht fur Mannons Fehlverhalten keinerlei Entschuldigung gibt, mochte ich, da? Sie nach anderen Ursachen suchen, vielleicht nach irgendwelchen au?eren Einflussen, die dem Arzt selbst gar nicht bewu?t sind. Doktor Prilicla hat den fraglichen Vorfall beobachtet und kann Ihnen moglicherweise weiterhelfen. Sie haben einen eigensinnigen Kopf, Doktor“, schlo? O’Mara, wahrend er aufstand, „und eine hochst merkwurdige Art, sich Problemen zu nahern. Wir wollen Doktor Mannon zwar nicht verlieren, aber wenn Sie es tatsachlich schaffen sollten, ihm aus seinen Schwierigkeiten zu helfen, werde ich wahrscheinlich vor lauter Uberraschung auf der Stelle tot umfallen. Letzteres erwahne ich nur, damit Sie einen zusatzlichen Ansporn bei Ihren Bemuhungen haben.“

Als Conway das Buro verlie?, brodelte er innerlich vor Wut. O’Mara hielt ihm standig seine angeblich eigensinnige Denkweise vor, obwohl es der schlichten Wahrheit entsprach, da? Conway nach Aufnahme seiner Tatigkeit im Hospital besonders Schwestern der menschlichen Spezies gegenuber anfangs so schuchtern gewesen war, da? er sich in extraterrestrischer Gesellschaft zunachst sehr viel wohler gefuhlt hatte. Inzwischen war er zwar nicht mehr schuchtern, aber er hatte unter den skurrilen und phantastisch anmutenden Bewohnern von

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