„Ich wei? nicht, ob ich Ihnen fur Ihre Bemuhungen dankbar sein soll oder mich lieber um das geistige Wohlbefinden von Ihnen beiden sorgen soll“, entgegnete Mannon, als Conway ausgeredet hatte. „Diese eigenartigen und ziemlich verschwommenen geistigen Echoeffekte sind. sind doch. Ach, auch auf die Gefahr hin, unseren Freund Daddy Langbein hier zu beleidigen, wurde ich behaupten, da? sich samtliche sogenannten Eigentumlichkeiten nur in Ihren eigenen starrsinnigen Querkopfen abspielen. Ihre Versuche, Entschuldigungen fur mich zu finden, sind zwar ehrenhaft, aber absolut lacherlich!“

„Ausgerechnet Sie mussen mir erzahlen, ich sei ein starrsinniger Querkopf“, erwiderte Conway gereizt.

Mannon lachte leise vor sich hin, doch Prilicla zitterte schlimmer denn je.

„Eine Sache oder eine Person oder irgendein Ereignis,“ fuhr Conway fort, „deren An- oder Abwesenheit moglicherweise Auswirkungen auf Ihre.“

„Du meine Gute!“ platzte Mannon heraus. „Sie denken doch nicht etwa an meinen Hund?“

Naturlich hatte Conway an Mannons Hund gedacht, aber um das ausgerechnet jetzt zuzugeben, war er in moralischer Hinsicht ein viel zu gro?er Feigling. Statt dessen sagte er: „Haben Sie denn wahrend der Operation an ihn gedacht, Doktor?“

„Ach was!“ widersprach Mannon emport.

Hierauf folgte ein langes, betretenes Schweigen, in dessen Verlauf die Servierklappen aufglitten und ihre dahinter hochfahrenden Essensbestellungen in Sicht kamen.

Mannon unterbrach die Stille als erster. „Ich hab den Hund wirklich sehr gemocht“, sagte er in ruhigem Ton. „Das hei?t, als ich noch ich selbst war. Wahrend der letzten vier Jahre mu?te ich wegen meiner Lehrauftrage standig MSVK- und LSVO-Bander im Kopf mit mir herumschleppen, und in letzter Zeit benotigte ich zusatzlich die Hudlarer- und Melfanerbander, da ich auf Einladung Thornnastors an einem speziellen Projekt teilnehme. Diese Bander geistern also auch noch standig in meinem Kopf herum. Mit einem Gehirn, das glaubt, funf verschiedene Wesen gleichzeitig zu sein, funf vollig verschiedene Wesen, da ist man. na, Sie wissen ja, was das hei?t.“

Naturlich wu?ten Conway und Prilicla nur zu gut, was das hie?.

Zwar besa? das Orbit Hospital die notwendige Ausstattung, jede der galaktischen Foderation bekannte intelligente Lebensform zu behandeln, aber kein einzelnes Wesen hatte auch nur einen Bruchteil der fur diesen Zweck benotigten physiologischen Daten im Kopf behalten konnen. Chirurgisches Geschick war eine Frage der Fahigkeiten und der Ausbildung, doch samtliches Wissen uber die physiologische Beschaffenheit eines Patienten wurde durch ein sogenanntes Schulungsband vermittelt. Auf einem solchen Band waren einfach die Gehirnstrome einer medizinischen Kapazitat aufgezeichnet worden, die der gleichen oder einer ahnlichen Spezies angehorte wie der zu behandelnde Patient. Wenn ein terrestrischer Arzt einen kelgianischen Patienten zu behandeln hatte, speicherte er ein DBLF-Physiologieband im Gehirn und behielt es solange bei sich, bis die Behandlung abgeschlossen war. Danach lie? er es wieder loschen. Die einzigen Ausnahmen stellten Chefarzte mit Lehrauftragen und Diagnostiker dar.

Ein Diagnostiker gehorte zur geistigen Elite und war eines jener seltenen Wesen, deren Psyche und Verstand als ausreichend stabil erachtet wurden, permanent sechs, sieben oder gar zehn Bander gleichzeitig im Kopf gespeichert zu haben. Ihren mit Daten vollgestopften Hirnen oblag in erster Linie die Aufgabe, medizinische Grundlagenforschung zu leisten und neue Krankheiten bislang unerforschter Lebensformen zu diagnostizieren und zu behandeln.

Mit einem Schulungsband wurden einem aber nicht nur die physiologischen Fakten einer Spezies ins Gehirn eingeimpft, sondern auch die Personlichkeit und das Gedachtnis des Wesens, das dieses Wissen besessen hatte. Praktisch setzte sich ein Diagnostiker somit freiwillig einer hochst drastischen Form multipler Schizophrenie aus. Die fremden Personlichkeiten, die seinen Geist scheinbar mit ihm teilten, konnten unangenehme und aggressive Wesen mit allen Arten von Reizbarkeit und Phobien sein — schlie?lich sind Genies nur selten charmante Personlichkeiten. Das wurde nicht nur zu den Essenszeiten deutlich,

sondern insbesondere dann — und auf noch verheerendere Weise —, sobald sich der Bandbesitzer zum Einschlafen entspannen wollte. Die Alptraume von Aliens konnten so entsetzlich alptraumhaft sein und ihre sexuellen Phantasien und Wunschtraume vollkommen ausreichen, die betroffene Person wunschen zu lassen, sie ware lieber tot — vorausgesetzt, sie war uberhaupt noch in der Lage, einen zusammenhangenden Wunsch zu au?ern.

„Innerhalb weniger Minuten“, fuhr Mannon fort, „veranderte sich der Hund von einer wilden, haarigen Bestie, die entschlossen war, mir die Bauchfedern auszurei?en, uber ein gehirnloses Fellbundel, das ich mit einem meiner sechs nicht vorhandenen Fu?e zerquetschen wollte, wenn es mir, verdammt noch mal, nicht aus dem Weg ging, bis hin zu einem absolut normalen Hund, der mit mir nur spielen wollte. Wissen Sie, es war gegenuber dem Koter einfach nicht fair. Zum Schlu? war er nur noch ein sehr alter und verwirrter Hund, und ich bin eher glucklich als traurig daruber, da? er gestorben ist.

Und nun lassen Sie uns uber ein anderes Thema sprechen und vor allem andere Gefuhle ausstrahlen“, beendete Mannon seine Ausfuhrungen forsch. „Ansonsten verderben wir Doktor Prilicla sein Essen noch vollig.“

Aber genau das tat Mannon wahrend des restlichen Mittagessens, indem er mit offensichtlichem Vergnugen eine pikante Klatschgeschichte aus der SNLU-Abteilung der Methanstation zum Besten gab. Wie sich uberhaupt irgend etwas Skandaloses zwischen zwei intelligenten kristallinen Lebensformen ereignen konnte, die bei minus einhundertfunfzig Grad Celsius lebten, verbluffte Conway durchaus, noch mehr erstaunte ihn aber, warum ihre moralischen Fehltritte ausgerechnet fur einen warmblutigen Sauerstoffatmer von solch gro?em Interesse sein konnten. Es sei denn, Chefarzt Mannon empfand innerlich zu diesen Wesen bereits eine starke Bindung, zumal er kurz davorstand, selbst zum Diagnostiker berufen zu werden. Oder kurz davor gestanden hatte.

Wenn Dr. Mannon Thornnastor, dem leitenden Diagnostiker der Pathologie (und als solcher der Chefdiagnostiker des Hospitals), bei einem seiner Projekte assistierte, dann mu?te Mannon einfach in guter physischer und psychischer Verfassung sein, denn Diagnostiker waren bei ihren Assistenten au?erst wahlerisch. Und alles, was der Chefpsychologe Conway uber Dr. Mannon erzahlt hatte, wies in die gleiche Richtung. Aber was war dann vor zwei Tagen in Mannon gefahren, da? er sich im OP derartig tolpatschig aufgefuhrt hatte?

Wahrend sich Mannon und Prilicla unterhielten, wurde Conway langsam klar, da? die erforderlichen Beweise, womoglich schwer zusammenzutragen sein wurden. Die zu stellenden Fragen verlangten nach Takt und einer Rechtfertigung, mit der er den betroffenen Personen seine Vorgehensweise erklaren konnte. Er war mit seinen Gedanken noch immer meilenweit entfernt, als Mannon und Prilicla bereits aufstanden, um zu gehen. Als sie schlie?lich gemeinsam den Tisch verlie?en, flusterte Conway Prilicla ins Ohr: „Irgendwelche Echos, Doktor?“

„Nichts“, antwortete Prilicla. „Absolut nichts.“

Ihre freien Platze am Tisch wurden umgehend von drei Kelgianerinnen eingenommen, die ihre langen, silbrigen Raupenkorper so uber die Lehnen der ELNT-Stuhle drapierten, da? ihre vorderen Greiforgane in einem bequemen Abstand zum Essen uber dem Tisch hingen. Eine der Raupen war Naydrad, die Oberschwester von Mannons OP-Team. Conway entschuldigte sich bei seinen Freunden und kehrte rasch zum Tisch zuruck.

Als er mit seinen Ausfuhrungen fertig war, antwortete Naydrad als erste: „Wir wurden Ihnen ja gerne helfen, Doktor, aber Ihr Wunsch ist au?erst ungewohnlich. Zumindest hie?e das fur uns, einen vollkommenen Vertrauensbruch begehen zu mussen.“

„Ich will ja gar keine Namen wissen“, betonte Conway nachdrucklich. „Die begangenen Fehlleistungen werden lediglich fur statistische Zwecke benotigt und werden keine disziplinarischen Ma?nahmen nach sich ziehen. Es handelt sich dabei nur um eine inoffizielle Untersuchung meinerseits, deren einziger Zweck darin besteht, Doktor Mannon zu entlasten.“

Naturlich wollten die kelgianischen Schwestern ihrem Chef gern helfen, und Conway fuhr fort: „Um also zusammenzufassen: Wenn wir voraussetzen, da? Doktor Mannon zu keinem groben Berufsvergehen fahig ist — was wir ja alle glauben —, dann mussen wir annehmen, da? sein Fehler durch au?ere Einflusse verursacht wurde. Da es uberzeugende Beweise fur seine geistige Ausgeglichenheit gibt und er unter keiner Krankheit oder sonstigen korperlichen Beeintrachtigungen leidet, folgt daraus, da? wir nach einem Einflu? von au?en suchen mussen, der womoglich unkorperlich ist — oder, genauer gesagt, nach den Anzeichen fur das Vorhandensein eines solchen au?eren Einflusses.

Wenn jemand in verantwortlicher Position einen Fehler begeht, ist das immer auffalliger und schwerwiegender als beim Hilfspersonal“, fuhrte Conway weiter aus. „Aber wenn solche Fehler durch au?ere Ursachen hervorgerufen werden, dann wurden sich solche Mi?geschicke nicht nur auf Chefarzte beschranken. Und

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