James White

Radikaloperation

Fur Jeff alias Dr. med. Jeffrey Mcllwain, Mitglied des Royal College of Surgeons der auch mit krankelnden Kuhlschranken hervorragend umzugehen wei?, in dankbarer Anerkennung

Orbit Hospital 08

HEYNE SCIENCE FICTION & FANTASY Band 0604981

Titel der englischen Originalausgabe Code THE GENOCIDICAL HEALER

1996 der deutschen Ausgabe und der Ubersetzung by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, Munchen

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!

1. Kapitel

In einer vorubergehend nicht genutzten Abteilung auf der siebenundachtzigsten Ebene des Orbit Hospitals fand eine Versammlung statt. Der Saal hatte zu verschiedenen Zeiten als Beobachtungsstation fur die vogelahnlichen Nallajimer der physiologischen Klassifikation MSVK gedient, als Operationssaal fur die melfanischen ELNTs und erst vor kurzem als Ausweichstation fur die chloratmenden illensanischen PVSJs, von deren schadlicher Atmosphare immer noch ein Hauch vorhanden war. Jetzt fungierte der Raum zum ersten und einzigen Mal als Verhandlungsort eines Militargerichts und wurde, wie Lioren im stillen hoffte, eher zur Beendigung als zur Verlangerung von Leben genutzt werden.

Drei ranghohe Offiziere des Monitorkorps hatten vor einer aus vielen verschiedenen Spezies bestehenden Zuhorerschaft Platz genommen, die ihnen gegenuber wohlwollend oder ablehnend eingestellt sein konnte, vielleicht aber auch blo? neugierig war. Der ranghochste Offizier, ein terrestrischer DBDG, eroffnete die Verhandlung.

„Ich bin Flottenkommandant Dermod, der Vorsitzende dieses aus besonderem Anla? zusammengetretenen Militargerichts“, sprach er in Richtung des Protokollfuhrers. Indem er den Kopf erst zur einen und dann zur anderen Seite neigte, fuhr er fort: „Als Beirat unterstutzen mich der Terrestrier Colonel Skempton vom Orbit Hospital und der Nidianer Lieutenant-Colonel Dragh-Nin von der Rechtsabteilung fur fremde Spezies des Monitorkorps. Wir sind hier auf Wunsch von Oberstabsarzt Lioren, einem tarlanischen DRLH, zusammengekommen, der mit dem Urteil einer fruheren Verhandlung seines Falls vor einem Zivilgericht der Foderation unzufrieden ist.

Der Oberstabsarzt besteht als Offizier in militarischen Diensten auf seinem Recht, vor ein Militartribunal des Monitorkorps gestellt zu werden.

Die Anklage lautet auf grobe Verletzung der arztlichen Sorgfaltspflicht, die zum Tod einer gro?en, wenn auch nicht genauer bestimmten Anzahl von Patienten fuhrte, wahrend sie sich bei Lioren in Behandlung befanden.“

Ohne die Aufmerksamkeit von den Anwesenden abzuwenden, machte der Flottenkommandant eine kurze Pause, wobei er es jedoch offenbar absichtlich vermied, den Angeklagten direkt anzublicken. In den Reihen von Stuhlen, Hangegestellen und anderen Sitzmobeln, die den physiologischen Anforderungen der Zuhorer entsprachen, befanden sich viele Bekannte von Lioren: der Tralthaner Thornnastor, leitender Diagnostiker der Pathologie; der nidianische Oberlehrer Cresk-Sar und der erst kurzlich zum leitenden Diagnostiker der Chirurgie ernannte Terrestrier Conway. Einige von ihnen waren bestimmt bereit, zu seiner Verteidigung zu sprechen, aber wie viele hatten ihn genauso gern anstandslos beschuldigt, verurteilt und bestraft?

„Wie es in solchen Fallen ublich ist, wird der Verteidiger die Verhandlung eroffnen und der Anklagevertreter das letzte Wort haben“, fuhr Flottenkommandant Dermod in ernstem Ton fort. „Daraufhin werden sich die Offiziere dieses Gerichts zur Beratung zuruckziehen und das einstimmig gefallte Urteil samt Strafe verkunden. Die Verteidigung vertritt der Terrestrier und Major des Monitorkorps O'Mara, der an diesem Hospital bereits Leiter der psychologischen Abteilung fur fremde Spezies ist, seit sie zum erstenmal ihre Arbeit aufgenommen hat. Zur Seite steht ihm die Sommaradvanerin Cha Thrat, eine Angehorige derselben Abteilung. Die Anklage wie auch sich selbst vertritt der Angeklagte, Oberstabsarzt Lioren.

Major O'Mara, Sie konnen beginnen.“

Wahrend Dermods Einleitung hatte O'Mara, dessen Augen tief in den Hohlen sa?en, zum Teil von dunnen Hautlappen verdeckt wurden und im Schatten grauer Haarbuschel lagen, die in Form zweier dicker Mondsicheln uber ihnen wuchsen, Lioren unverwandt gemustert. Als er sich erhob, blieb der Teleprompter dunkel. Ganz offensichtlich hatte er vor, frei zu sprechen.

In der aufgebrachten und ungehaltenen Art, wie sie fur ein Wesen typisch ist, das die Notwendigkeit, hoflich zu sein, nicht gewohnt ist, sagte er: „Mit Erlaubnis des Gerichts, Oberstabsarzt Lioren wird eines Vergehens angeklagt, oder, richtiger gesagt, klagt sich selbst eines Vergehens an, von dem ihn bereits die Zivilgerichtsbehorden seines Heimatplaneten freigesprochen haben. Bei allem Respekt, Sir, weder der Angeklagte noch wir sollten hier vor Ihnen stehen, und diese Verhandlung durfte eigentlich uberhaupt nicht stattfinden.“

„Durch einen au?erst fahigen Verteidiger ist das Zivilgericht auf meinem Heimatplaneten dazu verleitet worden, mir Mitleid und unangemessene Sentimentalitat entgegenzubringen, als mir nichts anderes als Gerechtigkeit hatte widerfahren mussen“, warf Lioren in barschem Ton ein. „In dieser Verhandlung hoffe ich, die…“

„Aha! Ich werde also nicht solch einen kompetenten Verteidiger abgeben, wie?“ unterbrach ihn O'Mara.

„Ich wei? doch, da? Sie ein fahiger Verteidiger sein werden!“ reagierte Lioren unwirsch, wobei er sich durchaus bewu?t war, da? bei der Ubersetzung durch den Translator ein Gro?teil der Emotionen, die in seinem Ausruf mitschwangen, verlorenging. „Genau das ist ja meine gro?te Sorge. Warum verteidigen Sie mich uberhaupt? Bei Ihrem Ruf und Ihrer Erfahrung auf dem Gebiet extraterrestrischer Psychologie und den hohen beruflichen Anforderungen, die Sie an Ihre Mitarbeiter stellen, hatte ich erwartet, Sie wurden mich verstehen und auf meiner Seite sein, anstatt.“

„Aber ich stehe doch auf Ihrer Seite, verdammt noch mal.!“ begann O'Mara zu protestieren. Von dem unverwechselbar terrestrischen und ekelhaften Laut, den der Flottenkommandant plotzlich von sich gab, als er seinen Hauptatemweg von Schleim befreite, wurde er jedoch zum Schweigen gebracht.

„Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit klarstellen, da? jeder, der vor diesem Gericht etwas vorzubringen hat, das Wort direkt an den Vorsitzenden Offizier richten wird und nicht an einen der anderen Beteiligten“, ergriff Dermod in leisem, aber bestimmtem Ton das Wort. „Oberstabsarzt Lioren, Sie werden Gelegenheit haben, Ihren Fall ohne Unterbrechung zu erortern, wenn Ihr gegenwartiger Verteidiger, mag er nun in Ihren Augen dazu befahigt sein oder nicht, seine Ausfuhrungen beendet hat. Fahren Sie fort, Major.“

Ein Auge richtete Lioren auf die Offiziere auf der Richterbank, das zweite heftete er auf die schweigende Menge hinter sich, und mit dem dritten fixierte er unverdrossen den Terrestrier O'Mara, der — immer noch ohne die Hilfe von Notizen — gerade in allen Einzelheiten die Ausbildung, den Werdegang und die bedeutenden fachlichen Leistungen des Angeklagten wahrend dessen Aufenthalts im Hospital im galaktischen Sektor zwolf schilderte. In der Vergangenheit hatte Major O'Mara solche Worte des Lobs uber Lioren zwar nie verloren — und erst recht nicht in dessen Gegenwart — , aber jetzt ware das, was der Chefpsychologe gerade sagte, eher fur eine Lobrede geeignet gewesen, die uber den sterblichen Uberresten eines von allen verehrten Toten gehalten wurde. Bedauerlicherweise war Lioren weder tot, noch wurde er von allen verehrt.

Als Chefpsychologe des Hospitals galt O'Maras Hauptinteresse — fruher nicht weniger als heute — der reibungslosen und rationellen Arbeitsweise der mehr als zehntausend Angehorigen des medizinischen Stabs und des Wartungspersonals. Aus administrativen Grunden bekleidete der Terrestrier O'Mara den Rang eines Majors innerhalb des Monitorkorps, das polizeiliche Aufgaben wahrnahm, den Gesetzen der galaktischen Foderation Geltung verschaffte und au?erdem fur die Versorgung und Wartung des Orbit Hospitals verantwortlich war. Doch

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