einem Wohnblock unweit des Sloane Square, Poirot fiebernd vor Ungeduld.

»Wenn ich nur nicht zu spat komme, Hastings. Gerechter Himmel, nur nicht zu spat!«

»Was bedeutet all diese Hast?«

»Sie bedeutet, da? ich mit schneckenhafter Langsamkeit vorgegangen bin und in schafiger Dummheit nicht das Offenkundige erkannte. Ah, mon Dieu, la? mich nur nicht zu spat kommen!«

9

Obgleich ich den Grund fur Poirots Erregung nicht verstand, kannte ich meinen Freund gut genug, um uberzeugt zu sein, da? ein stichhaltiger Grund vorhanden war.

Endlich hielt das Auto vor Rosedew Mansions. Hercule Poirot sprang hinaus, warf dem Chauffeur ein gro?eres Geldstuck zu, ohne sich den Rest wiedergeben zu lassen, und sturzte ins Haus. Carlotta Adams' Wohnung lag im ersten Stock, wie uns eine Visitenkarte, mit einem Rei?nagel auf einem Brett befestigt, belehrte. Poirot pochte und klingelte zugleich. Nach einer Weile wurde die Tur von einer alteren Frau geoffnet, die ihr Haar straff aus der Stirn gekammt trug. Ihre Augenlider waren gerotet, als hatte sie heftig geweint.

»Miss Adams?« stie? mein Freund hervor.

Die Frau sah ihn betreten an.

»Haben Sie denn nicht gehort ...«

»Gehort? Was?«

Sein Gesicht hatte sich mit einer fahlen Blasse uberzogen, und ich ahnte, da? das, was er befurchtete, eingetroffen war.

»Sie ist doch tot«, berichtete die Frau, indem sie traurig den Kopf hin und her wiegte. »Im Schlaf in die Ewigkeit hinubergeschlummert. Oh, es ist furchtbar!«

Poirot lehnte sich kraftlos gegen den Turpfosten.

»Zu spat!« Wie ein Hauch klang das Wort.

Die Frau betrachtete ihn mitleidig.

»Entschuldigen Sie, Sir, sind Sie ein Freund von ihr? Ich kann mich nicht entsinnen, Sie schon einmal hier gesehen zu haben?«

Der Kleine umging eine direkte Antwort.

»Haben Sie einen Arzt geholt?« erkundigte er sich. »Was sagt er?«

»Da? sie eine zu gro?e Dosis eines Schlafmittels genommen hat. Oh, welch ein Jammer! Solch eine nette, liebe junge Dame. Ja, man kann nie vorsichtig genug mit diesen giftigen Arzneien sein. Veronal, meint der Doktor, sei es gewesen.«

Plotzlich richtete sich Poirot auf.

»Sie mussen mich hineinlassen«, erklarte er mit Entschiedenheit.

Nichtsdestoweniger zauderte die Wirtin, von Argwohn und Zweifeln gepackt. »Ich wei? nicht .«

Aber Poirot gab nicht nach, und wahrscheinlich schlug er den einzigen Weg ein, der zum Ziel fuhren mu?te.

»Sie mussen mich hineinlassen, weil ich Detektiv bin und Nachforschungen hinsichtlich der Umstande, die Miss Adams' Tod herbeifuhrten, anstellen will.«

»Mein Gott . «, wisperte die Frau erschreckt und trat zur Seite.

Und von nun an beherrschte Hercule Poirot die Lage.

»Was ich Ihnen gesagt habe, mussen Sie streng vertraulich behandeln«, gebot er. »Sie durfen es keinem anvertrauen. Jeder soll auch weiterhin glauben, da? Miss Adams einem Unglucksfall zum Opfer fiel. Ich bitte um Namen und Adresse des Arztes, den Sie geholt haben.«

»Dr. Heath, 17 Carlisle Street.«

»Und Ihr eigener Name?«

»Bennett - Alice Bennett.«

»Sie hatten Miss Adams in Ihr Herz geschlossen, wie ich sehe, Miss Bennett?«

»Oh, ja. Sir. Kein Wunder, wo sie so gut und nett war. Ich habe schon vergangenes Jahr, als sie in London auftrat, fur sie gesorgt. Sie war eine echte Dame - kein Leichtsinn, keine Kapricen wie bei anderen Schauspielerinnen.«

Hercule Poirot lauschte voll Aufmerksamkeit und Mitgefuhl, ohne das geringste Zeichen von Ungeduld. Wahrscheinlich vergegenwartigte sich der gro?e Menschenkenner, da? Freundlichkeit das beste Mittel sei, um die Auskunfte, die er benotigte, zu bekommen.

»Arme Miss Bennett - Sie mussen sich ja entsetzlich aufgeregt haben!« bemerkte er sanft.

»Ja, Sir. Ich brachte ihr wie gewohnlich um halb zehn Uhr den Tee hinein, und sie lag, wie ich meinte, im festen Schlaf. Da setzte ich das Tablett nieder und ging zum Fenster, um die Vorhange zuruckzuziehen. Einer der Ringe verfing sich, Sir, so da? ich scharf zu rei?en und zu zerren hatte. Es verursachte einen ziemlichen Larm, und als ich mich umwandte, wunderte ich mich, da? sie nicht davon erwacht war. Und dann, Sir, packte mich jahlings eine hei?e Angst. Irgendwie erschien mir ihre Lage im Bett unnaturlich. Ich ging hin zu ihr, beruhrte ihre Hand. Eisig kalt war sie, Sir. Und vor Grauen habe ich laut geschrieen.« Sie machte eine Pause, um die Tranen abzuwischen.

»Ja, ja, Sie Arme, ich kann mir Ihren Schreck vorstellen. Nahm Miss Adams ofters Schlafmittel?«

»Hin und wieder nahm sie etwas gegen Kopfschmerzen, Sir. Kleine Tabletten aus einer Flasche. Aber der Doktor sagt, da? sie gestern abend ein anderes Mittel geschluckt hat.«

»So. War gestern abend ein Besucher bei ihr?«

»Nein. Sie ging ja gestern gegen sieben Uhr fort.«

»Und wohin?«

»Das wei? ich nicht.«

»Wie war sie gekleidet, Miss Bennett?«

»Sie trug ein schwarzes Kleid und einen schwarzen Hut.«

Poirot warf mir einen vielsagenden Blick zu.

»Und irgendwelchen Schmuck?«

»Nur die Perlenschnur, die sie immer tragt, Sir.«

»Und graue Handschuhe?«

»Ja, graue, Sir.«

»Ah! Nun beschreiben Sie mir bitte, in welcher Stimmung sie sich befand. War sie froh? Aufgeregt? Traurig? Nervos?«

»Mir scheint es, als ob sie sich uber etwas freute. Sie lachelte so stillvergnugt wie uber einen Scherz.«

»Wann kehrte sie heim?«

»Kurz nach zwolf, Sir.«

»Und in derselben frohen Stimmung?«

»Sie war furchtbar mude, Sir.«

»Aber nicht angegriffen? Oder betrubt?«

»Nein, nein, Sir. Nur todmude. Sie ging auch noch zum Telefon, um jemanden anzurufen, doch da der Teilnehmer sich nicht sofort meldete, legte sie mit der Bemerkung, ihre Mudigkeit sei zu gro?, sie wolle das Gesprach lieber auf morgen verschieben, gahnend den Horer nieder.«

»Ah, das ist wichtig!« Poirots Augen gluhten vor Erregung. Er lehnte sich weit nach vorn und fragte mit gewollt gleichgultiger Stimme: »Erinnern Sie sich der Nummer, Miss Bennett?«

»Tut mir leid, Sir. Es war eine Nummer des Amtes Victoria mehr wei? ich nicht. Ich habe nicht achtgegeben, verstehen Sie.«

»Hat sie irgend etwas gegessen oder getrunken, bevor sie zu Bett ging?«

»Wie alltaglich ein Glas hei?e Milch.«

»Wer bereitete es ihr?«

»Ich, Sir.« »Und niemand betrat sonst die Wohnung?«

»Niemand, Sir.«

»Auch im Laufe des Tages nicht?«

»Nein, auch im Laufe des Tages nicht. Miss Adams nahm den Lunch in der Stadt ein und kam erst um sechs Uhr wieder.«

»Wann brachte man die Milch?«

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