»Eh bien, dann bitte ich Sie, Mademoiselle, meine feierliche Versicherung hinzunehmen, da? alles, was ich tue, im Interesse Ihrer toten Freundin geschieht. Glauben Sie mir das?«

Pause. Jenny Driver spielte mit dem Fu? ihres Glases.

»Ja, ich glaube Ihnen«, erklarte sie endlich. »Weiter. Was wollen Sie von mir wissen?«

»Stimmt es, da? Ihre Freundin gestern mit Ihnen lunchte?«

»Ja.« »Sprach sie von ihren Planen fur gestern abend?«

»Um ganz genau zu sein, Monsieur Poirot: Sie erwahnte nicht ausdrucklich gestern abend. Allerdings erwahnte sie etwas, das moglicherweise das ist, nach dem Sie fahnden. Aber bedenken Sie wohl - sie sprach zu mir vertraulich.«

»Selbstverstandlich.«

»Stort es Sie, wenn ich dem Sachverhalt meine eigene Fassung gebe?«

»Durchaus nicht, Mademoiselle.«

»Also gut! Carlotta war erregt, was bei ihr nicht haufig vorkommt. Sie weigerte sich, mir frisch von der Leber weg alles zu erzahlen, verschanzte sich hinter Versprechungen, die sie gegeben hatte, lie? jedoch durchblicken, da? sie etwas im Schilde fuhre einen ungeheuren Possenstreich.«

»Einen Possenstreich?«

»Ja, darauf lief es hinaus, wenn sie auch nicht das Wort selbst gebrauchte. Auch uber das Wie, Wann oder Wo schwieg sie. Nur ...« Sie zogerte, starrte, die Stirn gerunzelt, ins Leere. »Sehen Sie, Monsieur Poirot, Carlotta eignete sich ihrer ganzen Veranlagung nach nicht zu Schabernack und Possenstreichen; sie ist ein ernsthaftes, schwerblutiges und hart arbeitendes Madchen gewesen. Und daher bin ich der Meinung, da? jemand sie zu dem Ganzen aufgestachelt hat. Ich glaube - beachten Sie bitte, da? sie mir das keineswegs sagte .«

»Nein, nein, ich verstehe vollkommen, Mademoiselle. Was glauben Sie?«

»Ich glaube - nein, ich bin sicher, da? irgendwie Geld dabei im Spiele war. Geld, und nur Geld allein vermochte Carlotta ihrer kuhlen Ruhe zu berauben. Es mu? sich schon um eine erkleckliche Summe gehandelt haben, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, da? man sie auf eine Wette festgelegt hat - eine Wette, die sie sicher war zu gewinnen. Nein, nein, so stimmt es auch nicht ganz. Ich meine, Carlotta wettete nicht. Wenigstens habe ich sie in der ganzen Zeit unserer Freundschaft noch nie bei einer Wette getroffen. Aber wie es auch sei: um Geld mu? es sich gedreht haben.«

»Sie sagte es aber nicht eindeutig, wie?«

»N - nein. Freilich sagte sie, da? sie sich sehr bald dies und jenes werde leisten konnen. Sie wollte zum Beispiel ihre Schwester aus Amerika kommen lassen und sich mit ihr in Paris treffen. Ach, sie war ja rein vernarrt in ihre kleine Schwester -ein sehr zartes, aber sehr musikalisches Dingelchen, soviel ich wei?. Genugt Ihnen das, Monsieur Poirot? Ich ware namlich nicht imstande, Ihnen sonst noch etwas zu erzahlen.«

Hercule Poirot nickte.

»Ja. Und es bestatigt meine Theorie. Allerdings will ich Ihnen nicht verhehlen, da? ich auf eine reichere Ausbeute gehofft hatte. Ich rechnete, Miss Adams wurde, als Frau, ihrer besten Freundin das Geheimnis enthullt haben.«

»Nein, sie hat all meinem Drangen widerstanden und mir lachend erklart, da? ich mich noch ein bi?chen gedulden musse; bis ich mehr erfahren konne.«

Poirot ritzte mit dem Daumennagel Linien in das Tischtuch.

»Sie kennen den Namen Lord Edgware, Mademoiselle?« fragte er, plotzlich von seinem Linienwerk aufblickend.

»Wie? Der Mann, der ermordet wurde? Auf einer Polizeibekanntmachung las ich vor einer halben Stunde den Namen.«

»Ja, den meine ich. Wissen Sie, ob Miss Adams mit ihm bekannt war?«

»Ich glaube nein. Aber ... Oh, warten Sie eine Minute. Mein Gott, wie war das doch?« Jenny Driver rieb sich mit beiden Handen die Stirn, als vermochte sie dadurch ihrem Gedachtnis zu helfen. »Halt, jetzt habe ich's. Sie erwahnte den Namen einmal, in au?erster Erbitterung.«

»Erbitterung?«

»Ja. Sie sagte, da? es solchen Menschen unterbunden werden musse, durch ihre Grausamkeit und ihren Mangel an Verstandnis das Leben anderer Leute zu ruinieren. Und weiter, da? er ein Mann sei, dessen Tod fur all und jeden eine Wohltat bedeuten wurde.«

»Wann machte sie diese Au?erung, Mademoiselle?«

»Oh, vielleicht vor einem Monat.«

»Und wie kam sie darauf zu sprechen?«

Wieder strengte Jenny Driver einige Minuten ihr Hirn an, um schlie?lich resigniert den Kopf zu schutteln.

»Ich kann mich nicht mehr darauf besinnen, Monsieur Poirot. Moglicherweise durch eine Zeitungsnotiz .? Aber wie gesagt -da la?t mich mein Gedachtnis im Stich. Nur so viel wei? ich noch, da? ich mich wunderte, wie die beherrschte Carlotta so leidenschaftlich einen Menschen verdammte, den sie gar nicht kannte.«

»Das ist auch verwunderlich«, gab Poirot zu. Und dann fragte er: »Pflegte Miss Adams eigentlich Veronal zu nehmen?«

»Nicht, da? ich wu?te.«

»Und haben Sie jemals eine goldene Dose mit den Buchstaben C. A. aus Rubinen bei ihr gesehen?«

»Eine goldene Dose? Nie, nie!«

»Ist Ihnen zufallig bekannt, wo Miss Adams sich im vergangenen November aufhielt?«

»Ende November fuhr sie nach Amerika zuruck, nachdem sie vorher in Paris gewesen war.«

»Allein?«

»Naturlich allein! Ich mochte wissen, warum alle Welt bei der Erwahnung von Paris immer gleich das Schlechteste annimmt? Sie kennen es doch wahrscheinlich zur Genuge, um mir beizustimmen, da? es eine durchaus ehrbare, solide Stadt ist, Monsieur Poirot. Und au?erdem ist Carlotta nie das leichtsinnige Madchen gewesen, das Ihnen im Augenblick wohl vorschwebt.«

Mein Freund lie? diese Strafpredigt mit engelhafter Geduld uber sich ergehen und stellte gleich darauf eine neue Frage:

»Mademoiselle, nun noch etwas Wichtiges: Gab es in Miss Adams' Leben irgendeinen Mann, der sie besonders fesselte?«

»Darauf hei?t die Antwort nein«, sagte Jenny langsam. »Solange ich Carlotta kenne, ging sie auf in ihrer Arbeit und in der Liebe zu ihrer kleinen Schwester. Die Idee, da? sie das Familienhaupt sei, auf dessen Schultern Verantwortung und Pflichten ruhten, beherrschte sie fortwahrend. Also streng genommen, mu? ich Ihnen antworten: nein. Ist Ihnen mit blo?en Vermutungen gedient, Monsieur Poirot? Dann will ich Ihnen aber gestehen, da? ich in letzter Zeit manchmal stutzte, weil sie mir im Wesen etwas verandert vorkam. Nicht eigentlich vertraumt . eher zerstreut. Ach, ich kann das nicht mit durren Worten erklaren. Es ist eben das, was eine andere Frau nur rein gefuhlsma?ig empfindet - und es mag auch sein, da? ich mich tauschte.«

Poirot nickte.

»Ich danke Ihnen, Mademoiselle. Ah ... nun mu? ich Sie mit noch einer Frage belastigen. Gab es unter Miss Adams' Freunden eine Person, deren Name mit D beginnt?«

»D?« sprach Miss Driver ihm nach. »D? Tut mir leid. Ich kenne keinen.«

11

Ich glaube nicht, da? Poirot eine andere Antwort auf seine Frage erwartet hatte, und dennoch schuttelte er traurig den Kopf und starrte geistesabwesend vor sich hin.

Jenny Driver, die Ellbogen auf die Tischplatte gestutzt, gonnte ihm Zeit, aber nach einer geraumen Weile sagte sie: »Bekomme ich nun auch etwas zu horen?«

»Mademoiselle, Sie haben mir mit solch klugem Verstandnis geantwortet, da? ich Ihnen vor allem erst mal meine Hochachtung aussprechen mu?. Wahrlich, Sie sind klug, Mademoiselle. Wenn Sie mich nun fragen, ob Sie etwas zu horen bekommen, so erwidere ich: leider nicht sehr viel. Einige wenige nackte Tatsachen will ich Ihnen indes erzahlen.«

Er schwieg und fuhr nach ein paar Sekunden im Ton eines sachlichen Berichterstatters fort:

»Gestern abend wurde Lord Edgware in seiner Bibliothek ermordet. Um zehn erschien eine Dame, von der ich vermute, da? es Ihre Freundin gewesen ist, verlangte Lord Edgware zu sprechen und stellte sich selbst als

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