»Ich fasse es als gro?e Ehre auf, Sie bei mir begru?en zu durfen, Monsieur Poirot.«

Sir Montague Corner, ein Mannlein, das mir knapp bis zur Achselhohle reichte, hatte sehr kleine, aber pfiffige schwarze Augen und eine sorgfaltig frisierte Haartolle. Seine Manieren waren gekunstelt und geziert.

»Darf ich Sie Mr. und Mrs. Widburn vorstellen?«

»Wir sind uns bereits bei einer anderen Gelegenheit begegnet«, sagte Mrs. Widburn kuhl.

»Und Mr. Ross.«

Ross war ein junger Mann von etwa zweiundzwanzig Jahren, mit ansprechendem Gesicht und hellblondem Haar.

»Ich falle als Storenfried mitten in Ihr Spiel. Tausend, tausend Entschuldigungen!« bat mein Freund.

»Durchaus nicht. Wir haben noch gar nicht zu spielen begonnen, nur erst die Karten gemischt. Kaffee gefallig, Monsieur Poirot?«

Hercule Poirot dankte, nahm aber einen alten Brandy an, der uns in ungeheuren Bechern serviert wurde.

Wahrend wir ihn kosteten, plauderte Sir Montague bald von japanischen Holzschnitten und chinesischen Lackarbeiten, bald von persischen Teppichen. Von den franzosischen Impressionisten gelangte er mit einem kuhnen Sprung zur modernen Musik und hinterdrein zu den Entdeckungen Einsteins. Dann setzte er sich in seinem riesigen Sessel, der zwei Manner wie ihn hatte beherbergen konnen, weit zuruck und lachelte uns wohlwollend zu. In dem sorgfaltig abgetonten dammerigen Licht des Zimmers, das die erlesensten Kunstschatze fullten, wirkte er wie ein Mazen des Mittelalters.

»Und nun will ich Ihre Gute nicht langer mi?brauchen«, erklarte Poirot, »sondern zu dem eigentlichen Zweck meines spaten Besuches kommen.«

Sir Montague wedelte mit einer merkwurdig klauenartigen Hand durch die Luft.

»Das eilt gar nicht, bester Herr. Wir haben Zeit in Hulle und Fulle.«

»Ja, das fuhlt man, sobald man nur den Fu? uber die Schwelle Ihres Heims setzt«, seufzte Mrs. Widburn verzuckt. »Und das ist herrlich.«

»Wenn man mir eine Million Pfund schenkte, so wurde ich nicht in London selbst wohnen«, sagte Sir Montague. »Hier drau?en weht eine Atmosphare von Friede und Stille, die unser hetzendes, larmendes Zeitalter nicht mehr kennt.«

Ich konnte mich des ruchlosen Gedankens nicht erwehren, da? Sir Montague Corner auf die geruhmte Atmosphare pfeifen wurde, wenn jemand ihm wirklich eine Million Pfund bote; aber ich hutete mich wohlweislich, solche ketzerischen Gefuhle laut werden zu lassen.

»Was ist denn schlie?lich Geld?« murmelte Mrs. Widburn verachtlich.

»Ah«, sagte ihr Gemahl nachdenklich, indem er unwissentlich mit etlichem Wechselgeld in seiner Hosentasche klimperte, was Mrs. Widburn mit einem vorwurfsvollen »Archie!« rugte.

»Verzeihung!« Und Mr. Widburn horte zu klimpern auf.

»In einer solchen Atmosphare von Verbrechen zu sprechen, ist eigentlich unverzeihlich«, begann Poirot.

»Durchaus nicht.« Wieder wedelte Sir Montague gnadig mit der Hand. »Ein Verbrechen kann ein Kunstwerk sein - und ein Detektiv ein Kunstler. Naturlich gilt dies nicht fur die Polizei. Da war zum Beispiel heute ein Inspektor bei mir, ein wirklich komischer Kauz. Vermogen Sie sich vorzustellen, da? der Mann noch nie etwas von Benvenuto Cellini gehort hatte?«

»Vermutlich war er wegen Jane Wilkinson bei Ihnen, wie?« fragte Mrs. Widburn in schnell entbrannter Neugier.

»Die Dame kann von Gluck sagen, da? sie gestern abend sich in Ihrem Haus aufgehalten hat«, mischte sich Hercule Poirot ein.

»Das scheint so. Ich lud sie ein, weil sie schon und talentiert ist und weil ich hoffte, ihr von Nutzen sein zu konnen. Und nun hat das Schicksal gewollt, da? ich ihr in einem ganz anderen Sinn, als wir ahnten, von Nutzen bin.«

»Jane ist uberhaupt ein Gluckskind«, meinte Mrs. Widburn. »Nichts hat sie sich so sehnlich gewunscht, als Lord Edgware loszuwerden. Und da kommt ein Unbekannter und raumt ihr alle Hindernisse aus dem Weg. Man munkelt ubrigens allgemein, da? sie den Herzog von Merton heiraten wird, dessen Mutter au?er sich vor Zorn deswegen ist.«

»Ich mu? sagen, da? sie mich durch ihren Geist noch mehr bezaubert hat als durch ihre Schonheit«, erklarte Sir Montague. »Sie machte ein paar Bemerkungen uber die griechische Kunst, die von klugem Verstandnis zeugten.«

Klugem Verstandnis .! Ich lachelte innerlich, da ich mir Jane ausmalte, wie sie mit ihrer magischen, heiseren Stimme »Ja« und »Nein« oder »Wirklich wundervoll« girrte. Und Sir Montague Corner war der Mann, der die Fahigkeit, seinen eigenen Bemerkungen mit gebuhrender Aufmerksamkeit zu lauschen, als Gradmesser der Intelligenz nahm.

»Edgware ist unleugbar ein sonderbarer Heiliger gewesen«, sagte Widburn, »und wird sich genug Feinde gemacht haben.«

Hierauf wandte sich seine Gattin an Hercule Poirot.

»Stimmt es, da? er mit einem Messer in den Nacken gestochen wurde?«

»Jawohl, Madame. In durchaus sachgema?er, wirksamer - um nicht zu sagen wissenschaftlicher - Weise.«

»Ich merke, welch kunstlerisches Vergnugen Ihnen der Fall bereitet, Monsieur Poirot«, warf der Hausherr ein.

»Darf ich jetzt die Ursache meines Hierseins erlautern?« bat mein kleiner Freund. »Mir wurde gesagt, da? man Lady Edgware wahrend des gestrigen Dinners ans Telefon rief. Gestatten Sie mir, da? ich Ihrem Personal hieruber einige Fragen vorlege?«

»Gewi?, gewi?. Ross, wollen Sie bitte klingeln?«

Auf dieses Klingelzeichen erschien der Butler, ein hochgewachsener Mann von mittlerem Alter und priesterlichem Gebaren.

Sir Montague erklarte, worum es sich handele.

»Wer ging an den Apparat, als es lautete?« begann dann Poirot sein Verhor.

»Ich selbst, Sir. Das Telefon befindet sich in einer der Halle angegliederten Nische.«

»Fragte man nach Miss Wilkinson oder nach Lady Edgware?«

»Nach Lady Edgware, Sir.«

»Wie war der genaue Wortlaut?«

Der Butler uberlegte eine Sekunde.

»Wenn ich nicht irre, Sir, sagte ich >Hallo!<, worauf eine Stimme sich erkundigte, ob dort Chiswick 43434 sei. Auf meine bejahende Antwort hie? man mich am Apparat warten. Hierauf vergewisserte sich eine andere Stimme noch einmal uber die Richtigkeit der Nummer und fragte sodann: >Ist Lady Edgware bei Ihnen zu Tisch? Dann mochte ich sie gern sprechen. < Ich benachrichtigte die Dame, die sich von der Tafel erhob und unter meiner Fuhrung zum Telefon ging.«

»Und weiter?«

»Lady Edgware nahm den Horer auf, sagte: >Hallo!, wer spricht?< und dann: >Ja, ja, Lady Edgware personlich.< Ich wollte mich gerade zuruckziehen, als sie sich umwandte und verwundert bemerkte, die Verbindung sei unterbrochen worden; es hatte jemand gelacht und offenbar den Horer niedergelegt. Ob der Betreffende mir nicht seinen Namen genannt habe .? Dies mu?te ich verneinen, Sir, und damit war das Ganze erledigt.«

»Glauben Sie wirklich, Monsieur Poirot, dieser Anruf stande mit dem Mord in Zusammenhang?« ri? Mrs. Widburn das Wort an sich.

»Unmoglich, daruber zu urteilen, Madame. Immerhin ist es ein sonderbarer Vorfall.«

»Finden Sie? Man erlaubt sich doch manchmal einen Scherz.«

»C'est toujours possible, Madame.«

»War es eine Manner- oder eine Frauenstimme?« begehrte Poirot von dem Butler zu wissen.

»Meiner Meinung nach eine Frauenstimme, Sir.«

»Hoch oder tief?«

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