»Tief, Sir. Mit sorgfaltiger, deutlicher Aussprache.« Er zauderte. »Mir klang es beinahe wie die Stimme einer Auslanderin. Die R's traten ungewohnlich hervor.«

»Donald, Donald, vielleicht ist es eine schottische Stimme gewesen!« rief Mrs. Widburn neckend dem jungen Ross zu.

»Nicht schuldig!« gab er lachend zuruck. »Ich sa? namlich mit bei Tisch.«

Aber Poirot gab den Butler noch nicht frei.

»Wurden Sie die Stimme, wenn Sie sie noch einmal horten, wiedererkennen?« fragte er.

Der Mann blickte unsicher vor sich hin.

»Das wage ich weder zu bejahen noch zu verneinen, Sir.«

»Es ist gut. Ich danke Ihnen, mein Lieber.«

»Bitte sehr, Sir.«

Der Butler verneigte sich gemessen und schritt zur Tur.

Sir Montague Corner, dem es offenbar gefiel, seine Hausherrnrolle mit altfrankischer Grandezza zu spielen, uberredete uns, dazubleiben und am Bridge teilzunehmen. Ich lehnte das Spiel ab mein Geldbeutel glaubte sich den hohen Einsatzen nicht gewachsen. Und der junge Ross fuhlte sich als Zuschauer anscheinend ebenfalls wohler. Jedenfalls endete der Abend mit einem betrachtlichen finanziellen Gewinn fur Poirot und Sir Montague. Dann dankten wir unserem Gastgeber und brachen, gemeinsam mit Ross, auf.

»Ein drolliger kleiner Mann«, meinte Poirot, als wir durch den parkartigen Garten zum Portal schritten.

Angesichts der schonen, sternenklaren Nacht entschlossen wir uns einmutig, ein Stuck des Heimweges zu Fu? zuruckzulegen.

»Ein sehr reicher kleiner Mann«, wandelte Ross den Ausspruch meines Freundes ab.

»Vermutlich.«

»Und wer ihn als Gonner hat, braucht sich uber seine Zukunft nicht mehr zu gramen.«

»Sie sind Schauspieler, Mr. Ross?«

Ross bejahte es und schien betrubt daruber zu sein, da? sein Kunstlerruhm nicht bis zu unseren Ohren gedrungen war. Offenbar hatte irgendein dusteres, aus dem Russischen ubersetztes Stuck ihm kurzlich glanzende Rezensionen eingetragen. Nachdem Poirot und ich seinen Kummer durch ein paar Schmeicheleien gelindert hatten, warf mein Freund beilaufig hin:

»Haben Sie ubrigens Carlotta Adams gekannt?«

»Nein. Ich las aber ihre Todesanzeige in den Abendblattern. Gestorben an einer ubergro?en Dosis Veronal, nicht? Blodsinnig, da? alle diese Madchen irgendeinem Gift verfallen sind!«

»Vor allem ist es traurig, wenn man uber solche Begabung verfugte wie Miss Adams. Haben Sie sie einmal gesehen?«

»Nein. Diese Darbietungen liegen nicht in meiner Linie«, sagte Ross im Ton eines Menschen, fur den nur die eigenen Leistungen Wert haben. »Und das Publikum, das sich um sie ri?, wird sie bald vergessen haben, glaube ich.«

»Ah, da kommt ein leeres Taxi!« Poirot winkte ihm mit seinem Stock.

»Ich gehe noch bis zur nachsten Untergrundbahn und fahre von dort heim«, meinte der junge Kunstler. Und dann brach er plotzlich in ein nervoses Lachen aus. »Wunderlich, dieses Dinner gestern abend!«

»Ja?«

»Wir waren namlich dreizehn, da irgend jemand in letzter Minute abgesagt hatte, merkten es aber erst gegen Ende des Mahls.«

»Und wer brach zuerst auf?« forschte ich. Wieder ein kleines unfreies Lachen. »Ich, Hauptmann Hastings.«

16

Bei unserer Heimkunft fanden wir Japp vor, der geduldig auf uns gewartet hatte.

»Eh bien, mein guter Freund, wie geht es?«

»Na, wenn es besser ginge, konnte es nichts schaden«, erwiderte unser Gast mit ziemlich niedergeschlagener Miene. »Haben Sie vielleicht einen guten Rat fur mich bereit, Monsieur Poirot?«

»Ich habe eine oder zwei kleine Ideen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will.«

»Sie und Ihre Ideen! In gewisser Hinsicht sind Sie ein gefahrlicher Kerl, Monsieur Poirot, wenngleich Ihr komisch geformter Kopf bisweilen verdammt brauchbares Zeug ausbrutet.«

Poirot nahm das mit Tadel vermischte Kompliment kuhl auf. Der andere fuhr fort: »Beschaftigen sich Ihre Ideen etwa mit Lady Edgwares Doppelgangerin? Dann heraus mit der Sprache! Wer war sie?«

Statt einer genauen Antwort erkundigte sich mein Freund, ob Japp je von Carlotta Adams gehort habe.

»Den Namen, ja. Aber im Augenblick wei? ich nicht, wie und wo.«

Poirot gab die notigen Erklarungen und schilderte anschlie?end die Schritte, die wir im Laufe des Tages unternommen und welche Schlu?folgerungen wir aus ihnen gezogen hatten.

»Bei Gott, Sie scheinen recht zu haben, Monsieur Poirot, Kleidung, Hut, Handschuhe und die blonde Perucke . ja, es kann gar nicht anders sein. Bravo, Monsieur Poirot, das nenne ich wackere Arbeit! Zwar glaube ich nicht, da? man diese Carlotta Adams aus dem Wege geraumt hat, nein, nein. Das ist ein bi?chen zu weit hergeholt. Weil ich uber mehr Erfahrung verfuge als Sie, denke ich nuchterner und glaube nicht an einen Drahtzieher hinter den Kulissen. Carlotta Adams wird aus eigenem Antrieb Lord Edgware aufgesucht haben - Erpressung vermutlich, da sie ja angedeutet hat, da? sie eine gro?ere Geldsumme erwarte. Und wie es dann so geht, entbrannte zwischen den beiden ein Streit. Er wurde borstig, sie ebenfalls, und endlich stach sie auf ihn ein. Und ich mochte weiter behaupten, da? sie, zu Hause angekommen, vor Entsetzen uber das, was sie im blinden Zorn angerichtet hatte, eine Uberdosis Veronal schluckte, um sich nicht vor den Richtern verantworten zu mussen. Freilich besteht auch die Moglichkeit, da? ihr Fastnachtsscherz und der Mord nichts miteinander zu tun haben und es nur ein verdammt blodes Zusammentreffen gewesen ist.«

Ich wu?te, da? Poirot diese Ansicht nicht teilte, aber auch Inspektor Japp griff schon wieder auf seine erste Theorie zuruck. »Naturlich werden wir auskundschaften, ob zwischen dem Ermordeten und dem toten Madchen irgendeine Verbindung bestanden hat«, sagte er.

Nunmehr berichtete Poirot von dem Brief nach Amerika, den Miss Adams' Dienerin spat nachts noch befordert hatte, und Japp pflichtete meinem Freund bei, da? dieses Schreiben wertvolle Fingerzeige enthalten konne. Er machte sich eine Notiz und fuhr dann fort:

»Ich sprach auch mit Hauptmann Marsh, dem jetzigen Lord Edgware. Bis uber die Ohren verschuldet und mit dem Onkel uberworfen - das genugt eigentlich, um in den Kreis der Verdachtigen einbezogen zu werden. Aber der gluckliche Erbe konnte mir ein einwandfreies Alibi nachweisen; er war mit den Dortheimers in der Oper. Ich lie? vorsichtshalber die Angaben nachprufen - sie stimmen. Er hat das Dinner in ihrer Gesellschaft eingenommen, sie dann in die Oper begleitet, und hinterher sind sie zu viert zu Sobrams gegangen.«

»Und Mademoiselle?«

»Edgwares Tochter meinen Sie? Auch sie verbrachte den Tag au?erhalb des Hauses. Zum Dinner bei einer Familie Carthew West, mit denen sie ebenfalls die Oper besuchte. Ein Viertel vor zwolf kam sie heim ... Das ist die Tochter. Miss Carroll, die Sekretarin, halten Sie wohl auch fur eine durchaus anstandige, uber jeden Verdacht erhabene Person? Weiter der Butler. Ich mu?te lugen, wenn ich sagen wollte, da? er mir gefallt. Irgend etwas ist faul mit ihm; dunkel und unverstandlich auch, weshalb ihn Lord Edgware in seine Dienste nahm. Keine Bange, Monsieur Poirot, ich werde in der Vergangenheit dieses Menschen noch grundlich herumstobern! Aber ihn des Mordes beschuldigen . ? Ich sehe nicht, welchen Grund er gehabt haben konnte.«

»Und sonst nichts Neues?«

»Lord Edgwares Schlussel fehlt, wenn Ihnen das der Erwahnung wert erscheint.«

»Der Hausschlussel?«

»Ja.«

»Naturlich ist das wichtig, mon ami!«

»Moglich. Bedeutsamer aber dunkt mich die Tatsache, da? Lord Edgware gestern fur seine Pariser Reise hundert Pfund in franzosische Noten umgewechselt hat, die verschwunden sind.«

»Wer teilte es Ihnen mit?«

»Miss Carroll, die das Geld auf der Bank besorgte. Sie erwahnte es rein zufallig, und erst hinterher fand ich heraus, da? es fehlte.«

»Wo war es gestern abend?«

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