»Erzahlen Sie mir lieber, wie Lord Edgware uber sein Geld verfugte. Das ist augenblicklich wichtiger.«

»Alles, was nicht zum Fideikommi? gehort, hat er seiner Tochter vermacht. Ein Legat von funfhundert Pfund fallt an Miss Carroll. Andere Legate sind nicht vorgesehen. Mithin ein sehr kurzes, bundiges Testament.«

»Und wann wurde es abgefa?t?«

»Kurz nachdem seine Frau ihn verlie? - vor reichlich zwei Jahren. Er schlie?t sie ausdrucklich von jeder Erbschaft aus.«

»Ein rachsuchtiger Mensch«, murmelte Poirot.

Und dann ging Japp mit einem munteren »Auf Wiedersehen« davon, weil Martin Bryan bereits im Turrahmen auftauchte.

Er war mit vorbildlicher Eleganz gekleidet, und jeder, der ihm Gerechtigkeit widerfahren lie?, mu?te ihn einen schonen Mann nennen. Aber auf mich machte er einen verstorten und nicht sehr glucklichen Eindruck.

»Ich glaube, da? ich ungebuhrlich lange auf mich warten lie?, Monsieur Poirot«, entschuldigte er sich. »Und zudem habe ich Ihre Zeit fur nichts und wieder nichts in Anspruch genommen.«

»En verite?«

»Ja. Ich sprach mit der betreffenden Dame, beschwor sie, flehte . aber sie will nichts davon horen, da? Sie sich der Angelegenheit annehmen. Infolgedessen bin ich gezwungen, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Es tut mir leid, da? ich Sie belastigte .« »Du tout - du tout«, sagte Hercule Poirot liebenswurdig. »Ich erwartete nichts anderes.«

»Ah ... Sie erwarteten das? ...« stammelte er.

»Mais oui. Sobald Sie davon redeten, sich mit Ihrer Freundin ins Einvernehmen setzen zu wollen.«

»Dann haben Sie schon eine Theorie?«

»Ein Detektiv hat immer eine Theorie, Mr. Bryan. Man erwartet das von ihm. Ich selbst pflege dergleichen allerdings eine kleine Idee zu nennen. Das ist die erste Stufe.«

»Und die zweite?«

»Wenn die kleine Idee sich bewahrheitet - dann wei? ich. Nichts einfacher als das, nicht?«

»Wollen Sie mir nicht erzahlen .«

»Merken Sie sich das eine, mein Lieber: Der Detektiv erzahlt nichts.«

»Aber vielleicht andeuten?«

»Nein. Immerhin mogen Sie erfahren, da? meine Theorie entstand, als Sie den Goldzahn erwahnten . Doch meine ich, wir sollten zu einem anderen Gesprachsstoff ubergehen«, lachelte mein Freund.

»Doch die Frage Ihres Honorars . Sie mussen mir gestatten .«

Poirot schnitt ihm mit einer ungewohnt herrischen Bewegung das Wort ab.

»Pas un sou! Ich habe nichts getan, um Ihnen zu helfen.«

»Aber Sie opferten mir Ihre Zeit.«

»Wenn mich ein Fall interessiert, nehme ich kein Geld an. Und der Ihrige interessiert mich ungemein.«

Der Schauspieler zupfte nervos an seinen Handschuhen und Poirot schlug ihm auf die Schulter: »Nochmals, sprechen wir von etwas anderem.« »Ich sah eben den Beamten Scotland Yards von Ihnen fortgehen. Er war heute auch bei mir und legte mir ein paar Fragen uber die arme Carlotta Adams vor.«

»Sie haben sie gut gekannt, nicht wahr?«

»Gut - das ware zuviel gesagt. Ich kannte sie als Kind in Amerika. Hier waren wir nur selten zusammen. Die Polizei scheint an einen Selbstmord zu glauben, Monsieur Poirot.«

»Moglich. Ich jedoch glaube nicht, da? es sich um Selbstmord handelt.«

»Auch ich halte einen Unglucksfall fur wahrscheinlicher.«

Dann stockte das Gesprach, bis Hercule Poirot mit einem Lacheln sagte: »Finden Sie nicht ebenfalls, da? der Fall Edgware beginnt, reichlich verworren zu werden?«

»Ja. Wissen Sie ... oder vielmehr hat man irgendwelche Mutma?ungen, wer es war, jetzt, nachdem Jane endgultig ausscheidet?«

»Mais oui, die Polizei hegt einen starken Verdacht.«

Martin Bryans Spiel mit den Handschuhen begann von neuem.

»Wirklich? Gegen wen?«

»Der Butler ist gefluchtet. Sie begreifen: Flucht ist so gut wie eine Beichte.«

»Der Butler?«

»Jawohl. Er war ein au?ergewohnlich gut aussehender Mensch ein wenig ahnelte er Ihnen, Monsieur Bryan.« Diese Worte begleitete Poirot mit einer kleinen Verneigung.

»Seit wann gehoren Sie zu den Schmeichlern, Monsieur Poirot?« entgegnete der Filmschauspieler mit einem kurzen Auflachen.

»Nein, nein, nein. Ist Martin Bryan denn nicht der Abgott aller jungen Madchen, gleichgultig ob Dienstmadchen, Backfisch, Schreibmaschinenfraulein oder Dame der Gesellschaft? Gibt es eine einzige, die Ihnen widerstehen kann?«

»Oh, eine ganze Menge vermutlich«, erwiderte Bryan, und unvermittelt brach er auf. »Noch einmal vielen Dank, Monsieur Poirot. Und Verzeihung wegen der Storung.«

Jetzt trat der verstorte Ausdruck noch mehr zutage und machte den Mann um Jahre alter.

Ich wurde von Neugier verzehrt, und sobald die Tur hinter ihm ins Schlo? fiel, besturmte ich meinen Freund:

»Poirot, haben Sie wirklich erwartet, da? er auf die Untersuchung dieser seltsamen Vorfalle in Amerika verzichten wurde?«

»Sie horten es doch.«

»Aber dann ...« Rasch stellte ich eine logische Uberlegung an. »Dann mussen Sie ja wissen, wer die geheimnisvolle junge Dame ist?«

»Ich habe wieder einmal eine kleine Idee, mein Freund, auf die mich, wie gesagt, der Goldzahn brachte. Im ubrigen konnten Sie genausoviel wissen wie ich, wenn Sie den Verstand, den Ihnen der liebe Gott mitgegeben hat, gebrauchen wurden. Manchmal freilich, mein guter Hastings, bin ich versucht zu glauben, da? er Sie aus Versehen bei der Verteilung uberging ...«

18

Ich habe weder die Absicht, den Untersuchungstermin in der Sache Edgware zu beschreiben, noch jenen, der sich mit Carlottas Ableben befa?te. Bei Carlotta lautete der Spruch: Tod infolge eines Unglucksfalles. In der Affare Lord Edgwares wurde nach Verlesung der arztlichen Gutachten die Verhandlung vertagt. Auf Grund der Magenanalyse war man zu dem Schlu? gekommen, da? der Tod mindestens eine Stunde nach dem Dinner, moglicherweise auch anderthalb bis zwei Stunden nachher, eingetreten sei - das hie? also zwischen zehn und elf Uhr.

Kein Wort sickerte daruber in die Au?enwelt, da? Carlotta unter der Maske Jane Wilkinsons den Ermordeten aufgesucht hatte. Die Zeitungen veroffentlichten eine Beschreibung des fluchtigen Butlers, den man allgemein als den Tater bezeichnete. Seine Geschichte von Jane Wilkinsons abendlichem Besuch wurde als freche Luge gewertet, zumal die Offentlichkeit von Miss Carrolls bekraftigendem Zeugnis gleichfalls nichts erfuhr. Und all die spaltenlangen Aufsatze uber den Mord waren eigentlich klaglich arm an wirklichen Tatsachen.

Inzwischen war Japp eifrig bei der Arbeit. Da ich dies wu?te, verdro? mich die faule Mu?e, der Poirot sich hingab, ein wenig. Nicht zum erstenmal meldete sich bei mir der Argwohn, da? sie ein Zeichen nahenden Alters sei. Er erging sich in Entschuldigungen, die nicht sehr uberzeugend klangen.

»Wenn man eine gewisse Anzahl von Jahren auf dem Rucken hat, erspart man sich Unruhe und Lauferei«, erklarte er.

»Aber mein guter Poirot, Sie mussen sich nicht fur alt halten«, widersprach ich, denn ich fuhlte, da? ihm ein Ansporn vonnoten war. Behandlung durch Suggestion - das ist doch die moderne Auffassung. »Sie stehen in der Blute des Lebens, sind geschwellt von Kraft. Wenn Sie nur wollten, konnten Sie ausgehen und diesen Fall blendend losen.«

Hercule Poirot jedoch erwiderte, da? er vorzoge, ihn sitzenderweise zu losen.

»Aber das konnen Sie doch nicht, Poirot.«

»Nicht vollig - das gebe ich zu.«

»Verstehen Sie mich doch recht, mein Lieber: Wir tun nichts, und Japp tut alles.«

»Was mir wunderbar gefallt«, erganzte er unerschuttert.

Вы читаете Dreizehn bei Tisch
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату