„Ein verzauberter Waldgeist.“ Bertha lachelte.

„Ich?“ Bird Alyn wand den Me?stab in ihrer Hand und lachte verlegen. „Oh, nicht doch… Diese Pflanzen sorgen selbst fur sich, wirklich, es ist einfach… nicht wie auf Lansing… sie sehen so anders aus hier, so uppig und saftig…“

„Die?“ Bertha sah auf.

„Auf Lansing wachsen die Dinge einfach hoch; sie wissen nicht, wann sie aufhoren mussen. Es ist schwierig, die Wurzeln mussen bis zum Felsuntergrund vordringen, um Halt zu fassen… und all die Mutationen…“ Bird Alyn verstummte, plotzlich ihrer eigenen Stimme bewu?t.

Bertha setzte sich auf eine Holzbank und griff nach dem seltsam geformten Ding, das halb unter einem Weinstock verborgen war. Claires Gitarre. „Claire hat sich um die Hydroponik gekummert, manchmal spielte sie fur die Pflanzen. Das ist ein Musikinstrument“, fugte sie hinzu, als sie Bird Alyns verwirrten Gesichtsausdruck sah. „Abends kamen wir immer hier herunter und sangen. Sie glaubte, die Pflanzen wurden sich an der Musik und an der emotionalen Gemeinschaft erfreuen. Naturlich hatte Lara immer gesagt, sie wollten lediglich das Kohlendioxid…und Sean sagte, es sei die hei?e Luft.“ Ihr Mund verzog sich schmerzvoll. „Und Eric… Eric sagte, es sei wahrscheinlich von allem ein bi?chen…“ Sie hob ihre Hand zum Gesicht; uberrascht zahlte Bird Alyn vier goldene Ringe, ehe sie sie wieder senkte.

„Wie… ah… wie funktioniert es?“ Sie hatte ein Madchen gekannt, das sich aus einem Ast eine Pfeife gemacht hatte. „Die Gitarre, meine ich.“ Sie lehnte sich zuruck an ein stabiles, holzernes Regal und stie? sich mit einer raschen Bewegung uber dessen Rand hinweg hoch.

„Ich kann dir davon keine gute Vorstellung geben, Claire war ein Kunstler; ich beherrsche nur ein paar Akkorde. Aber es geht etwa so…“ Der Kapitan legte die Gitarre uber ihren Scho? und ihre Finger auf die Saiten. Zartlich strich sie daruber.

Bird Alyn erschauerte. „Oh…“

Bertha lachelte; ihre Finger veranderten ihre Stellung auf den Saiten, und das schimmernde Wasser der Tone veranderte sich. Sie begann zu singen — fast unbewu?t, dachte Bird Alyn —, mit einer warmen, klaren Stimme, die sich mit der Musik verband.

„Aus Lernen resultiert Verstehen, Niemand verandert die Welt geschwind, Du mu?t deinen Lebensweg gehen. Du kannst es nicht andern, kleines Kind…“

Bird Alyn fuhlte, wie ihre Kehle sich zusammenzog, sie sah hinunter auf ihre verkruppelte Hand und blinzelte.

Sie horte, wie der Kapitan einen tiefen Atemzug tat, von ihren eigenen Erinnerungen gefesselt. „Tut mir leid.“ Die klare Stimme bebte unmerklich. „Ich hatte etwas ein klein wenig Frohlicheres finden sollen.“

„Bitte… willst du mir noch etwas vorspielen?“ Bird Alyn sah auf.

Berthas Gesicht hellte sich auf. „Also gut… ich kann nicht viel, nur ein paar alte Volksweisen. Es ist eine seltsame Wirkung, die das Singen auf die Leute hat — das Band, das sich zwischen einem entwickelt, das Gefuhl der Zusammengehorigkeit. Das gibt dir die Kraft weiterzumachen, wenn es schlecht steht. Und es ist so schwer, jemanden zu hassen, wenn man mit ihm singt, so schwer, argerlich zu werden…“

„Gemeinsam wollen wir weiter wandern, Unser Lied niemals enden kann, Schwester, Bruder, Vater, Mutter, Teilen ihr Leben mit den andern, Freund und Frau und Mann…“

Bird Alyn beugte sich nach vorn, wie eine Blume sich dem Licht zuwendet. „Morningside mu? ein wunderschoner Ort sein.“

Bertha gab ein Gerausch von sich, das nicht ganz ein Lachen war. „Nein, es ist… Ja. Ja… in gewisser Weise, auf seine eigene Art.“ Ihre Finger strichen erneut uber die Saiten.

„Ich wollte, ich konnte das auch… Kennst du… kennst du auch Liebeslieder?“ Der Kapitan sah scharf auf; Bird Alyn erkannte, da? sie irgendwie etwas Falsches gesagt hatte.

„Ich bringe dir gerne die Gitarrenakkorde bei, die ich kann, Bird Alyn, wenn du das willst. Vielleicht vermissen die Pflanzen die Musik.“

Bird Alyn verschrankte die Arme. „Ich… ich glaube, ich habe nicht genug Finger…“

Das Gesicht des Kapitans erstarrte in plotzlicher, peinlicher Besturzung. „Oh. Nun, ich glaube, ich kann die Saiten fur dich vertauschen; ich habe schon oft Gitarren gesehen, die linkshandig gespielt wurden. Mochtest du das?“ Sie lachelte wieder.

„Oh, ja.“ Bird Alyn glitt von dem Regal herunter und lie? den Me?stab abwesend in der Luft hangen. Er entglitt ihren gefuhllosen Fingern und fiel zu Boden. Instinktiv streckte sie ihren langen, blo?en Fu? aus, um ihn aufzuheben, verlor die Balance und fiel. „Verdammtes Pech!“ Auf dem Boden ausgestreckt, griff sie nach dem Instrument, schuttelte es und las die Skala ab, wahrend ihr eine vertraute Rote hei? ins Gesicht scho?.

Der Kapitan kam zu ihr, ergriff ihre Arme und half ihr behutsam wieder auf die Beine. „Alles in Ordnung?“ Dabei strich sie ihr trostend uber den Arm, wie eine Mutter sie wohl getrostet hatte. „Nicht wahr, es dauert seine Zeit, bis man die Gewohnheiten eines Lebens abgelegt hat?“

Bird Alyn senkte den Blick, von Berthas Besorgnis verwirrt. „Kann man sich denn uberhaupt daran gewohnen? Ich meine, wenn man nicht von Geburt an daran gewohnt ist…“

„Mit der Zeit. Morningsides Schwerkraft ist geringer als ein Grav, aber auf dem Schiff waren wir mehr als drei Jahre lang einem Grav ausgesetzt, und jetzt spuren wir den Unterschied kaum noch. Ich habe einige der Studien aus der Alten Welt uber die Anpassung an ein Grav von geringerer Schwerkraft gelesen. Es ist moglich, aber man braucht uber ein Jahr — drei?ig oder vierzig Megasekunden —, um sich von null Grav auf eine Dauerbelastung umzustellen. Au?erdem bringt es gro?e Belastungen fur den Korper mit sich. Aber sie kamen zu dem Schlu?, mit einer angemessenen medizinischen Versorgung sei es zu schaffen.“

„Da wurde ich aber lieber wieder nach Hause gehen“, sagte Bird Alyn.

„Ich auch.“ Bertha nickte.

Aber das kannst du nicht. Bird Alyn sah hinab zu ihr und errotete erneut. „Ich meine… immer sage ich die falschen Dinge!“

„Nein. Das will jeder von uns, Bird Alyn. Und das machen wir ja schlie?lich auch.“ Bertha betrachtete ihre funkelnden Ringe, und ihr Gesicht hellte sich auf.

Bird Alyn horte irgendwo Wasser tropfeln. Sie dachte dabei an Tranen. Schlie?lich horte sie, wie noch jemand das Labor betrat, dieses Mal war es Shadow Jack.

Bertha lachelte, ein privates, erfreutes Lacheln, und folgte ihrem Blick. Dann wandte sie sich wieder der Bank zu und nahm die Gitarre an sich. „Ich werde die Saiten fur dich andern, wenn ich dazu komme. Aber jetzt gehe ich besser an meine Arbeit zuruck. Wir sind fast im Hoheitsgebiet des Demarchy, ihr werdet euch nicht mehr lange mit der Schwerkraft plagen mussen.“ Sie ging zum Eingang, wo sie kurz mit Shadow Jack sprach, als sie hinausging. Bird Alyn sah, wie er ihr mit seinem Blick folgte, mit einer Bewunderung, die fast schon an Verehrung grenzte. Bird Alyn fuhlte Arger in sich aufsteigen, doch gewohnheitsma?ig schluckte sie ihn herunter. Ihr Mund verzog sich schmerzlich, als habe sie eine Maske gewechselt.

Rusty wand sich in Shadow Jacks Armen, und als sie sie sah, begann die Katze ungeduldig zu miauen. Shadow Jack lie? die Katze fallen, noch immer halb furchtsam wegen ihrer Fremdartigkeit. Rusty kam herubergetrottet und rieb sich an Bird Alyns nackten Knocheln. Bird Alyn buckte sich und hob die Katze auf, eine rosa Zunge glitt hocherfreut wie Sandpapier uber ihr Kinn. Schnurrend lie? Rusty sich auf ihrer Schulter nieder. Sie

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату