„Schien verdammt aussichtsreicher, als das Schiff gewaltsam zu nehmen. Ein Schiff verloren — geschieht ihm recht.“ Er starrte uber das Niemandsland zur Opposition hinuber. Raul behielt seine ausdruckslose Miene bei.
Chatichai hob sowohl den Blick als auch seine Stimme. „Die Frage, Gentlemen, ist nun nicht etwa, ob Kapitan Smith gema? den Interessen der Gro?en Harmonie handelte, sondern, welche Aktionen weiterhin bezuglich dieses Schiffes unternommen werden sollten. Ich glaube, niemand hier will bestreiten, da? dieses Schiff aus einem anderen System kommt…“ Er machte eine Pause, doch niemand bezweifelte es. „Und ich glaube, wir mussen niemandem im Detail darlegen, was ein solches Schiff fur unsere Okonomie bedeuten wurde… oder fur die des Demarchy, wenn es an unserer Statt das Schiff in die Hand bekommt.“ Eine weitere Pause. „Aber ist es vorstellbar oder wahrscheinlich, dieses Schiff in die Hand zu bekommen? Und andererseits — welche Ma?nahmen sollten getroffen werden, um zu verhindern, da? es in die Hande des Demarchy fallt?“
Raul betrachtete den matten Glanz der Plastikoberflache des Tisches, er sah durch sie hindurch, wahrend er mit halber Aufmerksamkeit der Debatte lauschte, die am Tisch entbrannt war: Das Schiff war beschadigt… nichts, was Himmels Gurtel ihm entgegensetzen konnte, war in der Lage, es einzuholen. Das Schiff konnte sich wegen des Angriffs das Demarchy aussuchen… es gab keinen Grund anzunehmen, das Schiff wurde nun noch irgend jemandem im Gurtel vertrauen. Das Schiff war die Losung fur das Uberleben der Harmonie… das Schiff war ein Phantom, dessen Verfolgung nur wichtige Rohstoffe vergeuden wurde, deren Verlust man sich nicht leisten konnte…
Raul sah auf und ordnete seine eigenen Gedanken. Er sprach naturgema? erst dann, wenn er alle Seiten einer Frage betrachtet hatte; schon vor langer Zeit hatte er gelernt, da? selektive Stille ein wesentlich effektiveres Werkzeug als eine laute Stimme war. Seit seiner Beforderung zur Hand hatte er sie mit sehr gutem Erfolg benutzt, um sich die Reputation zu erwerben, zu bekommen, was er wollte, um die Effizienz der Handelsmarine zu steigern und den Einflu? der Handelsfraktion zu starken. Als er eine Lucke entdeckte, griff er in die Diskussion ein. „Wie Sie alle wissen, habe ich mich von Anfang an gegen den Aufbau und Unterhalt der schweren Streitkrafte ausgesprochen…“ Er warf einen Blick uber den Tisch, sah Ablehnung auf der anderen Seite, fuhlte Lobaschewskis Zustimmung neben sich, die sich uber die ganze eigene Seite ausbreitete. Zusammen mit einer Minderheit der anderen war er der Ansicht, das Demarchy verfuge uber keinerlei ernsthafte Faktoren zur Bedrohung der Sicherheit der Gro?en Harmonie und die Ressourcen, die zum Unterhalt der Verteidigungsflotte verwendet wurden, dienten den Interessen der Gro?en Harmonie besser, wurde man sie zum Handel innerhalb der Ringe und auch zum Handel mit dem Demarchy verwenden. Denn er wu?te, der Status quo bedeutete eine Verschlechterung, und absolut nichts konnte diesen Befehl ruckgangig machen. „Doch dies ist eine Situation, die ich niemals vorhersah. In dieser Situation, das gebe ich zu, bin ich glucklich, da? wir uber gut ausgerustete Streitkrafte verfugen… und ich bin bereit, sie zur Verfolgung dieses Schiffes heranzuziehen…“ Ein angesichts dieses Verrates indigniertes Stimmengewirr unterbrach ihn; er verfolgte, wie der Arger sich langsam in Uberraschung verwandelte. „Ich wei?, es ist ein Spiel mit hohen Risiken. Ich wei?, es wird vielleicht vergeblich sein; die Umstande, die dem Einfangen dieses Schiffes entgegenstehen, sind verdammt hoch. Aber es ist nicht unmoglich: Das Schiff ist beschadigt, und wir wissen nicht, in welchem Ausma?. Vielleicht liegen sie im Moment irgendwo in Lansing, wenn Lansing noch existiert; es ist einen Verlust wert, das herauszufinden. Wir haben diese verdammte Schlachtflotte, ob wir es wollen oder nicht — la?t sie uns einem vernunftigen Zweck zufuhren! Wenn wir soviel uber das Raumschiff wissen, konnen Sie Ihren Kopf darauf verwetten, das Demarchy wei? ebensoviel — und ist ebenso interessiert. Ich glaube, sie sind ohne das Schiff keine Gefahr, aber wenn sie das Schiff in die Hand bekommen und wir nicht, wird alles, was wir in Zukunft unternehmen, einen rein akademischen Charakter haben.
Ich bin der Meinung, die am schnellsten bereitzustellenden Einheiten sollten sofort startklar gemacht werden, um das Schiff in Richtung Lansing zu verfolgen. Und ich bitte darum, das Kommando zu bekommen…“
Als der Druck der Beschleunigung plotzlich nachlie?, verbla?te in seiner Erinnerung die Scharfe der letzten Debatte, die angestaute Spannung fiel von seinem Korper ab. Am Ende hatte er gewonnen, da es niemanden im Saal gegeben hatte, der seine Aufrichtigkeit oder seine Entschlossenheit in Frage stellte, jedes gesteckte Ziel auch zu erreichen. Daher befanden die Schiffe sich nun im freien Fall nach Lansing. Und wenn die Lebenserhaltungssysteme durchhielten, wurden sie etwas finden — alles oder nichts. Die Karten waren aufgedeckt; die Gro?e Harmonie hatte auf die allerletzte Chance gesetzt, die sie jemals haben wurde.
Ranger (Hoheitsgebiet Demarchy)
+ 553 Kilosekunden
„Nein, das wird auch nicht funktionieren. Sie konnen erkennen, da? es kein Vorkriegsschiff ist.“ Bird Alyn schuttelte den Kopf; ihr Haar, zu zwei kurzen Pferdeschwanzen zusammengebunden, stand von ihrem Kopf ab wie Seegras.
„Dann gibt es nichts mehr, was mir vorerst einfallen wurde.“ Bertha sah fragend von Gesicht zu Gesicht. Clewell sa? vorschriftsma?ig angeschnallt in seinem Sitz, Bird Alyn und Shadow Jack rakelten sich in der Luft, vollig sicher angesichts des Fehlens jeglicher Gravitation. Die funftagige Reise uber sechzig Bogensekunden am Orbit von Diskus entlang hatte sie verandert: Korper und Haar glanzten sauber, ihre Gestalten steckten in Kattunhosen und weichen Pullovern. Doch die Beschleunigung von einem Grav hatte sie zu Boden gestreckt wie Fliegen, immer noch winselten sie wegen ihres Muskelkaters und der Erinnerung. Und noch andere Erinnerungen spiegelten sich dunkel in ihren Augen und schnellen, nervosen Worten, Erinnerungen an eine Vergangenheit, bei deren blo?er Vorstellung Bertha glucklich war, sie nie kennengelernt zu haben.
„Ich sage immer noch, du solltest dem Demarchy den Rucken kehren.“ Shadow Jack streckte einen dunnen, bronzefarbenen Fu? aus und streichelte Rusty fluchtig, als diese voruberschwebte. „Wir hatten zu den Ringen gehen sollen. Es ist erheblich einfacher, dort zu stehlen. Wenn du mich fragst…“
„Ich frage nicht… danach.“ Bertha lachelte leicht. „Ich mochte handeln, nicht stehlen… Ich wei? bereits, wie ,sicher’ es in den Ringen von Diskus ist, Shadow Jack.“
„Aber das Demarchy ist schlechter. Sie haben eine hohere Technologie.“
„Um wieviel hoher? Das wei?t du nicht genau. Und au?erdem halten sie nicht nach uns Ausschau. In eurem Schiff verborgen, konnen wir in eine Destille gelangen und wieder hinaus, bevor sie uberhaupt merken, was los ist. Aber was bieten wir ihnen fur ihren Wasserstoff?“ Erneut vergegenwartigte sie sich das Inventar, und sie kampfte mit dem Wissen, da? nur Eric hatte entscheiden konnen, was richtig war, was man anbot, was man sagte. Nur Eric war darauf trainiert worden…
Shadow Jack zog stirnrunzelnd an seinen Zehen. Bird Alyn fing Rusty und lie? sie langsam kopfuber wieder in der Luft hangen. Rusty fing ihren eigenen Schwanz und begann ihn zu waschen. Bird Alyn lachte kaum horbar.
„Die Katze“, sagte Shadow Jack. „Wir konnten ihnen die Katze geben!“
„Was?“ Clewell streckte sich emport.
„Sicher. Niemand hat mehr eine Katze. Und niemand im Demarchy kann wissen, da? wir keine haben, Lansing besa? einstmals viele Tiere. Und das ist genau das, wofur die Demarchos fast alles geben wurden: fur etwas wirklich Rares. Der Besitzer einer Destille wurde euch vielleicht seine halbe Fabrik geben, um Rusty zu besitzen.“
„Das ist lacherlich“, sagte Clewell.
„Nein… vielleicht ist es das nicht, Pappy.“ Bertha breitete die Arme aus, und Rusty stie? sich in ihre Richtung ab. „Was er sagt hat Hand und Fu?. Rusty, wurde es dir gefallen, wie eine Konigin zu leben?“ Sie schlo? Rusty in ihre Arme, schlo? darin all die Erinnerungen an die Gesichter ihrer Kinder ein, als sie ihr diese Bekundungen ihrer Liebe gegeben hatten. Ihre Kehle schnurte sich zusammen, sie konnte kein Wort mehr hervorbringen. Sie fragte sich, was ihnen noch alles abverlangt werden wurde, wu?te, was auch immer der emotionelle Preis sein wurde, sie mu?ten ihn bezahlen, wenn sie damit die Heimreise nach Morningside bezahlen konnten. Sie sah tiefe Sorge in Bird Alyns Gesicht; sah, wie diese versuchte, sie zu verbergen, wie auch sie selbst sie verbarg. „Wie auch immer… wir sind nicht in der Lage, etwas anderes zu finden, das wir weggeben konnten. Jeder Ausrustungsgegenstand, den wir anbieten konnten, wurde sehr schnell als etwas erkannt werden, das nicht aus diesem System kommt. Das Risiko, das wir eingehen, ist auch so schon gro? genug.“
„Ich wei?.“ Clewell schlug die Augen nieder. „Du bist der Kapitan.“