Shadow Jack beruhrte ihren Rucken.
„Geh weiter, sto? dich ab.“ Seine Stimme klang krachzend und entstellt durch seinen schwachen Lautsprecher.
Hinter seiner Stimme horte sie Rustys fruchtloses Kratzen an den Wanden der luftdichten Transportkiste; sie sah Gestalten, die auf sie zukamen, sie bewegten sich an einem gespannten Kabel entlang, das mittschiffs befestigt war. Mit zuviel Schwung stie? sie sich aus der Luke und schwebte bar jeglicher Anmut abwarts. Sie prallte zuruck, fand Halt an einem gestrafften Kabel und bremste ihre Bewegung.
„Bleiben Sie lange hier?“
Sie konnte das Gesicht des Schleusenwachters hinter der dunklen Maske seines Helmes nicht sehen und hoffte, auch ihr Gesicht moge so gut hinter ihrer eigenen Gesichtsplatte verborgen sein. „Nicht langer als wir mussen.“
„Gut. Ihr au?erer Strahlungspegel ist sehr hoch, das ist nicht gut fur die Pflanzen.“
Sie sah hinunter auf den groben Schotter und fragte sich, ob er einen Scherz gemacht hatte. Sie lachte nervos.
„Sind Sie von Lansing?“ Acht oder zehn weitere Gestalten tauchten mit bulligen Geraten, in denen sie Kameras erkannte, hinter ihm auf.
„Aus welchem Grund sind Sie hier?“
„Ist es wahr, da?…?“
„Ich dachte, jeder im Hauptgurtel sei tot?“
Sie hob Rustys Schachtel, um einen besseren Griff um das Kabel zu bekommen, ihre Stimmen verklangen in ihrem Helm. „Wir mochten etwas Wasserstoff von Ihrer Destille kaufen.“ Sie sah zuruck zum Wachter. „Ich hoffe, wir mussen nicht zur anderen Seite laufen?“
Dieses Mal lachte er. „No. Nicht, wenn Sie die Gebuhr bezahlen.“
Bertha sah, da? er bewaffnet war.
„… horte, die Leute vom Hauptgurtel stehlen und klauen hauptsachlich“, redeten die Stimmen im Hintergrund unaufhorlich. „Haben Sie wirklich etwas zum Handeln dabei?“
„Wie kommt es, da? Sie als Frau in dieser Position sind? Sind Sie steril?“
„Was ist in der Schachtel?“
Sie umringten sie wie Wolfe. Entsetzt prallte sie zuruck. „Ich kann nicht…“
„Das geht nur uns etwas an, Kameraden“, sagte Shadow Jack unvermittelt. „Wir sind nicht hier, um ein Almosen zu bekommen. Wir benotigen euren Mist nicht.“ Er zog den Wachter am Armel. „Nun, wie gelangen wir zur Destille?“
Bertha starrte ihn fassungslos an, doch der Wachter hob die Arme. „Alles klar, ihr Medienjungs, la?t sie in Ruhe. Schie?t ein Bild von ihrem Schiff; sie sind nicht von Lansing hierhergekommen, um fur euch Modell zu stehen. Und verge?t nicht, die Mekka-Liegeplatz-Gesellschaft zu erwahnen. Keine Umstande, Jungelchen. Folgen Sie einfach dem Kabel bis zum Schacht, man halt ein Taxi fur Sie bereit. Willkommen auf Mekka.“
„Sagen Sie, stimmt es, da?…“
Shadow Jack schwebte zum Kabel und stie? sich an ihnen vorbei zur anderen Seite ab. Bertha folgte ihm; ihre Bewegungen wirkten schmerzlich unbeholfen. „Danke… Kamerad“, sagte sie.
Der Wachter nickte oder verbeugte sich, was Shadow Jack auch tat.
„Mein Gott, wer
Ihre Gedanken glitten ab, formierten sich aber rasch wieder, als der sanfte Andruck sie in den Sitz pre?te. Rusty scharrte und schnuffelte in ihrer Tragetasche, was ein Gerausch wie von Statik in ihrem Helm verursachte. Plotzlich erinnerte sie sich wieder schmerzlich an ihr Ziel und den Zweck ihrer Fahrt. Und da? nur Eric ihr jetzt hatte helfen konnen — aber Eric war tot. „Ich frage mich, ob das hier schon vor dem Krieg gebaut worden ist?“ wandte sie sich an Shadow Jack, von dem sie die Antwort erhoffte.
„Ja, das wurde es.“ Die Stimme in ihrem Helm gehorte einem Fremden.
Sie erstarrte, Shadow Jack ebenfalls. Danach betrachteten sie die beiden anderen im Wagen. Einer von ihnen, der hin und wieder seine langen Beine ausstreckte, griff an seinen Helm, um das Visier durchsichtig zu machen. „Eric…!“ Ihre eigene Hand glitt zum Helm, verharrte dort schwebend, fast schwerelos.
Lockiges, dunkles Haar, ein langliches, nachdenkliches Gesicht, uber das gelegentlich ein kindliches Lacheln huschte. Die braunen Augen blickten uberrascht drein… Bernsteinaugen… nicht Eric, nicht…
Wieder lachelte er freundlich. „Ich glaube kaum.“
„Seid ihr diejenigen, die zum Handeln von Lansing kamen?“ fragte die zweite Person mit einer Stimme wie Sandpapier. „Man sagte, der Wagen wurde euch erwarten.“
Bertha winselte unhorbar. Sie betrachtete die kleinere, etwas untersetztere Gestalt und fragte sich dabei, ob es wohl auch dicke Gurtelbewohner gab. Mit ihren eigenen hundertfunfundsiebzig Zentimetern wirkte sie seltsam winzig. Die Frau machte ihr Visier durchsichtig, enthullte damit ein Gesicht mittleren Alters, braun, graues Haar und glanzende Augen.
„Ja, das sind wir.“ Bertha lie? den Helm dunkel, um ihr bleiches Antlitz zu verbergen. Shadow Jack wand sich unbehaglich neben ihr.
„Ihr seid die ersten aus dem Hauptgurtel, denen ich begegne. Wie ist es dort? Schon zu sehen, da? dort nicht alle…“
Rusty gab einen klagenden Laut der Einsamkeit von sich, Bertha stohnte, als er in ihrem Helm widerhallte.
„Mein Gott, was war denn das?“ fragte die Frau. Sie hielt sich eine Hand gegen den Helm.
„Geister“, antwortete Shadow Jack. „Von toten Gurtelbewohnern.“
Das Gesicht der Frau druckte Verwirrung aus. Bertha betrachtete den Mann, der lachelte und gleichzeitig die Stirn runzelte. Ihre Blicke begegneten sich. „Ich habe noch niemals so ein Gerausch gehort. Vielleicht sind wir gerade uber ein Stromkabel gefahren.“ Sie erkannte plotzlich, da? nicht nur die Katze, sondern auch der Schachteltransmitter eine im Himmel-System unbekannte Neuigkeit sein mu?te.
Die Frau sah sich unsicher um. „Tut mir leid, das war nicht besonders taktvoll von mir. Ihr seid einfach so ungewohnt. Ich bin Rinee Bohanian von Bohanian Agroponik.“ Sie winkte zur Sonnenseite hinuber. „Familienbetrieb, wissen Sie.“
„Wadie Abdhiamal.“ Der Mann nickte. „Ich arbeite fur das Demarchy.“
„Tun wir das nicht alle?“ fragte die Frau.
„Fur die Regierung.“
Sie betrachtete ihn mit einem Blick, der zwischen Argwohn und Abneigung pendelte. „Nun.“ Sie wandte sich wieder an Bertha. „Und wie lautet Ihr Name? Ich wurde mir gern einmal eine richtige Weltraumfahrerin ansehen…“