„Dort unten…“ — er deutete hinab — „…diese Reihe gruner Punkte am Boden, in diesem Bezirk sind jede Menge Buros von allen moglichen Destillen. Tiriki, Flynn, Siamang…“
„Destillen? Gibt es denn mehr als eine?“
„Aber sicher.“ Doch er lachelte tolerant. „Sie befinden sich im Demarchy, hier herrscht das Volk. Wir mogen keine monopolistischen Praktiken. Das wurde den Leuten gar nicht gefallen… das wei? ich mit Bestimmtheit. Darf ich Sie herumfuhren?“
„Nein, wirklich…“
„Das ist das mindeste, das ich tun kann, wo Sie schon soweit gekommen sind.“ Er steckte zwei Finger in den Mund und pfiff dreimal schrill. Sie erschrak. Er wandte sich wieder an sie und uberraschte sie mit einer knappen, entschuldigenden Verbeugung.
„So ruft man hier ein Taxi. Die Manieren auf Mekka gehen langsam, aber sicher zum Teufel… Der Himmel wird zur Holle.“
Er lachte seltsam, als hatte er selbst nicht erwartet, das Gesagte laut auszusprechen. „Ich selbst bin von Toledo.“
„Was… ah, sagten Sie, fuhren Sie fur Regierungsarbeiten aus?“ Sie sah unbehaglich uber den Rand. Die Frau aus dem Zug war verschwunden.
„Ich bin Unterhandler, Verhandlungsfuhrer. Ich bemuhe mich, das letzte Uberbleibsel der Zivilisation, das noch existiert, zu retten.“ Wieder das kurze, schmerzliche Lacheln. „Ich regle Streitigkeiten, arbeite Handelsvertrage mit aus… und schaue mir unerwartete Besucher an.“
Sie drehte sich ein wenig um und erstarrte fast, als sie den Kameramann sah, der aus dem Tunnel herauskam. „Shadow Jack!“ Sie packte ihn am Arm. „Bleib bei mir! Geh nicht weg!“
Die Stimmen umschlossen sie wie ein Kafig. „… in diesem heruntergekommenen Schiff?“
„Mit wem werden sie ihren Handel abschlie?en?“
„Wieviel…“
„Was haben sie…“
Medienmanner und neugierige Einwohner umkreisten sie, bildeten einen Wall um sie herum, plappernd und einander unterbrechend. Sie sah, wie der Mann von der Regierung beiseite gedrangt wurde, als das Lufttaxi ankam und am Rand stoppte. Sie stie? sich darauf zu und gestikulierte in Richtung Shadow Jack. Es hatte ein Verdeck und war propellerbetrieben, und es wurde von einem mude aussehenden jungen Mann von Hand gesteuert. „Wohin?“
„Zu… zu Tiriki. Aber rasch.“ Sie duckte sich unter den Baldachin des Fahrzeugs, spurte die Fu?stutze unter sich, sah uberall reflektierende Kristalle. Shadow Jack folgte ihr. Das Taxi sank hinaus und abwarts, weg von den aufdringlichen Leuten am Tunnelende.
„… Torgussen!“ horte sie den Regierungsangestellten gerade noch ihren Namen rufen.
Sie blickte zuruck, ihre Hand griff zum Helm, befingerte ihn unwirsch, zog ihn schlie?lich ab. Sie sah, wie sein Mienenspiel sich binnen weniger Minuten drastisch anderte… Unglaube… Erinnerung… Verlust…
In der Hohle herrschte eine gedampfte, wirre Gerauschkulisse: Gelachter, Rufe, das drohnende Summen unsichtbarer Mechanismen. Sich umsehend erkannte sie plotzlich verschiedene subtile Unterschiede in der Demonstration von Reichtum an den Turmen: Balkone, die in irrsinnigen Winkeln angebracht waren, dunkle Hohlungen komfortabler Wohnungen in den eintonigen Wanden. Hin und wieder bemerkte sie sogar unterschiedliche Geruche und Aromen, die in der Luft lagen. Sie atmete tief ein, geno? die kuhle, frische Luft, die ihren Verstand klaren half. Der Fahrer sah vollkommen unbeeindruckt an ihr vorbei zu den smaragdenen Turmen ihres Ziels.
Sie hatten sich durch den weichen, elastischen Mund des Eingangs gesto?en, hinein in einen langen Korridor, der sich verlassen etwa funfundzwanzig Meter in das Gebaude hinein erstreckte, der Basis auf dem Felsgestein zu. Bertha sank darauf zu, fast unmerklich und ohne das Gefuhl, das einen gewohnlichen Fall begleitet. Turen glitten an ihnen vorbei. Shadow Jack loste seinen Helm, zog ihn ab und schuttelte den Kopf. Sie horte ihn tief einatmen. „Wo sind wir?“ Sein dunkles Haar klebte in Strahnen an seiner schwei?nassen Stirn, er strich es mit einer behandschuhten Hand wieder zuruck.
„Das sind die Tiriki-Destillen. Der Mann aus dem Zug hat sie vorgeschlagen.“ Sie zogerte, da sie ihm nicht sagen wollte, was sie vermutete.
„Bastarde!“ Er zog die Mundwinkel herab. „Ich wurde diesen Ort hier gern in die Luft fliegen sehen. Dann waren sie nicht mehr so…“ Zorn wurgte seine Stimme ab.
Bertha betrachtete ihn; sie fuhlte Sorge mit einer Spur Befremden. Sie griff nach ihm, ihr Handschuh druckte das unnachgiebige Polster seiner Schulter. „Ich wei?, wie du dich fuhlst… ich wei? es. Aber dasselbe gilt auch fur die Leute in dem Wagen. Vergi? deinen Zorn augenblicklich, sonst werde ich ihn dir austreiben. Ich kann mir das nicht leisten. Ich will etwas von diesen Leuten und du auch, und das ist verdammt wichtiger als unsere personlichen Gefuhle. Daher wirst du dir ab jetzt ein su?es Lacheln angewohnen und dies beibehalten, auch wenn es dir nicht passen sollte.“ Irgendwo in ihrem Inneren drangte die Erinnerung wieder nach oben. „,Immer lacheln, lacheln… und schlauer sein als die anderen.’“ Sie lachelte, atmete die kuhle, aromatische Luft und sah ihm in die Augen. Er hob langsam den Kopf. Als er sie ansah, sah sie ihn zum ersten Mal lacheln.
Jemand stie? sich durch eine Tur fast direkt neben ihnen und starrte sie unglaubig an, nachdem er einen der Haltegriffe zu fassen bekommen hatte.
Sie rieb sich verlegen uber ihr ungewaschenes Gesicht. „Wir wurden gerne wegen einer Ladung Wasserstoff verhandeln. Konnen Sie uns sagen, an wen wir uns wenden mussen?“
Das Gesicht wurde plotzlich zu einer Maske der Liebenswurdigkeit. „Aber gewi? doch. Dort hinten, am Ende des Korridors. Das Handelskontor. Vielen Dank fur den Geschaftsabschlu? mit Tiriki.“ Er beugte den Kopf formell und ging weiter, indem er sich von der Wand abstie? und wie ein Schwimmer durch das helle, meergrune Licht schwebte. Sie hingegen sanken weiter hinab in die Tiefe.
„Schau dir diesen Fetzen an!“ Sie horten die Stimme, noch bevor sie die Tur erreicht hatten. „Was wissen sie schon davon? Sie haben verdammt noch mal uberhaupt keine Ahnung.“
„Nein, Esrom.“
Bertha schob die Matte beiseite, danach traten sie ein, ihre Gesichter wurden von einem angespannten Lacheln verzerrt.
„Das konnte ich selbst besser. Und das sollten wir auch tun. Wir sollten einen Medienmann engagieren und unsere eigene Zeitung herausbringen…“
„Ja, Esrom.“
„… mit der wir unseren Standpunkt vertreten konnen. Schau dir das hier an, ,monopolistisch’…“
Die goldhautige, wunderschone Frau hinter dem Schreibtisch sah sie an, ihre geschwungenen Brauen glitten in die Hohe. Der goldhautige, ebenfalls recht ansehnliche Mann mit der Zeitung in der Hand drehte sich um.
Aber der Mann sagte nur: „Sia, hast du schon mal so etwas gesehen? Sieh doch, ihre Haut, ihr Haar, und beides zusammen…“ Seine dunklen Augen glitten uber ihren Anzug, erkannten ihn, blickten ihr dann wieder ins Gesicht. „Aber sie war schon im All.“ Aus dem Interesse wurde Bedauern.
Die Frau tatschelte seinen Arm. „Esrom, bitte!“ Dann lachelte sie. „Und was konnen wir fur Sie tun?“ Sie glattete ihr rabenschwarzes Haar und schob ein paar Strahnen unter ihre festgeschnurte Kappe.
„Wir wurden gerne eine Ladung Wasserstoff von Ihnen kaufen.“ Bertha fuhlte, wie sie purpurrot wurde,