Gluck… Was war das, von wegen Fusionsschiffen, Abdhiamal? Sagten Sie nicht, das Demarchy hatte nur noch Kernenergie und atombetriebene Elektroraketen zur Verfugung?“

Er nickte. „Aber wir haben drei kleine Fusionsschiffe aus der Zeit vor dem Krieg; sie bilden unsere Flotte, wenn man es so nennen kann. Sie konnen Sie nicht mehr erreichen, bevor wir uber Diskus sind.“

„Aber damit haben wir weniger Zeit zum Manovrieren, wenn wir dort sind.“

„… der Regierungsagent Abdhiamal bedrohte uns und entfuhrte die Au?enweltler, die gekommen waren, um mit uns zu verhandeln. Nun sind zweihundert Kilosekunden ohne weitere Nachricht von ihm verstrichen. Ihr Wissen hatte dem ganzen Demarchy nutzen konnen, mit ihm hatte Himmel gerettet werden konnen — aber wegen dieses »Regierungsangestellten’ haben wir sowohl das Schiff als auch die Besatzung verloren — fur immer verloren! Bitte vergessen Sie das nicht, wenn Sie Ihre Entscheidung treffen.“ Das Band unter ihm wurde immer tiefer violett.

Wadie ballte die Hande zu Fausten. ABSCHLIESSENDE GEGENREDE: LIJE MACWONG, stand auf dem Schirm zu lesen.

„Es tut mir leid, zugeben zu mussen, da? die letzte Beschuldigung von Demarch Tiriki leider zutreffend ist. Wadie Abdhiamal, ein Verhandlungsfuhrer meiner Agentur, hat seine Kompetenzen in einem Ma? uberschritten, das ich als kriminell bezeichnen wurde. Schon fruher wurde seine Loyalitat manchmal in Frage gestellt, und man warf ihm Sympathien fur die Ringbewohner vor. Ich erachte es als wahrscheinlich, da? er die Ringer dabei unterstutzt, das Schiff gegen uns einzusetzen. Ich kann nur wiederholen, er handelte ohne meinen Auftrag oder den irgendeiner anderen Person der Regierung. Diese Agentur ist nicht und war auch noch nie Teil dieses Verbrechens. Er allein hat das Verbrechen begangen, und daher sollte er, wie jeder gewohnliche Kriminelle auch, fur schuldig befunden werden…“

Wadie richtete sich auf, Kalte kroch seinen Rucken herab.

„… das Demarchy verraten zu haben…“

„Lije!“ flusterte er unglaubig, als konne er damit den Blick dieser bleichen Augen auf sich richten.

„… und daher, Demarchos, bitte ich Sie alle instandig, all dies nicht aus den Augen zu lassen, bevor Sie Ihre Entscheidung fallen. Das sollte nicht einfach nur eine Abstimmung gegen eine Regierung werden, die Ihnen lange Zeit aufrichtig gedient hat, sondern es ist ein Gericht uber den einen Mann, der die Hoffnung von uns allen verraten und verkauft hat. Ich ersuche an dieser Stelle um ein Urteil gegen Wadie Abdhiamal, Regierungsunterhandler, wegen Hochverrats…“

Du Bastard… Er stie? sich ab und watete wie durch einen Alptraum zur Konsole.

„… er soll bei Androhung der Todesstrafe niemals mehr einen Fu? auf das Hoheitsgebiet des Demarchy setzen durfen. Er hat uns alle verraten…“

„Lassen Sie mich sprechen!“ Er streckte eine Hand nach den Knopfreihen aus.

Der Kapitan hielt seinen Arm fest. „Nein.“

„… ferner ordne ich an, da? alle Fusionsschiffe zur Verfolgung des fremden Raumschiffes bereitgestellt werden; es darf niemals bei unseren Feinden ankommen. Wir mussen dieses Schiff fur uns selbst haben!“

ANTRAG leuchtete es auf dem Schirm auf. STRAFANTRAG GEGEN WADIE ABDHIAMAL, UNTERHANDLER UND VERHANDLUNGSFUHRER. PUNKT DER ANKLAGE: HOCHVERRAT. STRAFE: TOD. ANTRAGSTELLER: DIE REGIERUNG DES DEMARCHY.

Er trat von der Konsole zuruck. Seine Finger bewegten sich un-koordiniert, seine Arme sanken herab. Mit schweren Schritten ging er wieder zu seinem Sessel zuruck und sah zu, wie die Stimmabgabe ihren Lauf nahm. EINVERSTANDEN, ABGELEHNT. Zahlenreihen erschienen, die im Verlauf der verstreichenden Sekunden immer gro?er wurden. Darunter verfarbte das Band der prozentualen Wahlbeteiligung sich von Rot nach Orange zu Gelb. Funfhundert Sekunden, bis es die gewunschte violette Farbe erreicht haben wurde… funfhundert Sekunden, bis auch die letzte Stimme vom entferntesten Felsen registriert worden war. Nach den Standards der Vorkriegszeit eine vernachlassigbar kleine Zeitspanne, wie auch hundertvierzig Millionen Kilometer keine nennenswerte Entfernung waren. Ihre Nahe hatte den Trojanern nach dem Krieg das Uberleben gesichert. Nun, da man Menschen ohne Zogern, ohne Zeit zum Nachdenken, abstimmen lie?, bedeutete sie fur ihn den Tod. Er wartete. Die anderen warteten mit ihm, keiner sagte etwas. Der Antrieb des Schiffes erfullte die Stille mit seinem Vibrieren, die einzige Konstante im plotzlichen Chaos des Universums.

DEM ANTRAG WIRD ZUGESTIMMT. Sie hielten ihn fur schuldig. Zwanzig zu eins, und das verurteilte ihn zum Tode. Er sah zu, wie das Todesurteil wiederholt wurde und dann erlosch, wie etwas, das schon langst wieder vergessen ist. Die Debatte nahm einen neuen Verlauf, nun ging es uber den geplanten Einsatz der Fusionsschiffe. Er hob seine bleischweren Hande, lie? sie wieder sinken, lachelte, sah zu den anderen. „Jetzt wei? ich endlich, wie MacWong seinen Job so lange behalten konnte.“

Der Kapitan schaltete die Debatte ab und fullte so den Schirm mit der Leere seiner Zukunft.

„Ich glaube, nun verstehe ich den Unterschied zwischen ,Demarchy’ und gewohnlicher ,Demokratie’“, kommentierte Welkin leise.

„Welkin, Sie haben kein Recht, sich ein moralisches Urteil uber Himmels Gurtel anzuma?en.“

„Doch, dieses Recht hat er“, widersprach Shadow Jack. Er richtete sich auf, wobei er seine Fu?e nach vorne ausstreckte. „Die Besatzung dieses Schiffes, sie waren alle…“ Er suchte nach Worten. „Sie waren alle verheiratet, sie waren alle eine Familie, alle zusammen. Und sie sind alle in den Ringen gestorben, mit Ausnahme von…“ Er sah zu Welkin und Bertha, dann wieder zuruck zu Wadie, schlie?lich senkte er handeringend den Blick. „Sie sind alle gestorben.“

Wadie beobachtete den Kapitan, ihr Arm lag auf der Schulter des alten Mannes. „Ich bin nicht verheiratet“, sagte er tonlos. „Und nun werde ich es auch nie sein.“ Sie sah ihn verstandnislos an, vergebliche Entschuldigung flackerte in ihrem Blick, begleitet von einer verbluffenden Sorge. Er stand auf, um ihre unerwartete Sympathie zuruckzuweisen. „Nun, Kapitan, damit haben Sie die letzte Gelegenheit fur eine konstruktive Ubereinkunft mit dem Demarchy ruiniert. Ich fur meinen Teil hoffe, dieses Mal haben Sie mit den Ringern mehr Gluck als beim letzten Mal.“ Er ging aus dem Raum, die Treppe hinunter. Niemand folgte ihm.

Ranger (Im Transit, Demarchy nach Diskus)

+ 2,40 Megasekunden

Bertha sa? allein am Kontrollpult im sanften Halbdunkel des Kontrollraums und verfolgte den endlosen Strom der Fernsehubertragungen des Demarchy, die ihrer eigenen Wahl zufolge lautlos waren und die sie immer noch verfolgten, zweihundert Millionen Kilometer entfernt. In einer Art hypnotischer Gebanntheit machte sie sich Gedanken uber die immer in Bewegung befindliche Medienmaschine des Demarchy und fragte sich, wie denn ein einziger Burger — Demarchos? — jemals eine vernunftige Entscheidung treffen konnte, wenn er standig mit tausenderlei Variationen der Wahrheit konfrontiert wurde. Und da sie selbst auf Mekka die Medienmanner kennengelernt hatte, hatte sie genug wissen sollen, um Wadie Abdhiamal Gelegenheit zum Sprechen zu geben…

Abrupt schaltete sie die Ubertragungen ab und ubertrug das Bild von Diskus auf den Schirm. In Gedanken sah sie die Rangen ein winziges Punktchen, allein innerhalb von funfhunderttausend Kilometern kahler Finsternis, das der Bahn von Diskus um die Sonne folgte, eine Bahn, die es wegfuhrte von dem Felsenschwarm, der das Demarchy war. Doch dann erinnerte sie sich daran, da? sie nicht vollkommen allein waren. Sie dehnte die Vision ihres Verstandes aus und stellte sich die grotesken, langsamen Erzfrachter des Demarchy vor, die durch die Einsamkeit krochen. Schiffe, die eine Entfernung in hundert Tagen zurucklegten, fur die ihr eigenes Schiff hochstenfalls sechs Tage benotigte. Ein kaum uberbruckbarer Abgrund, von dem letztlich das Uberleben des Demarchy und der Ringe abhing. Und eines Tages wurde es keine Schiffe mehr geben, ihn zu uberqueren…

Aber jetzt, wenn sie die violette Spur des Aussto?es der Ranger zuruckverfolgte, sah sie die drei Punktchen, die sehr wohl die drei Fusionsschiffe sein konnten und die sie mit den empfindlichsten Instrumenten des Schiffes gerade noch wahrnehmen konnte.

Sie verfluchte das Demarchy, seine dunkelhafte Sophisterei, die kunstliche Pracht, die sinnlose Vergeudung seiner Medien. Narren, die sich fanatisch an ihre Unabhangigkeit klammerten, wo sie doch eigentlich alle hatten zusammenarbeiten mussen. Sie lebten auf der Basis einer egoistischen Gier, ohne eine stabile Regierung, um sie

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