Echos ihrer Wut zum Ausgang.

Clewell grinste angesichts von Abdhiamals erstauntem Gesicht. „Abdhiamal, das haben Sie eben alles einem Ingenieur erzahlt.“

Abdhiamal winselte. „Ich hatte niemals aufstehen sollen… vor zwei Megasekunden.“ Er lie? seinen Blick durch den verlassenen Raum schweifen. „Ich sage immer nur das Falsche zu… Ihrer Frau. Ich hielt sie fur eine Pilotin.“

Clewell lauschte Berthas leiser werdenden Schritten nach. Er fragte sich, was fur eine neue Burde sie von Mekka mitgebracht hatte — die in ihren Augen und in jeder ihrer Taten Ausdruck fand und die sie nicht einmal mit ihm teilen konnte. „Sie war Ingenieur auf Morningside, bevor sie zum Kapitan der Ranger berufen wurde. Sie hat einen Teil dieses Schiffes konstruiert, und sie hat auch an der Antriebseinheit mitgearbeitet.“ Wieder sah er Uberraschung in Abdhiamals Augen. „Es ist das erste Raumschiff seit dem Tief, zu dessen Bau wir die notigen Rohstoffe hatten.“

„Tief?“

„Not… Naturkatastrophen.“ Erinnerungen an vergangene Leiden stiegen fast zwanghaft in ihm auf, verstarkt durch den neuen Verlust. Er legte das Holz beiseite und lehnte sich gegen den Tisch. Schwache uberfiel ihn. Einen Augenblick lang stellte er sich seinen Korper morbide ebenfalls als altes Holz vor, wetterzerfressen und verfallend. Er seufzte. „Auf Morningside konnen kleine Unstimmigkeiten der Sonnenaktivitat oder Instabilitaten des Orbits katastrophale Folgen haben. Als ich noch ein Junge war — im letzten Viertel meines zehnten Jahres —, da brach bei uns eine ,Hei?e Phase’ an…“ Er sah, wie die Eisflache zuruckwich, Berge zermalmte und sich in die Borealische See ergo?. Die See selbst war um einen halben Meter gestiegen und hatte lebenswichtige Industrien an der Kuste uberflutet, aufgrund zu heftiger Regenfalle war das Getreide in den Speichern verfault. Er hatte mit ansehen mussen, wie sein Vater einen Wurf kleiner Katzchen totete, da sie sie nicht hatten futtern konnen.

Er hatte geweint, obwohl sein eigener Magen vor Hunger geschmerzt hatte. Immer noch, nach all den Jahren… „Es dauerte Jahre, bis das Klima sich wieder stabilisiert hatte, und fast mein ganzes Leben, bevor unser aller Leben wieder in ,normalen’ Bahnen verlief. Gerade jetzt sind wir wieder in einem Hoch, und Uhuru ist stabilisiert — das sind unsere nachsten Nachbarn, eigentlich war dieser Flug zu ihrer Unterstutzung gedacht gewesen. Aber wir sind das Risiko eingegangen, mit der Ranger ins Himmel- System zu kommen.“ Er fuhlte den bei?enden Wind uber dem Schnee des Gletschers der Nachtseite, wo Sterne kalt wie Eis am Himmel funkelten. „Darum konnen wir es uns nicht leisten hierzubleiben. Auch wenn wir mit leeren Handen nach Morningside zuruckkehren — sie haben wenigstens das Schiff.“

Abdhiamal nickte. „Ich verstehe. Ich sagte ihrer… Frau, Kapitan Torgussen, bereits, ich bin gerne bereit, alles in meiner Macht Stehende zu tun, damit Sie wieder nach Morningside zuruckkehren konnen — zum Besten von Himmel. So wie es aussieht, wurde Ihre dauernde Anwesenheit hier Himmel nur noch mehr entzweien, anstatt zu vereinen…“ Einen Augenblick wurde Clewell an jemanden erinnert, doch das Bild verschwand wieder.

Uberrascht dachte er uber Abdhiamals Worte nach — und war noch uberraschter, da? er ihm glaubte. Haben wir einen ehrlichen Mann gefunden?

„Gemeinsam wollen wir weiter wandern, Unser Lied niemals enden kann…“

„Was ist das?“ fragte Abdhiamal.

„Bird Alyn.“ Clewell horte leise Musik vom hydroponischen Labor herauftonen. „Bertha hat ihr ein paar Akkorde auf der Gitarre beigebracht und ich ein paar Lieder, wahrend wir… warteten.“ Er horte, wie Bird Alyn einen falschen Ton anschlug. Er lachelte. „Es kommt nicht darauf an, was man singt oder wie, sondern was man dabei fuhlt.“

Abdhiamal lachelte freundlich. Sein Blick beruhrte die zerschrammte Tischoberflache, den Boden, suchte den Raum erneut ab. Sein Lacheln gefror. „Wissen Sie, manchmal habe ich das seltsame Gefuhl, in einem Traum zu leben und vergessen zu haben, wie ich mich selbst wieder wecken kann.“ Ein verzweifelter Unterton schwang plotzlich in seiner Stimme mit.

„Bird Alyn sagte dasselbe zu mir. Sie meinte es wahrscheinlich ernst.“

„Wenn man bedenkt, da? sie vom Hauptgurtel kommt, trifft es wahrscheinlich zu… Vielleicht gilt das auch fur mich.“ Abdhiamal rausperte sich, ein seltsam verlegener Laut. „Welkin, ich wurde Ihnen gerne eine personliche Frage stellen. Wenn Sie gestatten.“

Clewell lachte. „In meinem Alter hat man nicht mehr viel zu verbergen. Sprechen Sie.“

Abdhiamal zogerte. „Finden Sie es nicht… hart, Befehle von Ihrer Frau entgegennehmen zu mussen?“

Clewell ging vom Tisch weg. „Warum sollte mir das etwas ausmachen?“

Abdhiamal betrachtete ihn auf seltsame Art. „Ehrlich gesagt, habe ich noch nie eine Frau getroffen, die ich an meiner Stelle Entscheidungen hatte treffen lassen wollen.“

Clewell erinnerte sich, was er auf den Monitoren vom Gesellschaftssystem des Demarchy mitbekommen hatte, und verstand plotzlich, wo Abdhiamals Problem lag. „Bertha Torgussen wurde zur Kommandantin der Ranger berufen, weil sie am qualifiziertesten war und am schnellsten Entscheidungen treffen konnte. Wir waren alle damit einverstanden.“ Er war unschlussig, ob er sich argern oder amusieren sollte. „Und nun beantworten Sie mir eine personliche Frage: Wie denken Sie uber meine Frau?“ Er sah eine instinktive Reaktion aufwallen, die jedoch, bevor sie die Lippen erreichte, wieder erlosch. Ein ehrlicher Mann…

„Ich wei? es nicht.“ Abdhiamal runzelte die Stirn uber sich selbst. „Aber ich mu? gestehen, seit ich sie kenne, hat sie die besseren Entscheidungen als ich getroffen.“ Er lachte kurz und sah weg. „Doch dann entschied sie sich fur das All, anstatt…“ Sein Blick konzentrierte sich wieder auf Clewell, Frustration und Verwirrung spiegelten sich darin.

„Warum schickt das Demarchy keine Frauen ins All? Mein Eindruck vom Leben im Gurtel war der, da? jeder ziemlich davon begeistert ist. Manner und Frauen.“

„Vielleicht vor dem Krieg. Aber jetzt mussen wir unsere Frauen beschutzen.“

„Wovor? Vor dem Leben?“ Clewell hob das Stuck Holz auf und lie? es von einer Hand in die andere fallen. Mittlerweile uberwog sein Zorn.

„Vor der Strahlung!“ Zum ersten Mal horte er Abdhiamal mit vor Zorn gehobener Stimme sprechen. „Vor genetischen Schaden. Die Kernreaktoren unserer Schiffe sind einfach zu wenig abgeschirmt. Ungeachtet all unserer Bemuhungen ist die Rate der Kinder, die mit Mi?bildungen zur Welt kommen, etwa zwanzigmal hoher als vor dem Krieg.“

Clewell dachte an Bird Alyn. „Und was ist mit den Mannern?“

„Wir konnen Sperma konservieren. Ovum nicht.“

„Ihr habt durch diesen Krieg mehr verloren, als euch bewu?t ist.“ Abdhiamal horte ihm stumm und ausdruckslos zu. Clewell loste das lederne Kraftband, das ihm einer seiner Sohne als Abschiedsgeschenk gegeben hatte. „Erinnern Sie sich noch an dieses Zeichen?“ Wahrend Abdhiamal den Reif nahm, deutete Clewell auf ein kreisformiges, kupfernes Symbol.

„Yin und Yang?“

Er nickte. „Wissen Sie, wofur das steht?“

„Nein.“

„Es steht fur Mann und Frau. Auf Morningside hei?t das: zwei gleichwertige Halften, die sich vollkommen zu einem biologischen Ganzen vereinen. Ein wenig Wei? im Schwarz, ein wenig Schwarz im Wei?… um uns daran zu erinnern, da? weibliche Gene an allen mannlichen, und mannliche Gene an allen weiblichen Schopfungen beteiligt sind. Die Menschen bestehen nicht aus Mannern und Tieren, Abdhiamal, sondern aus Mannern und Frauen. Unsere Gene erganzen einander, wir sind alle Menschen. Wenn Sie genauer daruber nachdenken, wird Ihnen das auch aufgehen.“

„Seltsam…“ Nun lachelte Abdhiamal wieder liebenswurdig. „Irgendwie hatte ich nie daran gedacht, da? Yin und Yang Teil von Morningsides kulturellem Erbe sein konnten.“

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